Boom der Windkraftindustrie ist zu Ende: Abwärts mit dem Luftstrom
Nach jahrelanger Hochkonjunktur geht der Umsatz der Windkraftindustrie zurück. Tausende Jobs wurden schon gestrichen, weitere sind in Gefahr.
Entsprechend beschreibt die IG Metall Küste die Stimmung der Beschäftigten der Branche als „extrem angespannt“. Die durchschnittliche Auslastung der Fabriken sei zwar aktuell mit 86 Prozent noch zufriedenstellend. Aber: Die Auftragsentwicklung soll in den kommenden Jahren – von den Sparten Service und Wartung abgesehen – stark zurückgehen.
Seit Anfang 2017 sind laut IG Metall bereits über 2.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Fabriken wie die von Senvion in Husum, Powerblades in Bremerhaven oder Carbon Rotec in Lemwerder wurden geschlossen. Der Trend wird sich nach Einschätzung der Gewerkschaften fortsetzen: Bis Ende des Jahres erwarten sie in fast 40 Prozent der Unternehmen den Abbau von Personal.
140.000 Arbeitsplätze in Gefahr
Der erfolgsverwöhnte Windsektor steht am Ende einer Boomphase. Der Bundesverband Windenergie (BWE) sieht bereits jeden siebten der insgesamt 140.000 Jobs in der Branche in Gefahr. Im Jahr 2017 waren in Deutschland an Land Windkraftanlagen mit einer Rekordleistung von 5.333 Megawatt neu ans Netz gebracht worden, noch mal 15 Prozent mehr als im bereits sehr guten Jahr 2016. Hinzu kamen außerdem 1.250 Megawatt auf See, womit das Jahr 2017 im Offshore-Segment das zweitstärkste Jahr in der Geschichte war – nur 2015 war noch mehr Anlagenleistung aufgebaut worden.
Für das Gesamtjahr 2018 rechnet der (BWE) nun mit einem Zubau an Land zwischen 3,300 und 3.500 Megawatt – ein „tiefer Einschnitt“. Allerdings: Der Vergleich mit den Vorjahren ist nur bedingt aussagekräftig, denn die Rekordzahlen waren stark durch Vorzieheffekte geprägt angesichts absehbarer Gesetzesänderungen.
Somit ist der Rückgang für die Branche zwar nicht überraschend, aber sein Ausmaß. Seit 2016 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) novelliert wurde, war klar, dass der Neubau von Windkraftanlagen in Deutschland künftig erheblich eingeschränkt würde. Denn mit dem neuen Gesetz werden die EEG-Vergütungen nicht mehr für eine unlimitierte Anzahl von Anlagen gewährt. Stattdessen wird nun die Zubaumenge durch Ausschreibungen gesteuert.
Tatsächlich nur wenige Anlagen genehmigt
Von 2018 bis 2020 erhalten an Land so jeweils nur noch Neuanlagen mit 2.800 Megawatt einen Zuschlag. Zwar hatte die Bundesregierung im Frühjahr im Koalitionsvertrag noch Sonderausschreibungen von jeweils 2.000 Megawatt in den Jahren 2019 und 2020 angekündigt, aber die sollen nun wohl erst 2021 kommen.
Zusätzliche Ausschreibungsmengen würden im Moment auch gar nicht viel bringen, denn: Es fehlt an baureifen Projekten, weil in den letzten beiden Jahren nur wenige Anlagen genehmigt wurden. In der Ausschreibungsrunde im Mai waren bereits weniger Gebote eingereicht worden, als an Volumen ausgeschrieben war. Branchenvertreter nennen das bereits einen „Genehmigungsnotstand“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar