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„Macht dochmal rüber.“„Gerne!“

Am 1. Juli vor 30 Jahren flohen Autonome vor der Polizei über die Mauer nach Ostberlin. Zuvor war das Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz fast fünf Wochen besetzt gewesen. Eine Geschichte aus dem Tollhaus der geteilten Stadt, erzählt in Schlagzeilen aus West und Ost

Besetzer des Lenné-­Dreiecks – das ist auch für die DDR-Grenzer etwas Besonderes: Normalerweise durften sie nicht über die Mauer blicken Foto: Brigitte Denck

Von Uwe Rada

Massenflucht über die Mauer – in den Osten“. So titelte die taz am 2. Juli 1988. In der Nacht auf den 1. Juli waren 194 Besetzerinnen und Besetzer des Lenné-Dreiecks über die Mauer geklettert und von DDR-Grenzern freundlich empfangen worden. „Hinter der Mauer warteten im Osten Kaffee und Würstchen“, schäumte die FAZ.

Seit dem Bau der Mauer war das vier Hektar große Gelände am Potsdamer Platz, das de jure dem Osten gehörte, aber im Westen lag, eingezäunt. Dann aber vereinbarten der Senat und die DDR einen Gebietsaustausch, und der Zaun verschwand. „Lenné-Dreieck besetzt“, meldete das Spandauer Volksblatt am 27. Mai 1988, und die DDR-treue Westberliner Tageszeitung Die Wahrheit meinte: „Protest gegen Straßenbau am Lenné-Dreieck“.

Tatsächlich wollte der Senat nach dem Gebietsaustausch die geplante sogenannte Westtangente Richtung Tiergarten verlängern. Doch bald bestimmten nicht mehr Umweltschützer, sondern Autonome das Geschehen im Hüttendorf, das die Westberliner Polizei bis zur Übergabe am 1. Juli nicht betreten durfte. Die taz freute sich und spendete die Schlagzeile „Vor der Mauer liegt der Strand“.

Anfang Juni die erste Eskalation: Laut Polizei sei ein Streifenwagen von einem Mann mit einer Pistole bedroht worden. Die Pistole gehörte Christian Specht, es war eine Spielzeugpistole. Eine Festnahme Spechts war von den Besetzern gewaltsam verhindert worden. „Zwischenfall auf Lenné-Dreieck angeblich wegen Spielzeugpistole“, schrieb der Tagesspiegel. Heute meint Specht, er habe eine Dummheit gemacht: „Die hätten mich auch erschießen können.“

Nach dem Vorfall zäunte die Polizei das Gelände ein. „Gibt es in Berlin nicht genügend Stacheldraht?“, fragte die Morgenpost und berichtete von einem Engpass, der dazu geführt habe, dass das Hüttendorf nicht schon eher abgeriegelt worden sei. Die taz schrieb: „Berliner Polizei zieht zweite Mauer“.

Nicht nur das Dreieck war für die Westberliner Polizei tabu, sondern auch der Zugang entlang der Mauer. Denn das drei Meter breite „Unterbaugebiet“ gehörte ebenfalls zum DDR-Hoheitsbereich. Darüber gelangte der Nachschub auf das Gelände. Dennoch versuchte die Polizei, das Gelände immer wieder abzuriegeln. „Belagert wie einst Byzanz“, raunte die taz.

Auch auf diplomatischem Parkett der Alliierten war die Besetzung Thema. Am 16. Juni schrieb der Tagesspiegel: „Britisch-sowjetische Kontakte wegen des Lenné-Dreiecks“. Wegen des Viermächte-Status Berlins lag die Oberhoheit der Stadt bei den Amerikanern, Briten, Franzosen und Sowjets.

Die große Eskalation fand am 19. und 20. Juni statt: Da feuerte die Polizei mehr als tausend Tränengasgranaten auf das Gelände. „Erneut Wasserwerfer und Tränengas gegen Einwohner von Berlin (West)“, meldete das Neue Deutschland. Die Morgenpost widmete sich der Gegenseite und schrieb „Zwille-Geschoss traf Polizist bei Krawall am Lenné-Dreieck“.

Am 29. Juni dann kündigte die B. Z. das große Finale an. „Lenné-Chaoten wollen über die Mauer nach Ost-Berlin flüchten“. Und so kam es auch.

Die Räumung des Lenné-Dreiecks vor 30 Jahren 44, 45

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