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Bachelor-Studium für HebammenJens Spahn, ein Freund der Frauen?

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Jens Spahn will die EU-Richtlinie umsetzen: Geburtshilfe soll ein Studienberuf werden. Das ist gut, aber nicht das drängendste Problem des Berufsstandes.

Hebammen sind wichtig – egal ob mit oder ohne Bachelor Foto: Unsplash/ Sean Roy

W enn man in einer Partei ist, die es gerade nicht leicht hat, sagen wir die CDU, und dazu noch in einem Ministeramt steckt, wie beispielsweise Jens Spahn, dann muss man ab und zu mal was ganz Verrücktes machen. So wie gerade der Gesundheitsminister. Er will das Image der Hebammen aufpeppen, ihnen zu mehr Anerkennung verhelfen. Spahns Idee: Wer heute Geburtshelfer*in werden will, muss künftig studieren. „Die Anforderungen an Geburtshilfe“, sagt Spahn, „steigen ständig.“

Da hat der Gesundheitsminister recht. Aber anders, als er es sich vielleicht vorstellt. Schaut man sich an, wie Babys heute zumeist auf die Welt kommen, scheint eine Geburt keine natürliche Sache mehr zu sein. Die Kreißenden hängen an Schläuchen, auf Monitoren zeichnen sich Wehenkurven ab, immer öfter werden wehenfördernde Mittel gespritzt. Eine Geburt als Intensivmedizin. Statt Hebammen holen immer öfter Ärzt*innen die Babys auf die Welt, in Klinikräumen mit dem Charme von OP-Sälen.

Dabei könnte es so einfach sein: Eine Hebamme ist da, massiert der Frau im Wehenschmerz den Rücken, hält ihre Hand. Holt das Baby, nabelt es ab, legt es der Mutter auf die Brust. Aber immer weniger Hebammen tun das. Weil die Haftpflichtversicherungen, die Hebammen zur Absicherung von Geburtsrisiken haben müssen, immer teuer geworden sind. Die 7.639 Euro im Jahr können sich viele Hebammen nicht leisten, bis 2020 könnten sich die Versicherungskosten auf fast 10.000 Euro im Jahr erhöhen.

Die Folge: Immer mehr Hebammen steigen aus der Geburtshilfe aus, Geburtshäuser schließen. Hinzu kommt das Gesundheitsmanagement: Krankenhäuser werden mittlerweile geführt wie Unternehmen an der Börse, Rentabilität scheint mehr zu zählen als der Mensch. Kreißsäle machen wegen steigender Kosten und sinkender Geburtenzahlen dicht – und weil ihnen die Hebammen fehlen. Laut der Bonner Initiative Mother Hood finden 98 Prozent der Entbindungen in gewöhnlichen Krankenhäusern statt.

Spahns Idee greift viel zu kurz

Und was machen die Hebammen? Bieten vor allem Rundumwohlfühlpakete für Schwangere und junge Mütter an: Atem- und Massagetechniken, Babypflege, Rückbildungsgymnastik. Um Missverständnissen vorzubeugen: Schwangerschaftsvor- und Nachsorge sind ebenso wichtig wie Intensivmedizin bei komplizierten Entbindungen. Aber wie will der Gesundheitsminister erklären, dass Hebammen heute ihrer ureigenen Berufsaufgabe schlicht nicht mehr nachkommen können, weil eine sündhaft teure Versicherung sie daran hindert?

Das „Hebammendilemma“ führt zu Fällen wie jenem, über den der Spiegel im Frühjahr berichtet hatte: Eine junge Frau mit Presswehen wird von einem Krankenhaus weggeschickt, weil alle Kreißsäle belegt sind. Sie bekommt ihr Baby im Auto auf dem Krankenhausparkplatz.

Spahns Idee, die Hebammenausbildung aufzuwerten, sie mit mehr akademischem Inhalt zu füllen, ist gut und richtig. Hebammenverbände fordern das schon seit Jahren. Es spricht nie etwas dagegen, die moderne Technik, derer sich medizinisches Personal bedient, breit zu verstehen und handhaben zu können. Doch verändern sich seit einiger Zeit die werdenden Eltern und ihre Ansprüche an den Entbindungsvorgang: Mütter sind älter, wenn sie ihr erstes Kind bekommen, es werden öfter Kaiserschnitte gewünscht oder sind nötig. Solchen Trends müssen sich Hebammen anpassen.

Reicht das? Will Jens Spahn wirklich ein Freund der Frauen werden, ist er gut beraten, nicht nur an die Hebammenausbildung zu denken. Er sollte sich vielmehr etwas zur Finanzierung der Berufshaftpflicht einfallen lassen. Was haben die Hebammen von einer akademisierten Ausbildung, wenn sie den Beruf am Ende gar nicht ausüben können?

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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  • Spahns Vorgänger Gröhe wusste wenigstens, dass das Hauptproblem in den überzogenen Berufshaftpflichtbeiträgen liegt. Das hat auch niemand was genützt, weil er natürlich nichts dagegen getan hat und sich nun freut, dass er nicht mehr im Amt ist. Spahns Vorschlag gründet bestenfalls auf Unkenntnis, sonst ist's halt ein Ablenkungsmanöver. Oder glaubt er ernsthaft, dass die Haftpflichtbeiträge sinken, wenn die Hebammen studiert haben?

  • Bis auf den einzig vernünftigen Vorschlag, dass die Haftpflichtversicherung vielleicht nicht von den Hebammen getragen werden sollte, ist der Artikel echt Murks. Noch ein praktischer Beruf, der akademisiert wird? Noch weniger Praxis in der Ausbildung? Meinen Sie, Frau Schmolack, dass eine gut ausgebildete Hebamme die „komplexen“ medizinischen Geräte nicht versteht? Es gibt eine Menge großartige Hebammen, die durch ihre aktuelle Ausbildung topp qualifiziert sind. Kaiserschnitte werden sie eh nicht durchführen. Würde ein aktuelles Studium nicht - zumindest äußerlich- die jetzigen Hebammen abwerten?

    • @Michi W...:

      Die Akademisierung bedeutet nicht weniger Praxis in der Ausbildung. Vielmehr geht es um eine Art duales Studium, wo der Fokus ganz klar auf der Praxis liegt. Midwifery geschieht nicht im Elfenbeinturm, diese Befürchtung ist unangebracht.

    • @Michi W...:

      Abwerten hoffentlich nicht. Aber wie schon richtig erkannt ist die Debatte voll am eigentlichen Problem vorbei!

  • das ist doch heute schon ein Studium, zumindest in Berlin. Wir wurden auf jeden Fall von zwei Hebammen betreut wovon eine noch studierte und die andere an ihrem Master arbeitet.