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Hitlergruß-zeigende Idioten und Jagd auf Ausländer sind unerträglich und werden hoffentlich bestraft werden.
Aber - bei aller Empörung - Auslöser der Demonstrationen (oder wie immer man das nennen will) war die Tatsache, dass ein Syrer und ein Iraker drei Männer niedergestochen haben, von denen einer nicht überlebt hat. Sein Kind wird vaterlos aufwachsen.
Es haben also zwei Männer, die angeblich vor drohender Gewalt nach Deutschland geflüchtet sind, genau diese Gewalt gegen ihre Gastgeber ausgeübt. Das rechtfertigt keineswegs die darauf folgenden Ausschreitungen, sollte aber trotzdem nicht total aus dem Blick geraten.
@Hartwig Lein Der Iraker und der Syrer sind nicht vor DIESER Gewalt geflohen, die sie hier mutmaßlich ausgeübt haben. Die ist nämlich individuell, wahrscheinlich affektiv und damit komplett anders zu kontextualisieren als die organisierte Gewalt des Bürgerkrieges.
@My Sharona Entschuldigen Sie bitte meine mangelnde Auffassungsgabe, aber was wollen Sie damit sagen? Ich verstehe den Sinn Ihrer Antwort nicht. Sind Tote eines Bürgeskrieges anders zu bewerten als Tote eines Straßenverbrechens? Tot ist tot und ein Bürgerkriegswaise ist sicher nicht anders zu bewerten als das Kind dieses umgebrachten Passanten.
@Hartwig Lein ist hiermit entschuldigt...
Ich habe das Gefühl, dass Sie nicht verstehen wollen. Andere Kontexte von Gewalt (Überfall, Streit, Krieg, Notwehr, Sport) fordern (ethisch/politisch/juristisch) jeweils andere Maßnahmen und andere Beurteilungen. Sie schreiben in Ihrem ersten Beitrag, dass "genau diese Gewalt", die die Geflüchteten erlebt hätten, jetzt hier von ihnen ausgeübt worden wäre. Und das ist falsch. Die beiden sind nicht vor Messerstechereien welcher Art auch immer aus ihren Ländern geflohen.
Wer bisher zu den Problemen nicht innerhalb Deutschlands - sondern auch jenseits davon geschwiegen hat, der wird es auch weiterhin tun. Kurze Empörung ist noch lange kein politisches Engagement.
Na dann los: Meine Antwort auf die Frage nach dem Grund der Politisierung hießen Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen - hoffentlich sind die, die jetzt loslegen erfolgreicher...
@My Sharona 'Saufen, konsumieren, fressen - Hoyerswerda schon vergessen'
Genau.
Es steht zu befürchten , dass die junge Generation sich von den Eltern (68er und folgende) abgrenzt und sich nach rechts politisiert ...
@TazTiz Unter jedem YouTube-Video zu Chemnitz steht massenweise Umvolkungs-VT, Nazi-Propaganda und Umsturz-Rhetorik (von wegen "Netz-DGbehindert Nazis bei der Rekrutierung", sie sind nur noch besser darin geworden, sich harmlos zu geben und überfluten die Kommentare hinterher mit Gewaltaifrufen und Untergangsbildern).
Wer die Bildung einer ganzen Generation durch den YouTube-Empfehlungs-Algorithmus ersetzt und geisteswissenschaftliche Bildung heruntergeredet und -reglementiert hat, steht jetzt einer Generation gegenüber, die in weiten Teilen das Denken ans Kleinhirn ausgelagert zu haben scheint. In dieser verwirrten Weltwahrnehmung ist nahezu alles gleich möglich. Dazu die Beobachtung, einer kleinen Gruppe von Gewalttätern, die sich auch noch leicht als "Fremdkörper" beschreiben lassen, wird zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und man bekommt bei jedem Verbrechen aus dieser Gruppe eine angeheizte Gemengelage, in deren Verlauf viele die Berührungsängste mit Faschisten abbauen und die Grenzen diffuser werden.
Step by step ernten wir die Früchte der "geistig-moralischen Wende", deren Hauptstoßrichtung schon damals war, den Nachwuchs wieder vom geschulten kritischen "linken" Denken fernzuhalten. Im dieses Vakuum stoßen mittels der "sozialen" Medien nun die Faschisten.
Medien melden: Ab jetzt soll in Eigennamen wie „Bärbel’s Büdchen“ der Apostroph erlaubt sein. Dabei war er das schon. Ein Depp, wer das nicht wusste!
Kommentar Chemnitz-Ausschreitungen: Moment der Politisierung
Die Generation der zwischen 1980 und 1990 Geborenen ist politisch kaum aktiv. Die beängstigenden Vorfälle von Chemnitz sollten das ändern.
Keine Ruhmestage für die Polizei in Chemnitz Foto: dpa
Für die Generation der zwischen 1980 und 1990 Geborenen gibt es viele Namen. Wir sind die Generation Praktikum, Generation Y, Generation Netflix und Tinder. Wahrscheinlich auch die Generation Start-up und Generation rentenlos. Was wir bisher kaum sind, ist politisch aktiv.
Bis vor ein paar Tagen schien die Notwendigkeit, sich politisch zu engagieren, zwar gegeben, aber nicht absolut unausweichlich. Chemnitz ändert das. Neonazis, die „Wir sind das Volk“ skandieren und den Arm zum Hitlergruß ausstrecken. Ein rassistischer Mob, der Menschen wegen ihres Aussehens auf offener Straße jagt. BürgerInnen, die mit den Nazis mitlaufen und so Hass und Gewalt als „normale Sorgen“ legitimieren. Eine Polizei, die viel zu schlecht aufgestellt ist, und nicht zuletzt PolitikerInnen, die viel zu lange schweigen. Wenn jetzt nicht der Moment ist, politisch laut zu werden, wann dann?
Die Bilder aus Chemnitz zeigen, dass wir unsere Vorstellung vom sicheren öffentlichen Raum spätestens jetzt korrigieren müssen. Als Teil einer privilegierten gesellschaftlichen Mittelschicht sind viele von uns zu lange davon ausgegangen, dass uns dieser Raum einfach gehört. Und um als politisch zu gelten, reichte es, beim Feierabendbier den eigenen Weltschmerz kundzutun. Radikalität? Bloß nicht. Das ist nichts für die Mitte der Gesellschaft, das ist was für die Antifa.
Die beängstigenden Vorfälle von Montagabend markieren eine Zäsur. Jetzt sichtbar für die demokratische Grundordnung einzutreten, ob bei Demos oder in den sozialen Medien – das ist nicht die alleinige Aufgabe von PolitikerInnen und AktivistInnen in Kapuzenpullis. Es ist auch unsere.
Den 68ern haftet bis heute das Image an, politisch, laut und unangepasst gewesen zu sein. Die 90er Jahre stehen für schlechten Musikgeschmack – und ihre Kinder für Bewegungen, die in digitalen Filterblasen durch Hashtags angestoßen werden. Wir gehen häufiger ins Internet als auf die Straße. Aber auch da gilt: Falls in 30 Jahren jemand fragt: „Wie wurdest du eigentlich politisiert?“, dann sollten wir antworten: „Chemnitz“.
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Schwerpunkt Rassismus
Kommentar von
Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Ihr neuer Roman "Das Verschwinden der Welt" erscheint am 29. August bei Piper.
Themen
Aminata Touré: Wir können mehr sein – Die Macht der Vielfalt – taz Talk