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Kind „aus Frust“ getötet

Jugendlicher gesteht, einen siebenjährigen Nachbarsjungen erschlagen zu haben. Dies geschah offenbar ungeplant. Täter ist wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Kritik an angeblich zu lascher Justiz

VON PLUTONIA PLARRE

Ein Jugendlicher hat den Mord an einem siebenjährigen Jungen aus Zehlendorf Süd gestanden. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft bekannt gaben, hat ein 16-Jähriger aus der unmittelbaren Nachbarschaft das Kind Christian S. „aus persönlichem Frust“ erschlagen. Bei dem Täter handelt es sich um einen Hauptschüler, der wegen Gewaltdelikten vorbestraft ist. Bei der Staatsanwaltschaft war der Jugendliche als so genannter Intensivtäter registriert. Nach langer Vernehmung und anfänglichem Leugnen habe er am Dienstagmorgen ein Geständnis abgelegt, hieß es. Dass sie den Richtigen gefasst hatten, war der Kripo da aber schon aufgrund des DNA-Spurenbildes klar gewesen.

Es ist davon auszugehen, dass der Fall eine neue Diskussion über eine Verschärfung des Jugendstrafrechts und den Umgang der Justiz mit jugendlichen Gewalttätern auslösen wird. Im Fokus der Kritik werden wieder einmal die Berliner Jugendrichter stehen, denen von Teilen der Polizei und Staatsanwaltschaft wiederholt vorgeworfen worden ist, gegenüber jugendlichen Gewalttätern den Ernst der Lage zu verkennen. „Das ist nicht der erste Fall, wo die Justiz versagt hat“, verlautete gestern aus Ermittlerkreisen. Verantwortlich dafür seien aber nicht zuletzt Politiker, die sich weigerten, schärfere Gesetze zu erlassen.

Auch auf der gestrigen Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft und Polizei war der sarkastische Unterton nicht zu überhören, als Staatsanwalt Ralph Knispel bestätigte: Christian S. würde noch leben, hätte der 16-Jährige im Juli keine Haftverschonung erhalten. Der Jugendliche sei einem Haftrichter zum Erlass eines Haftbefehls vorgeführt worden, weil er eine junge Person – „kein Kind“ – so zusammengeschlagen hatte, dass diese mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Nach taz-Informationen wurde die Haftverschonung damit begründet, dass keine Fluchtgefahr bestehe. Knispel zufolge hatte der Täter zu diesem Zeitpunkt bereits unter Bewährung gestanden, nachdem er im Mai wegen Gewaltdelikten zu einer Jugendstrafe verurteilt worden war.

Christian S. war am Samstag in einem Waldstück in Zehlendorf Süd, ganz in der Nähe der elterlichen Wohnung, von seinem Vater tot aufgefunden worden. Das Kind lag nackt unter einer Plastikplane. Denkbar ist, dass das Kind entkleidet wurde, um eine falsche Fährte zu legen. Aber weder dazu noch zu den genauen Tatumständen war von der Kripo gestern etwas zu erfahren.

Offenbar hatte der Jugendliche dem Kind mit einem Gegenstand schwerste Kopfverletzungen zugefügt. Bei der Begegnung in einem Wäldchen am Lupsteiner Weg sei es zwischen Täter und Opfer aus „nichtigem Anlass“ zum Streit gekommen, hieß es lediglich. Und: „Die Tat war nicht geplant.“

Opfer und Täter kannten sich. Sie wohnten in der gleichen Siedlung quasi Tür an Tür. Der 16-Jährige ist Sohn eines GIs und einer Deutschen. Er lebte bei seinen Großeltern. Mutter und Vater hat er nie kennen gelernt.

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