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Die zwei mit dem Streichholz

Während Innenminister Horst Seehofer sich in den offenen Zweikampf mit Angela Merkel stürzt, zündeln andere in der CSU kräftig weiter

Chef von Bayern: Markus Söder Foto: Matthias Schrader/ap

Von Dominik Baur, München

Horst Seehofer fühlt sich mal wieder unverstanden. Er sei kein Getriebener und er treibe auch niemanden, behauptete der CSU-Chef am Montagnachmittag nach der Vorstandssitzung seiner Partei. In der aktuellen Gemengelage, in der ein Minister seiner Kanzlerin ein Ultimatum stellt, diese ihm mit der Richtlinienkompetenz droht und aus christsozialer Sicht über allem die nahende Landtagswahl in Bayern schwebt, bedarf eine solche Behauptung einer gewissen Chuzpe. Doch an der hat es Seehofer noch nie gefehlt.

Eine Frage allerdings wirft die Aussage auf, und die ist durchaus berechtigt: Wer treibt in der CSU eigentlich noch, und wer wird schon getrieben? Neben Seehofer gibt es vor allem zwei Akteure in der CSU, die die Dynamik des Zwists zwischen den Unionsparteien mit Kalkül weiter anschubsen: Markus Söder und Alexander Dobrindt.

Der Ministerpräsident in Bayern und der CSU-Landesgruppenchef in Berlin lassen beide keine Gelegenheit aus, gegen die CDU zu zündeln. Ein abgekartetes Spiel lässt sich aber nicht vermuten, dazu sind sich die zwei trotz aller inhaltlichen Nähe viel zu fremd. Da ist auf der einen Seite Dobrindt, ein loyaler Gefolgsmann Seehofers, der von diesem seinerzeit als Generalsekretär auf die große politische Bühne gehievt wurde. Gern wird er mit Hundemetaphern bedacht: Für die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen ist er Seehofers Kettenhund, für die Süddeutsche Zeitung zumindest ein Terrier, in jedem Fall aber treu und in keinem Fall ein Schoßhündchen. Auf der anderen Seite steht Markus Söder, der ewige Rivale Seehofers, der ihn nun zu dessen großen Verdruss auch als Ministerpräsident beerben durfte.

Beide provozieren auf ihre Weise, gern auf Kosten der Kanzlerin, aber jeder auf eigene Rechnung. Söder will keine „Berliner Verhältnisse“, das betont er immer wieder. Doch was will er? Der Verdacht liegt nahe, dass es vor allem die Stimmen der potenziellen AfD-Wähler bei der Landtagswahl sind. Dass etwas aus der Balance geraten sei, moniert er beispielsweise gern und beginnt, die Bezüge „deutscher Rentner“ gegen die Ausgaben für Flüchtlinge aufzurechnen. Oder er sagt: „Ich habe kein Verständnis dafür, wenn jemand unser Gastrecht mit Kriminalität beantwortet.“

Eine für sich genommen banale Aussage, die auf breiten gesellschaftlichen Konsens stoßen dürfte, die aber doch insinuiert, dass eben dieses Verhalten unter Flüchtlingen die Regel sei. „Der Fall Susanna“, fügt Söder dann im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen noch an, „wirft so viele Fragen auf. Nur eine davon: Wieso kann jemand nicht abgeschoben werden in den Irak, aber selber flüchten kann er? Das verstehe ich nicht.“ Dazwischen noch der obligate Einschub, er wolle das nicht instrumentalisieren – doch natürlich ist es genau das, was er tut.

Seine verbalen Avancen Richtung rechts unterfüttert der bayerische Regierungschef dann noch mit regionaler Symbolpolitik. So lässt er sein Kabinett beschließen, dass an den bayerischen Grenzen eine Zurückweisung von Asylbewerbern notwendig sei, will eigene bayerische Ankerzentren einrichten und für den Freistaat eigene Abschiebeflieger chartern.

An verbaler Härte steht ihm Parteifreund Dobrindt in nichts nach, übertrifft ihn mitunter sogar noch. Der Landesgruppenchef fühlt sich von linken Eliten bedroht und fordert eine „konservative Revolution“. Wenn der frisch gekürte Innenminister Seehofer tönt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, legt Dobrindt gleich noch nach, er gehöre, „egal in welcher Form“, nicht zu Deutschland. Und auf das diffamierende Bild der „Anti-Abschiebe-Industrie“, die „mit Klagen und Untertauch-Beratung gezielt die Bemühungen von Polizei und Justiz“ sabotiere, muss man schließlich auch erst mal kommen.

Im persönlichen Umgang macht Dobrindt oft, ganz anders als Söder, einen leisen, fast nachdenklichen Eindruck – ein Mann, der seinen Gesprächspartnern aufmerksam zuhört. Zumindest, wenn es um nichts geht. Teilnehmer der Koalitionsgespräche beschreiben ihn wie auch den damaligen CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dagegen als äußerst unangenehmen Verhandlungspartner mit einer sehr herablassenden Art.

Sollte Söder das Wahlergebnis als Erfolg verkaufen können, wird es schwer, ihm den Griff nach dem Parteivorsitz zu verwehren

Nach allem, was man hört, können Dobrindt und Söder nicht wirklich miteinander. Doch könnte es gut sein, dass sie miteinander müssen. Denn dass Seehofer endgültig angezählt ist, ist offenkundig. Ob die Neubesetzung seiner Posten als Minister und als Parteichef jetzt eine Sache von Wochen, Monaten oder gar Jahren ist – da möchte sich kaum jemand als Prophet betätigen. Doch dass sie absehbar ist, daran ist nicht zu zweifeln.

Unklar ist aber noch die postseehofersche Rollenverteilung innerhalb der Partei. Während Söder an seinen Ambitionen auf den Sessel des Ministerpräsidenten nie einen Zweifel gelassen hat, lässt sich derzeit nicht erkennen, ob er an dem Posten des Parteichefs gar nicht oder nur zum jetzigen Zeitpunkt nicht interessiert ist. Sein vorrangiges Ziel ist zunächst die Landtagswahl im Herbst. Sollte er es allen derzeitigen Prognosen zum Trotz schaffen, die absolute Mehrheit der CSU zu verteidigen oder zumindest das Ergebnis als Erfolg zu verkaufen, wird es schwer, ihm den Griff nach dem Parteivorsitz zu verwehren.

Sollte ihm das aber nicht gelingen oder er gar keine derartigen Ambitionen hegen, wäre Dobrindt freilich einer der naheliegendsten Kandidaten. An dessen Bereitschaft dürfte es auch nicht fehlen – womöglich aber am Rückhalt der Partei. Während Söder über die Jahre eine massive Hausmacht aufgebaut hat und nahezu die gesamte CSU-Landtagsfraktion geschlossen hinter sich wähnen darf, konnte Dobrindt bislang vor allem auf Seehofers Unterstützung zählen. Die Beliebtheit in der Gesamtpartei hält sich in Grenzen; der Vorsitz der Oberbayern-CSU wäre für den Abgeordneten aus dem Wahlkreis Weilheim da natürlich von Vorteil, doch den wird Bayerns stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner fürs Erste kaum abtreten. Dazu kommt, dass Dobrindt in Brüssel einen veritablen Konkurrenten sitzen hat: Auch Manfred Weber, dem CSU-Vizechef und Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei, wird Interesse am Chefsessel nachgesagt.

Und es gibt noch etwas, was die Lage für Dobrindt besonders verzwickt macht. Zwar hängt sein Schicksal nicht in dem Maße von den bayerischen Wählern ab wie Söders, dafür ist er karrieretechnisch bis auf weiteres an die Bundeshauptstadt gebunden. Sollte es tatsächlich zu dem Bruch mit der CDU kommen, droht der Landesgruppe und ihrem Chef ein tiefer Fall in die Bedeutungslosigkeit. So paradox es auch klingt, so bleibt dem Kettenhund letzten Endes nur eine Hoffnung: dass seine Kette nicht reißt.

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