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Wutjournalismus im „Abendblatt“Ausländer Schuld an hohen Mieten?

Tausende demonstrierten gegen die Wohnraumpolitik des Hamburger Senats. Das „Abendblatt“ sieht dagegen „fast nur die Zuwanderung“ für hohe Mieten verantwortlich.

Die Frage ist: Wer ist mit „Alle“ gemeint? Nur Deutsche? Foto: dpa

Hamburg taz | Für eine solidarische und soziale Wohnraumpolitik, gegen steigende Mieten und profit­orientierte Investoren – am Samstag sind Tausende Menschen beim „Mietenmove“ auf die Straße gegangen, um gegen die Hamburger Wohnraumpolitik zu protestieren. Das Netzwerk Recht auf Stadt, ein Zusammenschluss von mehr als 120 Initiativen, Vereinen und Einrichtungen, hatte dazu aufgerufen. Laut den Veranstaltern kamen rund 8.000 Menschen, die Polizei sprach am Samstagabend von etwa 2.500 TeilnehmerInnen.

Mobilisierend hatte nicht zuletzt ein Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs Matthias Iken im Hamburger Abendblatt gewirkt. Iken hatte in seiner Reihe „Ärgernis der Woche“ geschrieben, die große Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt habe „fast nur mit der Zuwanderung aus dem Ausland zu tun“. Die Veranstalter zögen „heute gegen hohe Mieten zu Felde und sonst regelmäßig für offene Grenzen“.

Der Demoaufruf „Es ist unsere Stadt, und es muss etwas passieren“ sei „zugleich auf Arabisch, Bulgarisch, Dari, Englisch, Farsi, Französisch, Kurdisch, Russisch, Spanisch und Türkisch veröffentlicht“ worden. „Unsere Stadt?“, fragt Iken. „Mit diesem Verständnis wird die Wohnungsnot weiter wachsen.“ Bei den Organisatoren löste Iken Empörung aus. „Ich glaube, so einen Quatsch behauptet noch nicht mal die AfD“, schrieb der langjährige Recht-auf-Stadt-Aktivist Christoph Twickel auf Facebook.

„Unsere Stadt“ – das darf man nur auf Deutsch sagen

Am Vormittag war am Alma-Wartenberg-Platz in Ottensen eine Demonstration unter dem Motto „Altona goes Mietenmove“ mit Hunderten TeilnehmerInnen gestartet. Sie schlossen sich am Spielbudenplatz auf St. Pauli dem Hauptaufzug an. Mit lauter Musik und Plakaten, mit Sprüchen wie „Jedem Kind sein eigenes Zimmer“ oder „Wir sind keine Demo, wir wollen zur Wohnungsbesichtigung“ zogen DemonstrantInnen jeden Alters, darunter viele Familien mit Kindern, ab 14 Uhr durch die Innenstadt.

Der Aufzug hielt für mehrere Zwischenkundgebungen, unter anderem an der Finanzbehörde und dem Rathaus. Dort forderten die TeilnehmerInnen eine wirksame Mietpreisbremse und bezahlbare Wohnungen für alle. Der Hamburger Senat solle seine Grundstücke nicht mehr an Spekulanten verkaufen und den sozialen Wohnungsbau mehr fördern. Das Gängeviertel begleitete die vorbeiziehenden Protestierenden mit einem Feuerwerk.

Immer weniger Wohnungen im City-Hof

Die Demonstration endete mit einer Abschlusskundgebung an den City-Hof-Hochhäusern am Hauptbahnhof. Die Organisatoren hatten den Ort gewählt, weil das denkmalgeschützte Gebäude abgerissen werden soll. Ansässige Geschäfte und Vereine sowie das Bezirksamt Mitte mussten bereits ausziehen. Das Netzwerk Recht auf Stadt kritisiert insbesondere, dass der Investor in dem geplanten Neubau zu wenige Wohnungen plane, die Zahl sogar noch einmal nach unten korrigiert habe. Weil die Behörden eine Besetzung des Gebäudes befürchteten, zeigte die Polizei vor Ort verstärkte Präsenz.

Um 17 Uhr löste sich die Versammlung auf. Die Organisatoren äußerten sich sehr zufrieden. Demnächst soll es eine Konferenz der Stadtteile geben, um weitere Aktionen zu planen.

In den vergangenen Wochen hatte es in mehreren deutschen Städten ähnliche Demonstrationen gegeben, in Berlin waren im April nach Angaben der Veranstalter 25.000 Menschen gegen den „Mietenwahnsinn“ auf die Straße gegangen.

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11 Kommentare

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  • Bitte mal logisch nachdenken:

    1. Hamburg ist die Stadt mit der geringsten Quote für freie Wohnungen.

    2. Zuwanderer, eher arm, strömen seit 2015 zu tausenden in die Stadt.

    3. Diese konkurrieren mit anderen Niedrigverdienern um günstige Wohnungen.

    4. Ein Teil der Niedrigverdiener weicht auf teurere, aber irgendwie noch bezahlbare Wohnungen aus.

    5. Die Konkurrenz nimmt damit auch bei den teureren Wohnungen zu.

    6. Ein Teil der dort normalerweise nachfragenden, Etwas-Besser-Verdienenden weicht daher ebenfalls auf noch teurere Wohnungen aus.

    7. Usw.

    Es entsteht ein Kaskadeneffekt, der die gesamten Mieten in die Höhe treibt.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wer meint, dass die Zuwanderung von Hundertausenden keine Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt hat, der ist doch für mich ein Dummkopf.

    Das dies auch nur ein Teil des Problems ist, bzw. die Lösung für den reicheren Teil unserer Gesellschaft, die Immobilenbesitzer, die Staatsschuldner, die so auf Inflation hoffen - ist auch klar.

    Aber wer Flüchlinge fördert muss auch mal den Stadtwald für Wohnungen fällen lassen.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Ist es nicht irgendwie wurscht, ob sich der Geflüchtete oder die Familie mit zwei Kindern keine Wohnung in der Stadt leisten kann?

      Das ist doch alles nicht neu. Die erwähnte Familie lebt kurz hinter Pinneberg im Haus der Eltern und die überlegen, gen Schweden auszuwandern. Und das schon, bevor 'Flüchtlinge' für alles verantwortlich gemacht wurden, was in dieser Republik im Argen liegt, als in Syrien noch Frie... naja, zumindest kein offener Bürgerkrieg herrschte.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Den Stadtpark muss man nicht für den Wohnungsbau roden, die Stadt muss sich zur Not die Flächen nehmen, die sie braucht. Aber die Syrer sind nur ein kleiner Aspekt dieser Sache, weil die in der Regel gar keine hohe Mieten zahlen können. Viele leben in Schleswig Holstein und Niedersachsen auf dem Land, wo sie das bezahlen können.

  • Tja, egal wem das "Abendblatt" gehört - Axel Springer oder der Funke Gruppe (Waz-Krake aus NRW). Einst hetzte man gegen AKW-Gegner und Alternative, nun schwenkt man anscheinend auf Gauland-Niveau ein. Wundert das wen?

  • Matthias Iken verkörpert das bornierte Bürgertum. Natürlich treiben nur die Syer die Mieten. Nicht die Investoren und nicht die vielen Sozialwohnungen, die aus der Bindung rausfliegen. Das Hamburger Abendblatt war schon immer ein sonderbares Käseblatt und Desinformation gehörte auch immer dazu.

  • Ich hab in Hamburg drei Jahre lang die Abendschule vor dem Holstentor, direkt am Karolinenplatz, besucht.

     

    Das Karoviertel is ja nu auch so ein Szeneviertel. Einer der wenigen Wahlbezirke in denen mehrheitlich die Grünen gewählt werden.

     

    Ich konnte die Leute aus dem Karoviertel von dort aus Minimum drei mal im Jahr auf dem Platz gegen Verdrängung demonstrieren sehen.

     

    Interessant ist ja nun, dass viele Häuser im Karoviertel ja ursprünglich klassische Mietskasernen für Arbeiter waren, mit engen Straßen, eine Toilette pro Stockwerk für zig Bewohner und im Viertel dann lauter Trinker und Zwielichtige.

     

    Das hat sich ja nun mit dem Szeneklientel innerhalb nicht mal drei Jahrzehnten komplett geändert und das schlägt sich auch in den Wahlergebnissen nieder.

     

    Als dort noch Arbeiter und keine scheiß Akademikerkinder lebten wurde entsprechend weit überwiegend SPD und zu einem kleineren Anteil CDU gewählt.

     

    Die ganze Grünen wählende akademische/studentische Klientel die dort jetzt lebt hat ja durch die Zahlungsfähigkeit ihrer Akademikereltern die Preise dramatisch erhöht. Das Karoviertel gehört heute mit zu den teuersten Innenstadtlagen.

     

    Es ist so absurd.

    Das begüterte linksliberale Bildungsbürgerklientel zieht in die Arbeiterviertel, lässt dort die Mieten steigen und verdrängt die Arbeiter die dort leben und gehen dann dreimal im Jahr auf die Straße um gegen Verdrängung zu demonstrieren.

     

    Ihr schwebt doch alle völlig über euch...

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Natürlich ist auch die Zuwanderung daran schuld, indirekt.

    Alle wollen in die Städte und die Immobilienbesitzer freuen sich. Können sie doch die letzte Kascheme noch teuer vermieten, und der Staat oder die Stadt zahlt alles.

    Kann ich in unserem Haus, bin Mieter, beobachten.

    Die leerstehenden Wohnungen werden an die Stadt vermietet, langfristig. Zuvor werden sie renoviert, auf Kosten der Stadt und ebenso auf deren Kosten mit einer neuen Einbauküche versehen.

    Das ist doch ein tolles Geschenk von der Stadt und den politisch Verantwortlichen.

    Die Studenten, die vorher darin wohnten, konnten die neue Miete nicht mehr zahlen und sind ausgezogen.

  • "Alle" sind auf jeden Fall nicht gemeint. Ich entsinne eine Volksabstimmung zum Strand in Ottensen, da sollte ein öffentlicher Weg gebaut werden, der dann nicht kam, so dass die ganzen Alten und Behinderten dort nach wie vor ausgesperrt werden. Am Elbstrand bitte nur schöne und fitte Menschen. Seitdem sind diese (vorgeblich) linken Initiativen bei mir untendurch.

     

    Man sehe sich die Liste der Unterstützer an: http://www.rechtaufstadt.net

     

    Die wollen ihre Altbauwohnung retten. Ist OK. Kapiere ich. Aber dann sollen sie nicht so tun, als wären sie das Volk oder es ginge um Gerechtigkeit ( let alone Gleichheit).

    • 6G
      65334 (Profil gelöscht)
      @el presidente:

      Da sollte man doch bei den Fakten bleiben:

       

      Grundsätzlich ging es bei dem Volksentscheid um einen Fahrradweg direkt ÜBER den Elbstrand (in Othmarschen!). Dieser mit 6 Meter Breite geplante Weg hätte an bestimmten Stellen (z.B. vor der Strandperle) fast die Hälfte des Strandes eingenommen. Dazu kommt, dass bereits ein Weg neben dem Strand vorhanden ist, auf dem Radfahrende allerdings schieben müssen.

       

      Dass die Initiative "Elbstrand retten" und im besten Fall auch alle ihre 62.541 BefürworterInnen (knapp 80% der Stimmen) links sind, wäre zwar schön, ist aber eher eine Unterstellung. Der Radweg hingegen war ein Projekt der "linken" Grün-Alternativen.

       

      Das Recht-auf-Stadt-Bündnis wird sicherlich zu einem großen Teil von linken Gruppen und Personen unterstützt. Dass diese dabei auch eigene Interessen verfolgen finde ich in keinster Weise verwerflich. Sollte es durch solche Proteste gelingen, die Explosion der Mietpreise zu stoppen, würde dies natürlich allen zugutekommen.

    • @el presidente:

      Und hinter der Volksabstimmung standen "Linke"? Woher kommt diese Info. Hinter dem Volksentscheid bezüglich des Gymnasiums standen ja auch keine "Linken"...