Kommentar Politikverbot der TU Hamburg: Unpolitisch ist sehr politisch
Politischen Disput von der Hochschule fernzuhalten ist Quatsch. Die Uni-Verwaltung hat nicht kapiert, was Demokratie ist und wie Wissenschaft funktioniert.
E s ist ein Politikum, dass der Kanzler der Technischen Universität (TU) Hamburg ein Plakat hat abhängen lassen, weil es für eine Veranstaltung angeblich politischen Inhalts warb. Das zeigt: Die Uni-Verwaltung hat nicht kapiert, was Demokratie ist und auch nicht, wie Wissenschaft funktioniert. Das Gericht, das dem Eilantrag statt gab, übrigens auch nicht.
Wenn es einen Ort gibt, an dem junge Leute politisch sozialisiert werden, dann ist das die Universität. Hier ist ihr Idealismus noch nicht abgeschliffen, hier diskutieren sie über das große Ganze und Grundsätzliche. An einer technischen Universität ist das vielleicht weniger ausgeprägt, aber das ist eher ein Problem als ein Pluspunkt.
Politischen Disput von der Hochschule fernzuhalten ist Quatsch – gerade, wenn man mit Betriebsunfällen wie dem 9/11-Piloten Mohammed Atta argumentiert. Der hat seine Ideen nicht im offenen Diskurs, sondern im Kämmerlein ausgebrütet.
Viele Fächer an der Universität sind per se politisch. Das gilt für Gender-Studies, Ethnologie und Kolonialstudien, aber auch für die Ökonomie, deren Krise gerade darin besteht, dass sie für unpolitisch erklärt wurde. Bei der Physik mag das vielleicht nicht gerade naheliegen, auch hier gilt jedoch, dass keine Wissenschaft losgelöst von politischen Rahmenbedingungen existiert, allein schon weil sie finanziert werden muss.
Mag der Ruf des dialektischen Materialismus auch gelitten haben, weil er im Ostblock herrschende Ideologie war – solange es die Chance gibt, dass er zum Fortschritt beiträgt, darf er vom Diskurs nicht ausgeschlossen werden. Wissenschaftlicher Fortschritt lebt vom Querdenken. Wissenschaft, die nicht bereit ist, ihre Voraussetzungen zu hinterfragen, ist keine. Und eine Uni, die dazu nicht bereit ist, verdient diesen Titel nicht.
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