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"Und natürlich könnte man jetzt Czajas Rücktritt verlangen."
Wozu? Der Fraktionschef einer politisch irrelevanten und amorphen Partei ist ebenso irrelevant wie seine Partei. Ob nun jemand die FDP wählt, weil er ausländerfeindlich ist, Angst vorm Nichtfliegen hat oder die bunten Streifen hinter Czajas Plakatfresse mag, ist ebenso irrelevant.
Ganz normale liberale Mentalität.
Wie auch bei Ambros Waigel von der taz: "Im Zweifelsfall sind immer die anderen die Faschisten".
Er meinte damit die Demonstranten auf der Frankfurter Buchmesse.
Die permanente Behinderung anderer an der Ausübung ihrer Verfassungsrechte, häufig auch mit Gewalt, ist faschistoid.
Der Autor mißversteht den Ausgangsstandpunkt des FDPlers. Wer die Gesellschaftsordnung nur als Blumentopf der eigenen höchspersönlichen Selbstentfaltung wahrnimmt, also die Berechtigung allen Kollektiven negiert, bzw. der Auffassung ist, das kollektive Handlungen nur unter dem Aspekt des persönlichen Nutzens zu bewerten sind, der muss natürlich jegliche solche Handlung als potenziell existenzbedrohend und damit für extremistisch halten. Daher sind für ihn Bezeichnungen wie Ökofaschismus, Brüsselsozialimus u.ä. durchaus sinnhaft, da sie kollektive Eingriffe in sein persönliches Business bedeuten. Genauso ist er in der Lage represive Systeme als freiheitlich wahrzunemen, solange sie seiner geschäftlichen Entfaltung förderlich sind. Neonazis, Antifas, gesellschaftlich Engagierte sind für ihn dass Gleiche, da sie die Geschäfte stören und Menschen, der Welt und der Gesellschaft einen ihrer Ideologie entsprechenden Wert zuweisen oder absprechen, der nicht einem monetären Wert entspricht und damit marktliberal gesehen zwecklos, absurd, oder gar gefährlich sind.
Siehe auch "Der Substanzielle" in der Rubrik " die Wahrheit"
Neuntklässler:innen schneiden in der Pisa-Studie so miserabel ab wie noch nie – in allen getesteten Bereichen. Corona erklärt den Trend nur zum Teil.
Kommentar zu Chemnitz-Tweet der FDP: Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen
„Antifaschisten sind auch Faschisten“ twittert Berlins FDP-Fraktionschef über die Proteste gegen den rechten Mob in Chemnitz. Das ist Unsinn – und hat Kalkül.
Sie klatschen gerne: Neonazis am Montagnachmittag in Chemnitz Foto: dpa
Man braucht nicht allzu viel Grips um zu erkennen, dass Sebastian Czajas Tweet von Dienstagmittag schlichtweg Unsinn ist: „Antifaschisten sind auch Faschisten“, schrieb der Berliner FDP-Fraktionschef mit Blick auf die Proteste gegen den rechtsextremen Mob in Chemnitz. Plus ist niemals gleich Minus – das sollte jemand, der Mitglied in einer angeblich wirtschaftsliberalen Partei ist, eigentlich wissen.
„Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen“, wäre in Czajas Fall die korrekte Gleichung. Sie wird schon auf Grundschulhöfen gelehrt und gilt offenbar – und bedauerlicherweise – selbst noch für manche Mitglieder eines Parlaments in einer Stadt, der von Faschisten Wunden zugefügt wurden, die nie mehr heilen.
Aber wahrscheinlich ist es um Sebastian Czaja sogar noch schlimmer bestellt: Er dürfte wissen, dass er Unsinn geschrieben hat. Und der kleine Bruder des einstigen Berliner CDU-Sozialsenators tat es trotzdem, weil seine Partei – die in Berlin seit Jahren völlig überflüssige FDP – schlichtweg nichts anderes auf Lager hat als plumpe Sprüche, die halt knallen, aber deswegen noch lange nicht stimmen müssen.
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Mit dieser Masche hat es die FDP aus dem wohlverdienten Grab 2016 wieder ins Abgeordnetenhaus geschafft. Man nannte sich flugs Flughafenretter, konzentrierte sich auf dieses Thema und erzählte jedem, der es hören wollte, dass Tegel als innerstädtischer Flughafen einfach unverzichtbar sei – selbst wenn die Ewigbaustelle BER irgendwann ein funktionierender Airport ist.
Nun zieht das Thema Tegel nicht mehr, und da kommt ein bisschen Populismus und Anbiedern in Richtung AfD-Klientel gerade recht. Da die Partei – genau wie Czaja – politisch amorph ist, ist es auch egal, aus welcher Ecke die Stimmen kommen. Wie warb ihr Vorsitzender Christian Lindner im Bundestagswahlkampf 2017 noch? „Digital first. Bedenken second. Denken wir neu.“ Zu diesem neu denken ohne alle Bedenken passt doch der Versuch, aus einer neofaschistischen Hetzjagd in Sachsen – ohne sich davon zu distanzieren – Unterstützung für eine einst liberale Partei zu generieren.
Da die Partei – genau wie Czaja – politisch amorph ist, ist es auch egal, aus welcher Ecke die Stimmen kommen.
Czajas Tweet ist ein weiteres Zeichen dafür, dass sich diese angeblich so gefestigte Demokratie in Deutschland in gefährlichen Zeiten wie derzeit nicht einmal auf jene verlassen kann, die zumindest bundespolitisch als ihre Stützen galten. Und natürlich könnte man jetzt Czajas Rücktritt verlangen. Die Gleichung „auf Pöbeln und Nazirelativierung folgt Rücktrittsforderung“ wäre zwar korrekt, aber zu einfach. Vielmehr sollte man Czaja entgegentreten: mit Antifaschismus.
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Kommentar von
Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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