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Weichen für die Zukunft

Partymeile, Kulturstandort, Investorenträume – auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain ist immer was los. In einer Dialogwerkstatt sollen die unterschiedlichen Interessen neu geordnet werden

Beliebt bei vielen: Nachtleben auf dem RAW-Gelände an der Revaler Straße Foto: Sebastian Wells

Von Andreas Hartmann

Zwischen all den mit Graffiti bemalten Gebäuden und halb verfallenem Gemäuer auf dem Friedrichshainer RAW-Gelände steht Lauritz Kurth und erscheint in dieser Umgebung wie ein Alien.

Kurth ist Investor. Wenn es mal wieder um Gentrifizierung und Verdrängung geht, ist daran meist irgendein Investor schuld, so geht eine Dauererzählung in Berlin. Investoren sind unsichtbare Mächte, sie sitzen in London oder Luxemburg, und sie erhöhen Mieten und verdrängen Clubs, ohne dass man jemals einen von ihnen zu Gesicht bekommt. Ein Investor ist so etwas wie Darth Vader. Doch Lauritz Kurth lebt inzwischen in Berlin. Und er zeigt sich.

Der dreißgjährige Immobilienunternehmer trägt einen perfekt geschnittenen Anzug, schwarze Slipper und hat die gegelten Haare nach hinten gekämmt. Er riecht gut. Da es morgens um 9 Uhr schon richtig warm ist, zieht er sein Sakko aus und auf seinem blütenweißen Hemd erkennt man ein eingesticktes LK für Lauritz Kurth.

Als Ballermann, Partystrich und Dealer-Rummelplatz ist der Ort, an dem wir uns befinden, inzwischen bekannt und berüchtigt. Vor ein paar Jahren wurde die Sängerin Jennifer Rostock hier ausgeraubt und verletzt, ein Mann wurde erstochen und genervte Nachbarn beschweren sich anhaltend über ständigen Lärm auf dem Gelände. Das ehemalige Reichsbahnausbesserungswerk „Franz Stenzer“, das nach der Wende verfiel und dann von einer Initiative als unkommerzieller und selbstverwalteter Alternativ- und Kulturort instandgesetzt und genutzt wurde, hatte sich zu einem Berliner Brennpunkt gewandelt.

Eine isländische und eine deutsche Investorengruppe kauften 2007 das Gelände von der ehemals zur Deutschen Bahn gehörenden Vivico. Die neuen Besitzer wollten das Areal mit Wohnungen bebauen, mit einem Hotel, einem Einkaufszentrum. Bei Nichts davon stimmte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu. Die Investoren gingen vor Gericht und verloren.

In der Zwischenzeit holten sie alle möglichen Clubs und Locations auf das Gelände, die zwar nicht so recht zu den bisherigen Nutzern, den Künstlern, Vereinen und Kinderzirkusmachern passen wollten, aber anders als diese wenigstens anständige Mieten zahlten.

2015 verkauften die beiden Investorengruppen das Gelände und ließen den ganzen Schlamassel, den sie mit angerichtet hatten, hinter sich. Der Großteil des Areals, gut zwei Drittel der insgesamt 73.000 Quadratmeter großen Fläche, ging an die Firmengruppe Kurth, ein Familienunternehmen aus Göttingen unter der Leitung von Lauritz Kurths Vater, Hans-Rudolf, das inzwischen auch in Berlin investiert. Das ganze RAW-Gelände teilt Kurth sich mit zwei weiteren Investoren, mit Mast und Trenkle, sowie der International Campus AG.

Seit Kurth Eigentümer ist, sagen seine Mieter auf dem RAW-Gelände, mit denen man sich unterhält, habe sich vieles zum Besseren gewandelt. Nun gäbe es wieder einen echten Ansprechpartner, der sich um Probleme kümmere, und die Kriminalität sei spürbar zurückgegangen. Dafür, so sagt Lauritz Kurth im Gespräch, habe man auch eine Zeit lang Kosten von 70.000 Euro im Monat für einen Wachschutz gehabt. Aktuell mache man sowieso Monat für Monat Miese. „Es muss sich möglichst bald etwas ändern hier“, sagt er.

Wahrscheinlich wird sich sogar gewaltig etwas ändern.

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