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„Bush ist absolut beratungsresistent“

Die katastrophale Auswirkung des Hurrikans „Katrina“ müsste in den USA zu denken geben. Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Sturm und dem Klimawandel. Doch die Bush-Regierung will dies nicht wahrhaben

taz: Herr Marotzke, was hat ein Hurrikan wie „Katrina“ mit den Klimaveränderungen zu tun?

Jochem Marotzke: Hurrikans sind nichts Ungewöhnliches. Sie gehören seit langem zum Wetter und Leben in den USA. Doch wie häufig und heftig sie auftreten, ist allerdings eine Frage des Klimas.

Wieso?

Wenn die Meeresoberfläche wärmer wird, können Hurrikans über einem größeren Areal entstehen. Das hat natürlich Auswirkungen auf ihre Kraft. Außerdem macht der Treibhauseffekt die Atmosphäre wärmer. Wärmere Luft nimmt mehr Wasser auf, die Stärke des Sturms nimmt zu.

Sie haben neun Jahren in den USA gelebt und geforscht. Wenn Ihre Kollegen dort diesen simplen Zusammenhang derzeit schildern, werden sie oft wüst beschimpft. Warum?

Die USA sind der weltgrößte Klimaschädiger – und ein geteiltes Land. Auf der einen Seite sehen wir einen nicht aufgeklärten Teil von US-Bürgern, der den Klimawandel oder freies Denken einfach negieren möchte. Die wollen einfach so weitermachen wie bisher. Andererseits gibt es einen aufgeklärten Teil, der schier verzweifelt ob der politischen Ignoranz. Die Regierung Bush hat eine beispiellose Art, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen umzugehen, die nicht in ihr Weltbild passen. Gerade wenn solche Erkenntnisse zu neuen politischen Agenden führen müssten, werden sie systematisch an den Rand gedrückt. Da war selbst Ronald Reagan aufgeschlossener.

Zum Beispiel 1987. Damals wurden die USA zum Wegbereiter des ersten weltweiten Klima-Abkommens, des Montrealer Protokolls zum Schutz der Ozonschicht. War das ein Erfolg?

Ja. Das Protokoll hat tatsächlich in ganz kurzer Zeit geschafft, den Ausstoß der Ozonkiller drastisch zu reduzieren. Wenn nichts dazwischenkommt, hat sich die Ozonschicht in spätestens 50 Jahren selbst restauriert.

Was könnte denn dazwischenkommen?

Zum Beispiel der Treibhauseffekt. Ozon wird in der Stratosphäre erst jenseits einer Temperatur von minus 78 Grad zerstört. Weil an den Polen, über der Arktis und der Antarktis, diese Temperatur öfter vorliegt, ist die Ozonschicht dort am stärksten zerfressen. Über dem Äquator dagegen ist die Schichtzerstörung weniger schlimm. Aber das kann sich ändern: Denn der Treibhauseffekt heizt die Troposphäre auf und kühlt die Stratosphäre ab. Dort gibt es noch so viele Ozonkiller, dass sich eine enorme Zerstörungskraft entwickeln kann.

Offenkundig war es möglich, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) wirksam zu reduzieren. Warum ist das bei den Klimakillern so viel schwieriger?

Weil das Ozonproblem politisch und wissenschaftlich sehr viel einfacher zu handhaben ist. Bei den Ozonzerstörern handelt es sich um eine kleine Klasse von Substanzen – die Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Es gab 1987 schon Ersatzstoffe, die nicht einmal teurer waren. Die Wissenschaft vermochte plausibel die Folgen zu zeigen. Jeder war betroffen, deshalb fiel das Umschwenken leicht. Beim Kohlendioxid ist das sehr viel schwieriger. CO2-Emissionen gibt es, wenn Sie atmen, fernsehen, Auto fahren – CO2 wird bei allen energetischen Prozessen erzeugt. Es gibt keine Ersatzsubstanz. Die Folge ist schlecht zu veranschaulichen. Bis heute meinen viele – z. B. große Teile Russlands –: „Wird es wärmer, haben wir’s doch gut.“ Es ist also weder eine Alternative in Sicht, noch sind die Schäden vor Augen.

Immerhin spricht George W. Bush nun von der „schlimmsten Naturkatastrophe in der US-Geschichte“. Wird „Katrina“ doch ein heilsamer Schock sein?

Ich bin pessimistisch. Erstens zeigt sich die Bush-Regierung absolut beratungsresistent. Zweitens ist nur eingetreten, worauf alle gewartet haben. Wann immer man New Orleans besucht hat, bekam man die Diskussion mit: Trifft ein wirklich großer Hurrikan die Stadt, wird sie im Chaos versinken – auf absolut katastrophale Weise. Und drittens erreicht das Thema Klimaschutz gar nicht das US-Bewusstsein.

Woran liegt es dass?

Das Land ist riesig – und damit meine ich nicht die Fläche, sondern seine Vielfalt. Die USA bestehen aus unglaublich vielen, unglaublich verschiedenen Regionen, die selbst sehr groß und komplex sind. Ich habe das am eigenen Leib gespürt: Wenn man eine Weile dort lebt, merkt man, wie sich das öffentliche Bewusstsein stark auf innenpolitische Aspekte fokussiert. Die sind oft so komplex, dass man leicht das Gespür für die Dinge verliert, die außerhalb des Landes passieren. Das Land beschäftigt sich mit sich selbst, deshalb spielen die eigenen Werte eine so mächtige Rolle spielen. Und die sind eben eher Freiheit, Entfaltung, Autofahren als Beschränkung, Verzicht, Klimaschutz.

INTERVIEW: NICK REIMER

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