piwik no script img

Nach den Midterm-Wahlen in den USAWenn Stimmen nichts zählen

In den US-Staaten Georgia und Florida haben Republikaner einen Wahlsieg über linke Demokraten gefeiert. Dabei ging es dubios zu.

Stacey Abrams gibt sich noch nicht geschlagen Foto: Reuters

New York taz | Ein Hauch von Bananenrepublik hängt über Georgia und Florida. In den beiden Südstaaten haben Republikaner bereits ihren vermeintlichen Wahlsieg bei den Midterms am vergangenen Dienstag gefeiert. Doch seither sind Stimmzettel aufgetaucht, die den ohnehin knappen republikanischen Vorsprung dramatisch reduziert haben.

In Florida wird damit eine Neuauszählung der Stimmen für den US-Senat und den Gouverneurspalast wahrscheinlicher. In beiden Bundesstaaten befassen sich auch die Gerichte mit den Wahlbehörden. Es geht unter anderen um eine mangelhafte Ausrichtung und Auswertung der Wahlen.

„Jede Stimme zählt“, sagt in Georgia die afroamerikanische Demokratin Stacey Abrams, „und jede Stimme muss gezählt werden.“ Sie hat sich seit dem Wahlabend geweigert, eine Niederlage einzugestehen, weil in mehreren Wahlkreisen Unregelmäßigkeiten aufgetaucht und offenbar Zigtausende Stimmen nicht gezählt worden sind. Sie spricht bereits von einer Stichwahl. Bei Gouverneurswahlen in Georgia muss die/der GewinnerIn mindestens 50 Prozent der Stimmen haben. Andernfalls ist eine Stichwahl fällig.

Nach gegenwärtigem Stand der Auszählung hat der Repu­blikaner Brian Kemp in Georgia 50,3 Prozent der Stimmen bekommen. Er hat sich bereits am Wahlabend zum Sieger erklärt. Aber der Stimmenabstand zwischen ihm und Abrams könnte weiter schrumpfen, wenn sämtliche bislang nicht berücksichtigten Stimmzettel ausgewertet worden sind. Denn die meisten davon kommen aus typisch demokratischen Wahlbezirken.

Kemp war bis zu den Wahlen als Staatssekretär von Georgia oberster Chef der Wahlbehörde und gleichzeitig selbst Kandidat. Wegen dieses Interessenkonflikts hatte Abrams wiederholt Kemps Rücktritt als Staatssekretär verlangt. Doch erst zwei Tage nach der Wahl legte er das Amt nieder, von dem aus er seinen eigenen Aufstieg vorbereitet hatte.

In Florida liegen seit dem Auftauchen zuvor nicht gezählter Stimmzettel nur noch rund 35.000 Stimmen zwischen Andrew Gillum und dem Republikaner Ron DeSantis.

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag listeten MitarbeiterInnen der Abrams-Kampagne zahlreiche Fehler im Verfahren auf. Sie verlangten unter anderem, dass sämtliche Briefwahlzettel, die rechtzeitig abgesandt, aber wegen Hurrikan „Michael“ zu spät eingegangen sind, berücksichtigt werden. Zu den Seltsamkeiten gehört auch, dass am Wahltag in drei Counties, deren Bevölkerung mehrheitlich afro­amerikanisch ist, Hunderte von Wahlmaschinen nicht eingesetzt wurden.

Unterdessen mussten die WählerInnen bis zu zwei Stunden Schlange stehen. Die Behörden argumentierten mit einem Vorgehen der Justiz gegen Wahlmaschinen, die möglicherweise nicht hackersicher sind. Doch es gibt keine richterliche Entscheidung gegen die fraglichen Maschinen.

In Florida, dem zweiten Bundesstaat, wo ebenfalls ein junger, linker und afroamerikanischer Kandidat kurz vor dem Gewinn der Gouverneurswahlen stand, liegen seit dem Auftauchen zuvor nicht gezählter Stimmzettel nur noch rund 35.000 Stimmen zwischen Andrew Gillum und dem Republikaner Ron DeSantis. Wenn der Trend so bleibt, kommt es zu einer Neuauszählung.

Die muss in Florida stattfinden, wenn der Abstand weniger als 0,5 Prozent beträgt. Dasselbe gilt dort für die Senatswahl, wo jetzt nur noch 15.000 Stimmen zwischen dem – vorerst – siegreichen Republikaner Rick Scott und dem – vorerst – unterlegenen Demokraten Bill Nelson liegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Neben den Zuständen a la 'dritte Welt' möchte ich aber auch noch mal den Sprachgebrauch 'afroamerikanisch' ansprechen: alle US-Bürger sind Amerikaner, die schwarzen aber Afroamerikaner? Das klingt für mich rassistischer, als das sonst gebräuchliche 'schwarze' für die Hautfarbe. Damit werden die 'Afro-Amerikaner' von den normalen 'Amerikanern' ausgesondert, weils sie aus Afrika kommen. Heissen die 'weissen' denn 'Euro-Amerikaner' ?? OK, es gibt die 'Hispanics', kann man ja gut mit 'Latien-Amerikaner' übersetzen. Aber die einzigen, die das Recht hätten, sich 'Amerikaner' zu nennen - das sind die Ureinwohner !!



    Also liebe taz, immer schön korrekt die 'Weissen' als 'Euro-Amerikaner' kennzeichnen, oder die 'Schwarzen' genauso als 'Amerikaner' wie die anderen auch !!

    • @dodolino:

      Welchen Sinn hat es einen Popanz aufzubauen, wo kein Grund vorliegt?



      Legen Sie mal Ihre persönlichen, eurozentrisch installierten Denkweisen ab, dann wird der Blick auf andere Teile der Welt klarer. Der Grund, warum der Begriff "afroamerican" exisitiert (und tief etabliert ist) geht hauptsächlich auf die Schwarzen selbst zurück. Es gehört (in verschieden starken Ausprägungen) zur "black identity" in den USA, in allen möglichen Punkten auf die Herkunft zu verweisen (in diesem Falle: als Sklaven aus Afrika "rübergebracht"). Das gilt für andere Teile der Bevölkerung ebenfalls, allerdings kaum in dem Ausmaß, wie bei Schwarzen. "Latinos" ist z.b. ein ganz eigenes Problem, da der Begriff gemeinhin auf Südamerikaner verwendet wird, aber hauptsächlich ein mexikanischer Stereotyp ist, kaum ein US-Aerikaner kann Brasilien, Argentinien, Kolumbien....unterscheiden und starrt ungläubig drein, wenn ein "Käseweißer" vor ihm steht und (sichtlich genervt) erklärt "Ja, ich bin Latino, ich spreche Englisch,Spanisch und Französich und nein, wir sind nicht alle Coffee-brown und große Hüte tragen wir auch nicht". Sie werden aber kaum Weiße finden, die explizit und als Monstranz vor sich hertragend "european ancestery" proklamieren.

  • Brian Kemp, gleichzeitig Chef der Wahlbehörde und Kandidat: "Vote for me" mit neuer Bedeutung.



    Klingt immer dubioser, wenn man bedenkt, wie schwierig es oft für Minderheiten war, sich überhaupt als Wähler registrieren zu lassen.

  • Manchmal erfährt man ja auch US-Serien etwas über die Phänomene von dortigen Wahlen, auch wenn -wie in 'The good wife'- die Demokraten die Buhmänner sind.