Streit von CDU/CSU wohl beigelegt: Seehofer und Merkel einigen sich
„Transitzentren“, Abkommen mit Österreich, Zurückweisung von Flüchtlingen: CDU und CSU finden zusammen. Seehofer bleibt Minister.
Um zehn Minuten nach zehn verlässt Seehofer mit seiner Delegation die CDU-Zentrale. „Wir haben uns geeinigt“, sagt er mit geradem Rücken. Es gebe eine „wirklich klare, haltbare Übereinkunft“ mit der CDU. „Das erlaubt mir, das Ministeramt weiterzuführen.“ Dann rauscht er ab. Einen Kilometer entfernt, im Bundeskanzleramt, hat die Union eine Verabredung mit der SPD. Die Sozialdemokraten hatten überraschend einen Koalitionsgipfel gefordert, nachdem am Wochenende klar geworden war, dass der massive Streit in der Union nicht nur nicht endet. Sondern dass sich dieser Konflikt von der Koalitionskrise zu einer Staatskrise auswachsen könnte.
Nach Seehofer, um kurz vor halb elf, tritt unverhofft auch Angela Merkel ans Mikrofon. Man habe eine gute Lösung gefunden, sagt auch sie und blinzelt aus müden Augen. Man wolle gemeinsam die „Sekundärmigration ordnen und steuern“. Das sei nun auf einem guten Weg. Und schwupp, weg ist sie wieder.
Annegret Kramp-Karrenbauer erläutert die Einigung. Es werde Transitzentren an den deutschen Grenzen geben, kündigt die CDU-Generalsekretärin an. Man wolle mit Österreich ein Abkommen schließen, um registrierte Geflüchtete abweisen zu können. CSU-Generalsekretär Markus Blume spricht von einem „Schlussstein beim Grenzregime“. Mit Hilfe von Verwaltungsabkommen werde man es schaffen, an der Grenze abzuweisen. „Es war notwendig“, diesen Streit zu führen. „Es ist ein guter Tag für Deutschland und für die Union.“ Ohne auf Fragen nach der Abstimmung mit den Sozialdemokraten einzugehen, rauschen auch sie ab.
In den Stunden vor dem Treffen der Union im Adenauer-Haus hatten SpitzenpolitikerInnen von CDU und CSU wieder einmal (und vergeblich) ihre politische „Schicksalsgemeinschaft“ beschworen. Angesichts des kaum noch verhohlenen Hasses taugt das Wort nurmehr als Leerformel; selbst langmütige MerkelistInnen sind mittlerweile mit ihrer Geduld am Ende.
Die CSU stand unverändert zu ihrer Forderung, bereits in der EU registrierte Geflüchtete an der deutschen Grenze abweisen zu können. Die Kanzlerin lehnte das ab und pochte auf europäische Abkommen, die sie Ende der letzten Woche beim Europäischen Rat in Brüssel auf den Weg gebracht hatte. Die CSU-Führung hatte sich vorbehalten, Merkels Gipfelergebnisse mit ihrem „Masterplan Migration“ abzugleichen.
Dass sie sie schließlich als „nicht wirkungsgleich“ klassifiziert hat, gilt vielen im politischen Berlin als Beweis, dass es Seehofer, Söder und Dobrindt nicht in erster Linie um die Erfüllung ihrer Forderung geht. Sie wollen Angela Merkels Sturz. Doch die agiert weiterhin schon fast provokant sachpolitisch, als habe sie es mit einer gewöhnlichen fachlichen Problemstellung zu tun. München und Berlin ticken gerade noch ungleicher als sonst schon.
Kampfansage von Seehofer
Wohl damit auch Angela Merkel nicht meint, Horst Seehofer käme in friedlicher Absicht in ihre Parteizentrale, hat der zuvor der Süddeutschen Zeitung eine Kampfansage mitgegeben. Im Interview sagt er: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“ Mit dieser Kampfansage spielte er offenbar auf die im Vergleich zur CDU deutlich besseren Wahlergebnisse der CSU in Bayern an. Bei der Bundestagswahl hat die Union insgesamt 32,9 Prozent der Stimmen geholt, 8,6 Prozent weniger als 2013.
Als um 21.31 Uhr tatsächlich die Sonne untergeht, bremst vor dem Konrad-Adenauer-Haus ein Kleinwagen. Drinnen sitzen ein paar junge Leute. sie lassen die Autofenster herab und rufen ausdauernd: „Seehofer muss weg! Seehofer muss weg!“ Aber Seehofer hört sie nicht. Der CSU-Vorsitzende ist immer noch im Gebäude, er wird im Dunkeln kommen.
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