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Sozialpolitik in DeutschlandNahles für Hartz-Korrekturen

SPD-Chefin Andrea Nahles schlägt vor, Sanktionen für jüngere Hartz-IV-Empfänger abzuschaffen. Die Union ist aber dagegen.

„Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger sollten abgeschafft werden“, meint Nahles Foto: dpa

Berlin taz | SPD-Chefin Andrea Nahles hat sich für Korrekturen an den Hartz-IV-Gesetzen ausgesprochen. „Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger sollten abgeschafft werden“, sagte Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir müssen grundlegende Fragen stellen. Wie wirken denn überhaupt Sanktionen bei Jüngeren? Kontraproduktiv! Die melden sich nie wieder im Jobcenter, um einen Ausbildungsplatz zu suchen.“

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) wies den Vorstoß umgehend zurück. Gerade bei jungen Arbeitslosen müsse es die Möglichkeit geben, „bei Verweigerung auch Leistungen zu kürzen“, sagte er den am Sonntag erscheinenden Funke-Blättern. Ansonsten stünden deren Mitwirkungspflichten „nur auf dem Papier“. Verletzungen der Mitwirkungspflicht liegen vor, wenn ein Hartz-IV-Empfänger beispielsweise keine ausreichenden eigenen Bewerbungen um einen Job nachweist oder eine Fördermaßnahme grundlos abbricht.

Eine komplette Abschaffung aller Hartz-IV-Sanktionen forderten erneut der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Linkspartei. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte: „Die Sanktionen müssen für alle weg, Hartz IV muss weg.“

Bisher sehen die Regelungen vor, dass bei Empfängern des Arbeitslosengeldes II im Alter von unter 25 Jahren bereits beim ersten Verstoß gegen Mitwirkungspflichten der komplette Regelsatz gestrichen werden kann, mit Ausnahme der Mietkosten. Die gesamte Leistung inklusive der Mietkosten kann schon beim zweiten Verstoß versagt werden. Bei älteren Hartz-IV-EmpfängerInnen hingegen werden bei einer ersten Pflichtverletzung nur 30 Prozent vom Regelsatz abgezogen, erst beim dritten Verstoß kann die gesamte Leistung inklusive der Wohnkosten gestrichen werden.

Bei drei Viertel der Sanktionen handelt es sich allerdings um Meldeversäumnisse, das heißt, jemand kam nicht zu einem festgelegten Termin. Dafür kann die Leistung vorübergehend um 10 Prozent gemindert werden. Die komplette Leistung wurde im Jahresdurchschnitt 2017 nur bei 7.228 Personen gestrichen, das sind 0,2 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. (mit epd)

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11 Kommentare

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  • Alles nur der durchsichtige Versuch von Frau Nahles, der SPD wieder einen sozialen Anstrich zu geben - ähnlich wie Scholz in der Rentendebatte. Im Sommer rumtröten - mit Blick auf die Ladntagswahl in Hessen und Bayern - faktisch aber nichts bewegen - so sieht sozialdemokratische Realpolitik dann aus. Und bitte nicht vergessen: Es war die Basta-SPD mitsamt Fischer-Grüne, die das Hartz IV-Terrorsystem konzipierten und durchsetzten. Soll doch Frau Nahles erst einmal dafür sorgen, dass die Jobcenter nicht immer wieder versuchen, ihre 'Kunden' über den Tisch zu ziehen. Soll sie doch die Jobcenter endlich anweisen, die Bezieher umfassend über ihre Rechte zu informieren - aber darauf können wir lange warten - Bätschi!

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Der letzte Satz ist doch der entsxheidende: Die komplette Leistung wurde im Jahresdurchschnitt 2017 nur bei 7.228 Personen gestrichen, das sind 0,2 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. (mit epd)



    Ein politischer Sturm im Wasserglas zur Sommerzeit. Ich sehe da keinen grundsätzlichen Erkenntnisgewinn der SPD zu Hartz IV. Denn der hieße ja: definiertes Grundeinkommen.

    • @97088 (Profil gelöscht):

      " Die komplette Leistung wurde im Jahresdurchschnitt 2017 nur bei 7.228 Personen gestrichen, das sind 0,2 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. "

      Erstens sind das 7228 Personen, denen nichts zum Leben bleibt und zweitens ist bei Harz IV jeder Euro verplant. Schon kleinere Streichungen fehlen am Existenzminimum.

  • Hat Andrea Nahles damals eigentlich für Schröder's Agenda 2010 gestimmt oder dagegen?

  • Der SPD wird das keinen Prozentpunkt mehr Zustimmung geben, Frau Nahles.

  • Warum erst jetzt Frau Ex-Arbeitsministerin?

  • Hmm, wurde der Vorschlag in die Koalitionsverhandlungen eingebracht? Oder gar in denen durchgesetzt?



    Weder noch.



    Das heißt doch, dass Frau Nahles Narrenfreiheit genießt, bei diesem Thema links blinken zu dürfen.... und sie weiß auch, dass es fürs Publikum ist ;)

  • Bei den meisten Meldevergehen handelt es sich um ganz andere Sachverhalte als den hier geschilderten. Einem Hartz IV Empfänger werden nicht deshalb die Leistungen gestrichen, weil er einmal einen Termin beim Amt versäumt. Da geht es um anderes.

    • @Karavanserai:

      Ach, Sie wissen Bescheid?

      • @Artur Möff:

        Ja.