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Kommentar Budget der EntwicklungshilfeEin Problem – aber nicht unseres

Eva Oer
Kommentar von Eva Oer

Das Entwicklungsministerium bekommt 2019 zwar mehr Geld – trotzdem viel zu wenig. Wo sind die, die sonst von Fluchtursachenbekämpfung schwafeln?

Entwicklungsminister Müller ist unzufrieden mit seinem Etat Foto: dpa

E ntwicklungsminister Müller ist enttäuscht: Er verstehe nicht, warum jeder von Fluchtursachen rede, der Finanzminister aber ausgerechnet an den Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit spart. Lieber Minister Müller, ich verstehe auch nicht, warum. Aber Ihren KabinettskollegInnen ist die Entwicklungszusammenarbeit in der Praxis leider ziemlich egal.

Ja, der Haushalt des Bundesentwicklungsministeriums steigt zwar – aber nur leicht auf 9,7 Milliarden Euro. Das ist angesichts der vielfältigen Krisen aber lange nicht genug. Wo sind denn nun die ganzen PolitikerInnen, die das Wort „Fluchtursachenbekämpfung“ bemüht haben, seit 2015 die Krise begonnen hat, die eben keine Flüchtlings-, sondern eine Menschlichkeitskrise der EuropäerInnen geworden ist?

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nimmt mit seiner Finanzplanung in Kauf, der Welt ein fatales Zeichen zu geben: Liebe Entwicklungsländer, wir sehen Armut, Hunger und das Fehlen von Bildungschancen bei euch als Problem an – aber eben nicht als unseres!

Wollte die Bundesregierung wirklich Fluchtursachen vor Ort bekämpfen, sie hätte schon längst dafür gesorgt, dass die 0,7-Quote eingehalten wird – schließlich ist es schon seit Jahrzehnten ein international anerkanntes Ziel, 0,7 Prozent vom Bruttonationaleinkommen für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Stattdessen sinkt die Quote aber mit der jetzigen Etatplanung wohl auf 0,48 Prozent, rechnet man die Flüchtlingskosten im deutschen Inland heraus.

So lässt man Entwicklungsminister Müller zappeln und betteln – obwohl er doch eigentlich der Mann der Stunde sein sollte, angesichts der enormen Aufgaben, die sein Ressort lösen soll. Schon aus Gerechtigkeitssinn sollten wir mehr Geld zahlen. Wem das echt nicht reicht, der könnte sich bewusst machen, dass Deutschland auch ein wirtschaftliches Interesse an funktionierenden Strukturen in Entwicklungsländern hat. Aber Fakt ist: Dieses Land hat die elementare Wichtigkeit der Entwicklungszusammenarbeit nicht begriffen.

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Eva Oer
Redakteurin
*1985, seit November 2017 Redakteurin für europäische und globale Politik im taz-Auslandsressort. Hat seit 2014 immer mal wieder für die taz gearbeitet, meistens für das Ressort Wirtschaft und Umwelt, und schreibt gern über die EU und über Entwicklungspolitik.
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6 Kommentare

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  • "Fluchtursachen vor Ort bekämpfen"

    schön - wie? Mit Geld? Mit wertetransfer? Gute Ratschläge?

    Was hat das in Afghanistan - Vorzeigeland westlicher Einmischung - gebracht?

    Die Armut ist größer als zu Zeiten der Taliban.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @A. Müllermilch:

      Allerdings hat sich seit dem auch die Bevölkerung massiv erhöht. Das ist doch das Hauptproblem selbst wenn wir mehr geben es reicht noch nicht mal um jenen eine Chance zu geben die jetzt volljährig werden. Entwicklungshilfe sollte an effektive Programme zur Geburtenkontrolle gekoppelt werden.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @83379 (Profil gelöscht):

        ...Geburtenkontrolle bei den Deutschen?



        Denke, wäre echt angesagt.



        Verwirrung und Desorientierung, des /der Deutschen Erbkrankheit.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Das übliche "Überbevölkerungs" - Argument. Übrigens hat die neue US - Regierung gerade mal wieder gewisse Beihilfen an die Bedingung geknüpft, dass sie gerade nicht für Geburtenkontrolle ausgegeben werden. Bzw.: Wer sich um Geburtenkontrolle kümmert kriegt kein Geld. Solange solche Typen das Sagen haben - Nunja. Sie sind mit Ihrer Meinung übrigens nicht so weit davon entfernt.

  • All das, was hier an Lug und Trug durch die Politik Kund getan wird, bringt einen an den Rand der Verzweiflung!

    Seit 2015 gibt es wohl keinen Politiker, der nicht immer wieder von der Erhöhung des Entwicklungsetats gesprochen hat, ohne dass es dazu auch Konsequenzen gab!

    Nun habe ich auch des Öfteren mal kleine, unscheinbare Artikel gelesen, geschrieben von nahezu Unbekannten Autoren, die mich zu einem Schluss haben kommen lassen!

    Es ist nicht im Interesse der Wirtschaft, der Industrie und der Banken, den afrikanischen Kontinent stark zu entwickeln, denn dadurch könnten starke Einnahmequellen wegbrechen!



    Die Drei großen Wirtschaftsakteure sorgen dafür, dass immer mehr Exporte nach Afrika fließen, während Importe nahezu unmöglich gemacht werden, z.B. weil Lieferketten nur einseitig verfügbar gemacht werden, wie in der Agrarwirtschaft z.B. es werden von einer niederländischen Firma Tulpen in Afrika gezüchtet, ausschließlich für den Export nach Europa. Nicht weit von der Niederländischen Firma entfernt, versuchte eine afrikanische Bauerninitiative auf diesen Zug aufzuspringen! Ihnen wurde erstmal der Transportweg per Luftfracht unmöglich gemacht und die EU untersagte die Einfuhr unter fadenscheinigen Gründen, es war etwas mit verwendeten Pestiziden, welches bei der Niederländischen Firma keine Probleme verursachte!

    Lange Rede, kurzer Sinn! Solange mit solchen Methoden Unternehmungen durch Afrikanische Firmen durch diese Drei Akteure, ausgehebelt werden, sind von uns gebildete Afrikaner spätere Konkurrenten auf dem europäischen Arbeitsmarkt, wenn sie denn Visa bekommen können und in der EU arbeiten dürfen!

    Das Kapital bestimmt in der EU, so wie in Deutschland, wie viel für wen ausgegeben wird und es muss Nutzen für diese Drei geben!!!

  • Der Autorin kann ich nur zustimmen.



    0,7 % des Bruttonationaleinkommens pro Jahr reichen meines Erachtens längst nicht aus, um die Probleme in den Entwicklungsländern zu lösen, da ich einmal erfahren habe, dass z.B. die Kosten der deutschen Wiedervereinigung in etwa soviel waren die die gesamte öffentliche internationale Entwicklungshilfe in einem Zeitraum von ca. 20 Jahren. Wenn wir nur ein bißchen Anstand haben, sehen wir mal von unseren Luxusproblemen ab und öffnen die Augen für die, die echte Probleme haben.