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Vereine lehnen Nachbarschaftspreis abSeehofer bedauert Kritik

Zwei Initiativen lehen eine Auszeichnung ab. Die Schirmherrschaft durch den Innenminister sei nicht mit ihrem Engagement zu vereinbaren.

Die Sprecherin der Intiative „Moabit hilft“, Diana Henniges, 2015 bei einer Essensausgabe Foto: dpa

Es läuft nicht gut für Innenminister Horst Seehofer (CSU). Jetzt muss sich auch noch sein Ministerium dazu äußern, dass zwei ehrenamtliche Initiativen eine Auszeichnung ablehnen, weil der Innenminister Schirmherr des Preises ist. Seehofer habe den Schritt „mit Bedauern“ zur Kenntnis genommen, so eine Sprecherin am Montag. Das Ministerium werde den beiden Initiativen ein Gesprächsangebot machen.

Die Flüchtlingshilfe-Initiative „Moabit hilft“ aus Berlin sowie der Verein „Wielebenwir“ aus Köln hatten am Sonntag bekannt gegeben, ihre Nominierung für den Deutschen Nachbarschaftspreis abzulehnen, weil die Schirmherrschaft durch Innenminister Seehofer nicht mit ihrem Engagement zu vereinbaren sei.

„Unsere Arbeit beruht auf Humanität, auf solidarischem Miteinander, das sind völlig andere Werte als die, die Herr Seehofer vertritt“, sagte Diana Henniges, Sprecherin von „Moabit hilft“, am Montag der taz.

In den letzten Monaten hätten sich die Ehrenamtlichen ihres Vereins durch die Äußerungen Seehofers und anderer CSU-Politiker in ihrer Arbeit diskreditiert gefühlt. „Mit der Ablehnung wollen wir auch darauf aufmerksam machen, was die Hindernisse für Integration in diesem Land sind, nämlich der Populismus von CSU und AfD.“

Verständnis von der Stiftung

Der mit 50.000 Euro dotierte Deutsche Nachbarschaftspreis wird von der Stiftung Nebenan.de vergeben. „Ich verstehe die Initiativen und respektiere ihre Entscheidung“, sagte der Geschäftsführer der Stiftung, Michael Vollmann, der taz. „Auch wir haben uns die Hausleitung im Innenministerium nicht ausgesucht, und auch wir stehen für andere Werte als Herr Seehofer, insbesondere in letzter Zeit.“

Die Stiftung habe sich 2017 bewusst für eine Zusammenarbeit mit dem Innenministerium entschieden, weil man sich dort thematisch am besten aufgehoben fühlte. Seit dem Amtsantritt Seehofers sei diese Entscheidung intern mehrfach kontrovers diskutiert werden. „Wir wollen aber den Versuch wagen, eine Brücke zwischen Zivilgesellschaft und Politik zu schlagen“, so Vollmann.

Dabei gehe es auch darum, „den Heimatbegriff nicht den destruktiven Kräften zu überlassen“. Man werde sich die Äußerungen Seehofers aber bis zur Preisverleihung „sehr genau anschauen und bezüglich dieser Partnerschaft auch auf unsere Community Rücksicht nehmen“.

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10 Kommentare

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  • Boar, die müssen es ja reichlich haben, um 50000 € in den Wind schießen zu können. Früher waren Geldsorgen immer die obersten Probleme von Zivilinitiativen. Bei 50000 € hätte man für traumatisierte UMF schon 2 Stellen für ein Jahr einrichten können, damit eben Populisten wie Seehofer das Gesülze abgegraben werden kann von wegen kriminelle junge Männer uswusf.



    Wenn dieser Staat für nix gut ist, war er immer dafür gut, ausreichend Knete irgendwoher abzuschöpfen und es so zu verteilen, dass man damit vernünftiges machen kann.



    Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als die Grünen entstanden und in die Parlamente einzogen. Da war meine Aufgabe als Geschäftsführer in erster Linie die Knete so verteilbar zu machen, dass es rechtlich einwandfrei bleibt (Fraktionszuschüsse dürfen ja nicht einfach nach draußen gegeben werden, da muss man umverteilen).

    Okay, ich kenne Moabit nicht und weiß nicht, was das für eine schnieke Bonzenwohngegend ist, evtl. ist ja wirklich genug Geld bei denen, dass die das gar nicht brauchen.

    Ansonsten hätte ich auf jeden Fall das Geld genommen und die öffentliche Preisverleihung dazu genutzt, ordentlich Stunk gegen Seehofer und Co. zu machen.

    • @Age Krüger:

      50.000 Euro sind kein Pappenstil, da haben Sie Recht. Aber ich wäre mir nicht sicher, ob ich das Geld genommen hätte. Glaubwürdigkeit und Eigenständigkeit haben einen größeren und nachhaltigeren Wert.



      Schließlich ist das Innenministerium (zusammen mit der gesamten Bundes- und Landesregierung Berlin) der direkte Gegenspieler dieser Initiative.



      Moabit ist übrigens eins der klassischen Arbeitviertel in Berlin. Die Menschen dort sind eher arm, haben aber reichlich Lebensmittel und anderes für die Flüchtlinge gespendet.

  • Einer Nominierung geht eine Bewerbung voraus. Warum hat sich Moabit Hilft dann überhaupt für den Preis beworben? So ganz verstehe ich das nicht.

  • Zitat: „Auch wir haben uns die Hausleitung im Innenministerium nicht ausgesucht, und auch wir stehen für andere Werte als Herr Seehofer, insbesondere in letzter Zeit.“

    Insbesondere in der letzten Zeit?

    Das war die Zeit oder der Tagesspiegel, die Zeitung also, die Herrn Seehofer in den 90er Jahren mit der heutigen Zeit verglichen hat und darüber schrieb. Seine Politik war demnach genau so wie heute in Bezug auf Migranten! Damals bloß waren Migranten allgemein im Fokus seiner Politik, heute sind es vor allem Flüchtlinge und speziell Muslime unter Migranten.

  • Gut gemacht.



    Von Herrn Seehofer würde ich mich auch nicht "umarmen" lassen.

    Würde auch schleunigst alle Bindungen zum Bundesinnenministerium lösen.

  • Chapeau Moabit hilft e.V. und Wielebenwir e.V.!

    Herrn Vollmann, der am Bundesinnenministerium festhalten möchte, empfehle ich, seine Stiftung "Nebenan" einfach in "Voll daneben" umzubenennen, dann kann er sich auch problemlos mit AfD-Anbiederer Seehofer "schmücken"!

  • "..bewusst für eine Zusammenarbeit mit dem Innenministerium entschieden, weil man sich dort thematisch am besten aufgehoben fühlte."

    Da kann man nur empfehlen, nochmals genau darüber nachzudenken, ob das "rein Thematische" auch das "allein Ausschlaggebende" sein kann. Wie ich sehe - offensichtlich nicht. Da gibt es auch noch den "rein menschlichen Faktor".. Ich denke, dass wir alle sehr froh sein dürfen, dass Letzterer immer noch eine wichtigere Rolle zu spielen scheint, als von rein sachlich Argumentierenden allzu häufig angenommen wird.

    Aber dass die Beiden eine Ablehnung aussprechen, finde ich gut. Auch dazu gehört Mut. Möge dem nun die erforderliche Nachdenklichkeit und dieser schließlich eine konsequente Neuorientierung folgen, die beides glücklicher miteinander zu verbinden vermag.

  • Je mehr ich von Michael Vollmann lese, desto unsinniger kommt mir diese Position vor.



    Wer sich 2017 als zivilgesellschaftliche Instituition für besseres Zusammenleben beim Innenministerium gut aufgehoben gefühlt hat, der hat schon damals den Bock zum Gärtner gemacht. Innenminister sind in den seltensten Fällen Garanten eines liberalen und sozialen Rechtsstaats. De Maiziere, Friedrich, Schäuble, Schily, Kanther, ... - das sind alles Idealbesetzungen für 'Ein Mann sieht Rot.'

    Sie haben Sich zwar den Innenminister nicht ausgesucht, aber das Innenministerium. In diesem Zusammenhang musss man fragen: Was verstehen Sie eigentlich unter 'ihrer Community'? Wenn Sie damit die von Ihnen geehrten Vereine wie 'Moabit hilft' meinen, dann haben Sie ganz schön Chuzpe: Die Arbeiten seit ihrer Gründung eher gegen die Politik des Innenministeriums. Da hätte man auch mal kurz innehalten können und sich fragen: Wie wird das für die Preisträger, wenn der aktuelle Scharfmacher mit kreideweicher Stimme ihre Arbeit lobt, die darin besteht, die schlimmsten Folgen der Innenpolitik zu mildern?



    Entweder muss man sein Hirn dabei ausschalten oder das Rückgrat an der Garderobe abgeben.

  • Gut so, das nenne ich Zivilcourage.

  • Find ich gut.



    Jeder, der sich sozial engagiert, muss sich



    von Herrn Seehofer moralisch misshandelt fühlen.