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Öko-veganer Fußball in EnglandGrüne Teufel aus der vierten Liga

Im englischen Fußball sorgt Forest Green Rovers FC für Furore: als veganer Profiklub mit ökologischer Botschaft. Sogar die Uefa zeigt Interesse.

Teufels Küche? Ja, aber nur vegan Foto: Daniel Zylbersztajn

Nailsworth taz | Stürmer Reuben Reid, 30, steht am Spielfeldrand. Es ist kurz vor dem abendlichen Heimspiel, er fängt an zu schwärmen, aber um Fußball geht es eigentlich nicht. „Ich lebe seit einigen Monaten vegan, so gut wie jetzt ging es mir noch nie“, erzählt Reuben. „Ich schlafe besser, habe weniger Verletzungen und bessere Haut, verlor ein bisschen Gewicht.“ Früher sei er ein Steak- und Chicken-Jerk-Fanatiker gewesen, aber heute sei ihm optimale Ernährung wichtig. Wegen Tierschutz, wegen der Umwelt, und es gebe noch einen anderen, einen wichtigeren Grund: „Meine Frau! Bei ihr wurde vor Kurzem Krebs diagnostiziert. Die Ärzte empfehlen ihr vegane Ernährung.“

Obwohl die Spieler des Forest Green Rovers FC bis zu vier Mal wöchentlich vegan durchgefüttert werden und der Klub auch einen in veganen Fragen geschulten Fitnesscoach verpflichtet hat, ist Reid nur einer von drei Spielern, die sich die Botschaft des Veganen bisher zu Herzen genommen haben.

Bei Forest Green Rovers FC, gelegen in den Cotswolds im Südwesten Englands, genauer in Gloucestershire, geht es seit acht Jahren etwas anders zu. Da hatte sich der Ökomillionär Dale Vince die Mehrheit der Aktien des 129 Jahre alten Klubs gesichert. Eigentlich nichts Ungewöhnliches im englischen Fußball, auch wenn die Forest Green Rovers in der vierten Liga spielen – und auch das erst seit einem Jahr.

Der Rasen wird bio-vegan gedüngt und mit Regenwasser bewässert

Dale Vince war ein nicht gerade begüterter Traveller, der in den neunziger Jahren eine Geschäftsidee hatte – als er sich den windbetriebenen Generator für seinen alten Pkw anschaute. „Ich lebte damals nicht weit von hier auf einem Feld“ sagt der heute 57-jährige Klubchef, „eigentlich war ich nur zufällig hier.“ Vince beschloss, eine Firma zu gründen, die mit Windfarmen Ökostrom herstellt. Ecotricity nannte er die Firma, deren Wachstum und Erfolg er auch öffentlichen Geldern für Windenergie zu verdanken hat. Heute wird ihr Wert auf über 100 Millionen Pfund geschätzt. Einen Teil dieses Geldes investierte er schließlich in den lokalen Fußballklub in Nailsworth, einer kleinen Stadt in der Region.

Und ein Jahr nach Beginn seines Engagements im Fußball verbannte er das Fleisch aus der Klubkantine.

Unkraut per Hand ziehen

Heute ist der Forest Green Rovers FC nicht nur zu hundert Prozent vegan und das Vereinsgelände wird zu hundert Prozent mit Ökostrom betrieben – auf dem Stadiondach sind Solarzellen angebracht –, sondern sogar der Rasen im Stadion und auf den Trainingsplätzen wird nur bio-vegan und mit Seetang gedüngt und mit gespeichertem Regenwasser bewässert. Zudem wird ein Ökostoff zur Demarkierung verwendet, der länger hält als andere.

taz am wochenende

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Gärtner Adam Witchell zieht jährlich das Unkraut per Hand raus. „Wir haben heute fast den einzigen echten Rasen ohne synthetische Beigaben“, sagt Witchell mit Blick auf die Konkurrenz im Profifußball. Man sieht ihn Stolz und Hingabe an.

Auch Küchenchefin Jay Crawford im weißen Kochkittel, mit auffälligen großen Tattoos auf dem rechten Vorderarm, ist der Enthusiasmus anzusehen. Seit sie vor vier Monaten die Küche des Klubs übernahm, hat sie bereits mehrmals die Auswahl auf der Speisekarte gewechselt – saisonbedingt. Heute gibt es neben veganen Hotdogs Veggie Burger, vegane Schnitzel, Salat, Pommes, Gemüse und vor allem die im englischen Fußball beliebten gefüllten Pasteten. Die sind normalerweise ein Fleischgericht, aber in Crawfords Küche werden sie mit veganem Hackfleischersatz zubereitet.

Der Hersteller ist auch Sponsor des Klubs. „Obwohl wir nur alle zwei Wochen ein Heimspiel haben, bin ich durchgehend mit Vorbereitungen beschäftigt, erzählt Crawford, die selbst auch Veganerin ist.

Keine Zusammenarbeit mit McDonald’s

Was das Vegane und die Vermeidung von Tierstoffen betrifft, ist der Klub nahezu perfekt. An der Bar gibt es aber neben veganem Bier auch Pepsi Cola. „Ist auch vegan“, beschwichtigt Vince, und gibt zu, dass hier noch Änderungen möglich sind. Bei anderen denkbaren Partnern ist Vince strikter: eine Zusammenarbeit mit McDonald’s lehnt er etwa ab.

Ein paar Schwächen hat Vinces bemerkenswerter Klub aber noch, einige streng ökologische Kriterien werden nicht eingehalten. Nicht alle Produkte, die verwendet werden, sind durch die Umweltschutzorganisation Rainforest Alliance zertifiziert. Auch stammen nicht alle Produkte und Lebensmittel aus biologischem Anbau. Immerhin sind Kaffee und Tee fair gehandelt und werden in kompostierbaren Bechern serviert.

Der Klub unterstützt die Organisation Sea Shepherd, die mit gewagten Manövern auf hoher See versucht, die Waljagd zu verhindern. Daher weht über dem Stadion auch eine Piratenfahne – ein Emblem von Sea Shepherd. Dem Chef gefällt das.

Inzwischen wird Forest Green Rovers FC sogar von anderen Klubs um Rat gebeten. Gärtner Witchell sprach zuletzt auf einer internationalen Konferenz in Spanien über seinen Ökorasen, und Küchenchefin Craw­ford wurde vom berühmten Wembley-Stadion bezüglich ihrer veganen Pasteten befragt. Sogar die Uefa hatte Fragen zur Nachhaltigkeit.

Per Mit­fah­re­r*in­nen­zen­tra­le zu Spielen

Für Dale Vince ist der Fußball eine gute Möglichkeit, seine Botschaft zu verbreiten. „Wir haben mit dem Klub im vergangenen Jahr drei Milliarden Menschen erreicht.“ Tatsächlich gibt es einen enormen Medienandrang, sogar das Boulevardblatt Sun kam mit drei Reportern angereist.

„Ich wusste in den neunziger Jahren, dass es zwei Wege zur Verbreitung von ökologischen Botschaften gibt. Zum einen innerhalb wohltätiger Vereinigungen, zum anderen als Geschäft – mit Reinvestitionen“, spricht Vince über seine Erfahrungen mit Nachhaltigkeit als Geschäftsidee. Fußballfans gelten als Zielgruppe, die für solche Botschaften eher schwer zu erreichen ist. Doch tatsächlich geben etliche Fans zu, dass der Klub sie zu einem anderen Konsumverhalten bewegt hat.

Viele der Befragten wie Bill Hillers und Emma Dawkins, beide arbeiten in einer Fabrik, sagen, dass sie häufiger vegan essen und mehr über Nachhaltigkeit nachdenken. Das Grüne sei jetzt Teil der Klubidentität. Chris Latham lebt heute vollständig vegan – wegen seines Klubs. „Ich las mir im Stadion die Erklärungen zum Veganen durch, und ich begann über Nachhaltigkeit und Ernährung nachzudenken“, erzählt Latham. Sogar bei seinen Reisen zu Auswärtsspielen gleicht Latham die CO2-Emissionen aus. Und manchmal fährt er sogar per Mit­fah­re­r*in­nen­zen­tra­le zu Spielen.

Als Nächstes will Dale Vince mit seinem Fußballklub gesundes und veganes Schulkinderessen herstellen und sich so als industrielle Großküche zur Verbesserung der Mittagessen von Schulkindern versuchen, erzählt er. Vince glaubt, dass das Vegane erst durch ihn und seine Firma Ecotricity mit ihren mittlerweile 700 Mit­ar­bei­te­r*in­nen in diese Gegend gekommen ist. Wer sich in Nailsworth und Stroud umsieht, entdeckt Biocafés, Biobäcker und Biofriseursalons. Wenn man Vince zuhört, scheint es klar, dass dann auch der Fußballklub ökologisch werden musste.

Sportliche Ziele?

Clare Honeyfield, Besitzerin des „Made in Stroud“-Ladens in der Stadtmitte und Gründerin des Biowochenmarktes, erzählt jedoch, dass in der Hügellandschaft der Cotswolds schon im 19. Jahrhundert Reformer wie die Quäker und die Chartisten lebten. Vince und sein veganer Klub passen also in die Region.

Ein älterer Mann in Nailsworth ist dennoch skeptisch. Er spricht von einem großen Haus in Stroud, das Dale Vince gekauft hatte und das jetzt leer stehe, aber andere als Ärztezentrum kaufen wollten. Vince gehöre zu viel in dieser Gegend, glaubt der Mann, der seinen Namen nicht nennen mag. „Haben Sie von Vinces Klage gegen die Regierung gelesen, weil sie eine eingegrünte britische Fahne benutzte? Er behauptet, dieser grüne Union Jack sei das Em­blem von Ecotricity? So etwas ist doch lächerlich!“ Der Mann erwähnt auch noch, dass Ecotricity Angestellte entlassen hat. „Zwar stand in der Zeitung, dass es wegen eines Fehler geschah, aber vielleicht übernimmt sich der Mann ja auch mit seinen Projekten, keine Ahnung.“ Projekte hat Vince viele im Sinne. Etwa den Bau eines größeren und vollkommen nachhaltigen Stadions mit Ökopark und besserer Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel.

3:1 haben die grünen Teufel, wie sich die Forest Green Rovers nennen, an diesem Abend gewonnen. Die Fans sind glücklich, auch wenn der Schiedsrichter bei einem Freistoß den Rasen mit einem wahrscheinlich giftigen Stoff markierte.

Über die Mannschaft und ihre sportlichen Ziele erfährt man erstaunlich wenig bei dem Vorortbesuch. „Wir haben ein paar gute Einkäufe getätigt“, bemerkt der Pressesprecher nur – und spricht dann lieber über die ökologischen Trikots, die neu im Sortiment sind. Ob Forest Green Rovers FC irgendwann einmal in der Premier League spielen wird, wissen nur die Windräder von Dale Vince.

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2 Kommentare

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  • Rainforest alliance ist allerdings kein erstrebenswerter Standard in der Zertifikation: "The organization certification has been criticized for allowing the use of the seal on products containing a minimum of 30% of certified content. According to Michael Conroy, former chairman of the board for Fair Trade USA, this use of the seal is the "most damaging dimension" of [Rainforest Alliance's] agricultural certification program and "a serious blow to the integrity of certification"."



    en.wikipedia.org/w...icism_and_response

    • Daniel Zylbersztajn-Lewandowski , Autor des Artikels, Auslandskorrespondent Großbritannien
      @BigRed:

      @Bigred ich habe ihre Bemerkung direkt zur RA getragen. Hier ist deren Antwort in ganzer Länge zur weiteren Debatte. Danke für die Bemerkung. Daniel Zylbersztajn.

      Sehr geehrter Herr Zylbersztajn,

      auf Ihre Leseranfrage nehmen wir gerne wie folgt Stellung:

      Eine häufig große Herausforderung für zertifizierte Farmer ist der Marktzugang und die langfristige Nachfrage nach verantwortungsvoll hergestellten Rohstoffen. Die Rainforest Alliance möchte daher Anreize für Unternehmen schaffen, sodass diese in ihrer Rohstoffbeschaffung auf zertifizierte Quellen umsteigen.

      Deshalb ermöglicht es die Rainforest Alliance Unternehmen, bereits während des Umstellungsprozesses das Siegel Rainforest Alliance CertifiedTM auf Produktverpackungen ausloben zu dürfen. Der zertifizierte Inhalt (in Prozent) sowie der betreffende Rohstoff müssen dann auf der Verpackung transparent gemacht werden. Die Mindestmenge liegt bei 30 Prozent. Unternehmen verpflichten sich dazu, innerhalb eines bestimmten Zeitraums (maximal fünf Jahre) den zertifizierten Rohstoffanteil auf 100 Prozent zu erhöhen.

      Rund drei Viertel aller Produkte weltweit, die das Frosch-Siegel tragen, enthalten 100 Prozent zertifizierten Inhalt. Nur 13 Prozent aller gesiegelten Produkte enthalten 30 Prozent zertifizierten Inhalt.

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      Rainforest Alliance & UTZ | Joining forces for a better future