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Shitstorm gegen den MDR-SachsenDie große sprachliche Verunsicherung

Kommentar von Lin Hierse

Der MDR hat eine Sendung über „Political Correctness“ mit einem rassistischen Tweet angekündigt. Das Problem beginnt schon deutlich früher.

Viel Geschrei von wem? Beim Reden über rassistische Sprache müssen Betroffene zu Wort kommen Foto: Guillaume de Germain/unsplash

I ch bin ständig verunsichert. Ich frage mich, ob mein Körper meinen und den gesellschaftlichen Maßstäben genügt. Oder ob ich der richtigen Arbeit nachgehe. In meinen Filterblasen macht sich außerdem immer häufiger sprachliche Verunsicherung breit: wird jetzt mit Sternchen oder Unterstrich gegendert, wie lautet die aktuelle Selbstbezeichnung von Menschen of Color, und was bringen diese sich ständig verändernden Be- und Kennzeichnungen bestimmter Personengruppen eigentlich? Will heißen: Verunsicherung ist normal und menschlich. Aber …

Der MDR-Sachsen hatte diese Woche für sein Format „Dienstags direkt“ eine Sendung geplant, deren Ankündigung auf Twitter für einen Shitstorm sorgte. Die eigentlich schon längst in der blau-braunen Versenkung verschwundene Frauke Petry, die Linken-Sprecherin im sächsischen Landtag Kerstin Köditz, der Journalist und Verteidiger der Schnitzelrechte auf rassistische Bezeichnungen Peter Hahne und der Politikwissenschaftler Robert Feustel von der Uni Leipzig sollten sich im Radio über die Zulässigkeit des N-Wortes und „Politische Korrektheit“ streiten.

Nach dem Shitstorm sagten Köditz und Feustel ihre Teilnahme an der Sendung ab, der Beitrag fiel aus. Beide waren nach eigenen Angaben zunächst nur zum Thema „politische Korrektheit“ angefragt worden, einem „Kampfbegriff der Rechten“, den sie nicht unwidersprochen lassen wollten. Im Gespräch wies Robert Feustel außerdem darauf hin, dass in der ursprünglichen Konzeption der Sendung die Genderthematik den Schwerpunkt darstellen sollte.

Eigentlich wollte sich der MDR-Sachsen also einem wichtigen Thema zuwenden: Welche Macht hat Sprache, was macht sie mit uns, wieso sorgt die Debatte um „Political Correctness“ für so viele emotionale Ausbrüche, was dürfen wir (wie) sagen – und was eben nicht? Über diese Fragen darf und muss gestritten werden, wichtig ist dabei aber wer zu Wort kommt und wem eine Bühne zur Profilierung von Interessen gegeben wird.

Betroffene kommen nicht zu Wort

Das Problem des MDR-Vorfalls fängt demnach deutlich früher an. Auf der Website des MDR-Sachsen finden sich zum Thema bereits zwei Interviews mit Frauke Petry und Kerstin Köditz sowie ein Link zum Nachrichtenportal des MDR. Dort schreibt Matthias Winkelmann von „MDR aktuell“ über die Herkunft des N-Worts und befragt den Sprachwissenschaftler Albrecht Plewnia dazu, wie beleidigend der Begriff eigentlich sei. Aber wie soll dieser weiße Wissenschaftler beantworten können, wie beleidigend, verletzend und diskriminierend das N-Wort aus Sicht von Betroffenen ist?

Die Programmverantwortlichen beim MDR haben eine Sendung zum Thema „Politische Korrektheit“ konzipiert, in die keine einzige von diskriminierender Sprache betroffene Person eingeladen war. Durch die Einladung von Frauke Petry und Peter Hahne wäre dafür erneut dem rechten Rand viel zu viel Raum in einer Debatte geboten worden, die immer wieder von genau dort für hetzerische Zwecke missbraucht wird.

Verunsicherung geht nicht dadurch weg, dass man möglichst laut brüllt oder leise klein beigibt

Es ist nicht verboten, über diskriminierende Sprache und unsere allgemeine und persönliche Verunsicherung zu sprechen. Aber das hätte der MDR mit seinem exklusiven Konzept auch nicht gekonnt.

Rassismus gehört beschissenerweise immer noch zu diesem Deutschland. Das manifestiert sich im deutschen Alltag, in unserer Gesellschaftsstruktur, in den Medien, die lieber rechte C-Prominenz zu Wort kommen lassen, als Betroffene – und nicht zuletzt in unseren Köpfen.

Um das zu ändern, reicht keine halbgare Entschuldigung, wie der MDR sie als Reaktion auf den Shitstorm vorschob. Die Programmverantwortlichen müssen ihr gesamtes thematisches Konzept in Frage stellen. Verunsicherung (auch meine; hallo, da bist du wieder!) geht nicht dadurch weg, dass man möglichst laut brüllt oder leise klein beigibt. Rassismus auch nicht.

Wir sensibilisieren uns nicht automatisch für die Positionen diskriminierter Gruppen, nur weil wir unseren Sprachgebrauch anpassen. Das passiert nur, wenn wir unsere erlernte Wortwahl und Denkmuster hinterfragen, marginalisierten Stimmen zuhören und endlich, endlich empfänglich für Selbstkritik werden.

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46 Kommentare

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  • Schon bei dem Wort "Rassismus" gibt es Erläuterungsbedarf.

  • 7G
    7332 (Profil gelöscht)

    Hier in der Nähe gibt es einen kleinen Ort, dessen Bürgermeister schwarz ist. Nicht politisch, sondern er hat eine sehr dunkle Hautfarbe. Er wurde adoptiert und wurde 2012 im ersten Anlauf mit >70% zum ersten schwarzen Bürgermeister in D gewählt. Im SWR gibt es einen Podcast, in dem er sich über seine Hautfarbe auslässt. Er bevorzugt die Bezeichnung Schwarzer, erzählt aber, früher hätten die Nachbarn sich immer bei seinen Eltern erkundigt, was denn das "Negerbüble" so mache. Er fand und findet das nicht schlimm, es käme immer auf den Fragenden und den Kontext an. Aber viel wichtiger ist, dass er für alle im Ort einfach der Bürgermeister ist, für viele auch der Freund oder Schulkamerad aus früheren Tagen, sonst nichts.

     

    Ach so: http://www.gemeinde-mauer.de/pb/,Lde/110210.html

     

    Der sieht das nicht intellektuell, sondern pragmatisch, aber er ist ja schließlich auch selbst betroffen...

  • "Er trägt beispielsweise dem Umstand Rechnung, dass man über die beleidigende Wirkung von rassistischen Begriffen nicht urteilen kann, wenn man nicht betroffen ist."

    Wenn es aber keinen objektiven Anknüpfungspunkt mehr gibt, wird es sehr schwierig. Es ist wohl kaum möglich und auch absurd, die Deutungshoheit einzig den Betroffenen zu überlassen. Aus Intersse, sollten dann Betroffene auch darüber entscheiden dürfen, welche Begriffe strafrechtlich sanktioniert werden und welche nicht?

    Wieso gilt dies nur für rassistische Begriffe und nicht für alle? Es gibt nicht rassistische Begriffe die, und da Sie rein auf das subjektive Empfinden abstellen ist dies für Sie nicht widerlegbar, als ebenso verletzend empfunden werden.

    • @BluesBrothers:

      Ja, es ist schwierig, weil es bei vielen dieser Diskussionen keinen objektiven Anknüpfungspunkt gibt. Aber das liegt in der Natur der Sache.

       

      Wir reden hier über gruppenbezogene Diskriminierung. Der Unterschied zur individuellen Beleidigung als z.B. Arschloch liegt darin, dass bei ersterer nicht irgendjemand entscheidet, beleidigt zu sein, sondern dass die Mitgliedschaft einer Person zu einer gesellschaftlichen Gruppe gezielt dazu verwendet wird, eine Abwertung eines ihrer Vertreter oder der ganzen Gruppe vorzunehmen. Wenn ich jemanden als Neger beschimpfe, betrifft das also nicht nur die beschimpfte Person, sondern involviert genauso eine gesellschaftliche Gruppe, deren verbindendes Merkmal – wie hier die schwarze Hautfarbe – negativ konnotiert und zur Herabsetzung eines Menschen und im Endeffekt der gesamten Gruppe verwendet wird. Dementsprechend sollte diese Gruppe auch im Diskurs repräsentiert sein.

       

      Wenn man jetzt also in Bayern sagt, Neger hamma ollawei scho gsagt, ist das die Mehrheit, die der Minderheit vorschreiben will, von was diese sich beleidigt fühlen sollte. Dieses ungute Machtverhältnis ist ja offensichtlich. Und da sich gesellschaftliche Macht nicht nur entlang von Ethnizität verteilt, gilt das Gleiche auch für sexistische, homophobe, klassistische, behindertenfeindliche oder altersdiskriminierende Bezeichnungen.

       

      Was im rechtlichen Sinn als Beleidigung gilt, ist ja durch das Gesetz festgelegt, und das ist auch gut so. Ein gesellschaftlicher Diskurs kann und soll sich aber nicht darauf beschränken, was juristisch erlaubt ist.

      • @ructus:

        Gruppenbezogener Diskriminierung und Rassismus sind nicht zu Gänze deckungsgleich.

        Wenn Sie z.B. mein Gesicht sehen und mich daraufhin als Riesenzinken beleidigen, trifft das mich als Individuum zudem wird aber auch die Gruppe, mit anderen Worten die Minderheit der große Nasen Träger. An der Diskussion ob dieser Begriff zu ächten ist, dürfen sich meiner Meinung nach auch Kleinnasen beteiligen und nicht wie es der Artikel vorkaut, nur die Großnasen.

         

        Hm die Trennung zwischen strafrechtlicher Sanktion und gesellschaftlichem Diskurs ist künstlich. Denn letztlich ergibt sich aus dem Gesellschaftlichen Diskurs, wenn auch zeitverzögert, was strafrechtlich sanktioniert wird.

  • Der sprachmagische Glaube der PC/Identitären hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Literalismus christlicher FundamentalistInnen. Bestimmten Worten wohnt eine essentielle Bedeutung inne, die völlig kontextunabhängig ist. Das Sprechen von Lautreihen traumatisiert ganze Bevölkerungsgruppen umgehend.

     

    Ich finde hierzu die Bemerkungen diverser Stand-Up Comedians ganz aufschlussreich: https://www.youtube.com/watch?v=dF1NUposXVQ

    https://www.youtube.com/watch?v=il1sgQUtYs8

  • Zitat: "Aber wie soll dieser weiße Wissenschaftler beantworten können, wie beleidigend, verletzend und diskriminierend das N-Wort aus Sicht von Betroffenen ist?"

     

    Die Deutungshoheit über die deutsche Sprache muss man jetzt nicht Leuten überlassen, egal welcher Hautfarbe, die sich "verletzt fühlen". Herr Yüksel hat dazu vor Jahren schon sehr viel richtiges geschrieben. Der objektive Sinngehalt eines Wortes hängt nicht davon ab, ob irgendwer dabei etwas "fühlt". So kann man jedes Wort zu einer Beleidigung umdeuten und umgekehrt ("fett" ist ja zeitweise auch positiv besetzt gewesen).

     

    Von daher war es durchaus angebracht, einen Sprachwissenschaftler zu dem Wort zu befragen - auch wenn es heute als beleidigend gilt, war es eben ursprünglich der "neutrale" Begriff im Gegensatz zu einigen beleidigenden Formen.

  • Politische korrektheit ist nicht links oder rechts. Sie ist ein Werkzeug das bestehende Zustände zementieren soll. Dieses Werkzeug kann und wird von allen Seiten eingesetzt. Vor zehn Jahren waren es radikale Evangelikale, welche Kritik an ihrem Weltbild durch politische Korrektheit eine Absage erteilen wollten.

    Geglückt ist das nicht aber das Werkzeug hat Bestand. Nun wird sie von Linken und Progressiven instrumentalisiert, um Erreichtes zu schützen. Doch wie fortschrittlich kann jemand sein, der sich Debatten zu bestimmten Themen und mit bestimmten Personen verweigert und abweichende Meinungen sozial ächten will?

    Erinnert fühle ich mich hier eher an meinen spießigen, strockkonservativen Nachbarn als an die freiheitsliebende, rebellische Linke meiner Jugend.

     

    Dabei hat ein Teil der neuen Linken es auf die Spitze getrieben. Man will nicht mehr nur vorschreiben was gesagt werden kann und was nicht, man möchte auch noch festlegen wer überhaupt zu welchen Themen sprechen darf und wer nicht. Diese volle Breitseite Elfenbeinturm kommt bei der Masse, in dieser Zuspitzung nicht gut an. Erklärte Gegner der politischen Korrektheit werden durch progressive Wutausbrüche nur weiter gestärkt.

     

    Das eine Sendung zum Thema politische Korrektheit wegen eines digitalen Lynchmobs abgesagt werden musste entbehrt einer gewissen Ironie nicht.

    • @Januß:

      „Politische korrektheit ist nicht links oder rechts. Sie ist ein Werkzeug das bestehende Zustände zementieren soll.“

       

      Der erste Satz ist richtig, andere Menschen zu beleidigen ist keine spezielle linke oder rechte Unsitte.

       

      Der zweite Satz ist falsch. Höflichkeit ist eine Tugend und nicht dafür gedacht Menschen zu beleidigen. Ihr Standpunkt, Beleidigungen zur Überwindung zementierter Zustände für gut zu befinden ist nicht speziell bei „rechts“ oder „links“ zu beobachten, sondern insbesondere im rechtspopolistischen und rechtsextremen Milieu sowie bei manch Pseudolinken.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Wo schrieb Janus was von Beleidigungen?

        • @849 (Profil gelöscht):

          Wikipedia:

           

          Politische Korrektheit (häufig als Adjektiv politisch korrekt, englisch political correctness [...] ist ein aus dem englischen Sprachraum stammendes Schlagwort, das insbesondere in der Theorie der öffentlichen Meinung eine Rolle spielt.

           

          In der ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der englische Begriff politically correct die Zustimmung zur Idee, dass Ausdrücke und Handlungen vermieden werden sollten, die Gruppen von Menschen kränken oder beleidigen können (etwa bezogen auf Geschlecht oder Hautfarbe).

          • @Rudolf Fissner:

            Das beschreibt meine Vorstellung davon was man als politische Korrektheit beschreibt schon ganz gut. Mein Problem damit ist nur das Höflichtkeit ein zweischneidiges Schwert ist.

            Höflichkeit ist mein primärer Modus Operandi, wenn ich mit Menschem umgehe, die ich nur sehr oberflächlich kenne. Höflich zu sein heißt auf Nummer Sicher zu gehen. Wenn ich aber mit Freunden, Familie und Kollegen kommuniziere dann bin ich, zum Vorteil dieser Personen, auch mal bereit die Grenzen der Höflichkeit zu überschreiten. Was wäre ich für ein Freund, Bruder oder Angestellter, wenn ich den Menschen in meinem Umfeld aus Angst sie zu verletzen unangenehme Wahrheiten vorenthalte?

             

            Und dann ist da noch der Sprung ins Politische. Politische Debatten sind keine Diskussionen zwischen Janus und Rudolf Fissner, es sind gesellschaftliche Debatten und in diesen haben an erster, zweiter und dritter Stelle Fakten zu stehen. Ganz unabhängig wie viele Menschen sich von diesen Fakten beleidigt fühlen. Es geht ja nicht darum den Straftatbestand der Beleidigung abzuschaffen. Es geht darum das jeder in der Lage ist seiner Weltanschauung Ausdruck zu verleihen und seine Gedanken zu äußern. Wenn sich dann jemand von einer anderen Meinung beleidigt fühlt ist das ein erträglicher Kollateralschaden. Schließlich ist quasi jede Meinung für irgendjemanden beleidigend,...

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @Rudolf Fissner:

            Höflichkeit ist keine Tugend, sondern Konvention, welche die Wahrheit oft deswegen verschweigt, um der Konvention genüge zu tun. Als was PC angetreten ist, ist zudem unerheblich. Heute ist sie, wie Janus treffend schreibt, ein Werkzeug, das bestehende Zustände zementieren hilft.

            • @849 (Profil gelöscht):

              Welche „Wahrheit“ können Sie nicht höflich ausdrücken?

              • @Rudolf Fissner:

                Die politische Korrekheit geht einher mit einer subjektivistischen Haltung zu diesem Thema. Beleidigend ist nicht was im allgemeinen als beleidigend betrachtet wird, sondern was der Empfänger der Nachricht als Beleidigung empfindet. Dazu kommt dann die Weigerung unangenehme Fakten als solche zu akzeptieren, wenn sie als beleidigend wahrgenommen werden könnten.

                Das es sich dabei lediglich um politisch motivierte Machtpolitik handelt liegt auf der Hand und lässt sich besonders gut dann beobachten, wenn ein Mitgleid einer Minderheit einer politisch korrekten Position widerspricht. Ein Schwarzer der Trump gewählt hat wird nciht mehr wie ein Opfer behandelt, sondern von politisch korrekten gerne auch als Coon, Hausneger oder Onkel Tom beschimpft. Man hält sich also offenkundig nicht an seine eigenen Maßstäbe.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Im Gegensatz zum MDR ist die taz mal wieder nicht in der Lage die Dinge, über die sie schreiben möchte, auch zu nennen."

     

    Was sollte es bringen, das Wort auszuschreiben? Welche*r über ein Mindestmaß an Transferbegabung verfügt oder die Taz schon länger liest, weiß welcher Begriff gemeint ist.

     

    Die Debatte ist auch schon etwas älter. Dass der MDR darüber wirklich noch diskutieren will, zeigt, dass dieser Sender vor allem intellektuell Abgehängten bedient.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Der MDR macht tatsächlich Fernsehen für Abgehängte.

      Ostdeutsche fühlen sich, wenn man diverse Studien liest, weniger ernst genommen und wirtschaftlich benachteiligt. Die Gründe sind vielfältig und sprengen hier den Rahmen.

       

      Es ist nicht akzeptabel, dass man im Jahr 2018 noch darüber diskutieren muss, ob "Neger" rassistisch ist oder nicht. Trotzdem habe ich dieses Wort in Sachsen und Thüringen viel zu oft gehört. "Neger" wie "Jude" ist scheinbar immer noch in Teilen der Gesellschaft akzeptiert, wenn man Andere abwerten möchte.

       

      Ich befürchte, dass die Sendung leider notwendig wäre. Ob sie die entsprechende Aufmerksamkeit im Radio erhalten würde, lasse ich mal offen. Ob man Frauke Petry einladen musste, halte ich für fragwürdig.

       

      Wenn man die politischen Standpunkte der geplanten Runde betrachtet, war die durchaus ausgewogen. Ein Soziologe, eine Politikerin der Linkspartei, eine Rechtspopulistin und ein Konservativer. Wenn der linke Teil der Runde nach dem "besonders schlauen MDR-Tweet" absagt, müssen sie sich aber die Frage gefallen lassen, ob sie tatsächlich vorher wussten worauf sie sich eingelassen haben.

  • 8G
    83421 (Profil gelöscht)

    Die Republik Montenegro heisst uebersetzt auf Deutsch ''Schwarzer Berg'', auf Englisch ''Black mountain'', auf Serbokroatisch ''Crna Gora" usw.

    Was darf man politisch korrekt sagen und was nicht?

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @83421 (Profil gelöscht):

      Der "Montenegriner" heißt ab sofort "Schwarzbergler". :-)

  • „Aber wie soll dieser weiße Wissenschaftler beantworten können, wie beleidigend, verletzend und diskriminierend das N-Wort aus Sicht von Betroffenen ist?“

     

    Hängt es neuerdings von der Hautfarbe ab, sprachwissenschaftliche Beurteilungen zur beleidigenden der und rassistischen Verwendung von Wörtern machen zu können?

     

    Bischen sehr krass das taz!

     

    Natürlich ist das vice-versa möglich! Deshalb hat man sich doch auf allen Ebenen davon verabschiedet, die Hautfarbe als rassistisches Kriterium für Befähigungen ins Klo zu bfödern.

  • Ein guter Einwand, dass hier betroffene Menschen zu Wort kommen sollen.

    Vielleicht sollte die Sendung doch gemacht werden mit Betroffenen.

  • N-Wort-Analogie. Bei Abkürzungen wissen alle immer gleich, was gemeint ist - der Kontext hilft gelegentlich. Beschimpfe ich jemanden, mit dem "F-Wort" - Was könnte ich damit meinen? N-Wort ist 1.-Welt-Problem. Rassismus ist kein 1.-Welt-Problem, aber Rassismus über sprachliche Zensur anzugehen (N-Wort, statt Neg***) und nicht über das Hinterfragen der _Verwendung_ bestimmter sprachlicher Sturkturen, wird nicht helfen. In der DDR war Rassismus "staatlich verboten" - Nun, und was hat es gebracht, als diese "Verbote/Gebote/Schere im Kopf" plötzlich gefallen ist?

  • Der Tweet rassistisch zu nennen weil darin ein rassistisches Wort zur Diskussion gestellt wird halte ich für stark übertrieben. Es ist doch genau diese Art von empfundener sprachlicher Zensur die der Auslöser der unsäglichen Debatte um „political correctness” ist. Wörter zu Taboos erklären verhindert kein Rassismus und hilft keinen Betroffenen.

  • Sind "Christ, Jude, Muslim etc. " dann bald auch nur noch: "CH-, J- und M-Wörter", weil sie (von einigen) abfällig / rassistisch / homophob verwendet werden. "Wie Kindergarten ist das denn".

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Aber wie soll dieser weiße Wissenschaftler beantworten können, wie beleidigend, verletzend und diskriminierend das N-Wort aus Sicht von Betroffenen ist?"

     

    Wie beleidigend irgendwas ist, ist erst mal Privatsache. Wenn sich wer beleidigt fühlt, kann er das artikulieren, mit dem Beleidiger sprechen, letztlich vor Gericht gehen oder stillschweigen. Darüber indes zu mutmaßen, wie beleidigend ein bestimmter Wortgebrauch für einen Einzelnen oder eine Gruppe ist und die Erkenntnisse daraus zum geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetz erheben zu wollen, führt unmittelbar in die Zensur und erfordert ein weitverbreitetes Zensurwesen. Dann dürfte man im übrigen auch keine Mohammed-Karikaturen mehr abdrucken oder abfällig über Christen reden. Man dürfte im Grunde gar nicht mehr reden, außer Unsinn, was dem heutigen Zustand leider bereits sehr nahe kommt.

     

    Man muss leider den Eindruck gewinnen, dass die PC-Pharisäer genau dieses Zensurwesen wollen. Aber vielleicht sind sie nur die nützlichen Idioten eines sich als Aufklärung tarnenden neuen Autoritariarismus, der nur das von vermeintlich links komplementiert, was Trump, Orbán, Kaczyński und Konsorten von rechts anzetteln.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Inwiefern ist es Zensur, wenn es einen gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, welche Wörter in bestimmten Rahmen akzeptabel oder inakzeptabel sind? Wenn Joachim Hermann Roberto Blanco bekomplimentieren will, kann er sagen, dass dieser ein ganz wunderbarer Mann sei. Wenn er Wert darauf legt, Blancos Hautfarbe in dem Kontext zu erwähnen, kann die Nachfrage erlaubt sein, welche Rolle das in diesem Zusammenhang spielt. Trotzdem gibt es auch für diesen Fall alternative Begriffe.

       

      Die Behauptung, dass ein Diskurs über diskriminierende (Gruppen-)Bezeichnungen ganz automatisch in die Zensur führt, kann sich wohl nur erlauben, wer von solchen Diskriminierungen nicht betroffen ist. Sie missachtet die komplexitätsreduzierende und gesellschaftliche Machtverhältnisse reflektierende Funktion von Sprache, die ihrerseits natürlich Individuen mit einem bestimmten Weltbild hervorbringt. Wer über Diskriminierung redet, _muss_ auch über Sprache und Sprachgebrauch reden. Das der bezeichneten Gruppe eine besondere Rolle in diesem Diskurs zukommt, und dass nicht nur über sie, sondern auch mit ihr geredet werden sollte, liegt doch auf der Hand.

       

      Im Übrigen ist es nicht informierter, bewusster und empathischer Sprachgebrauch, der Viktor Orbán groß macht, sondern genau dessen Gegner.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @ructus:

        "Die Behauptung, dass ein Diskurs über diskriminierende (Gruppen-)Bezeichnungen ganz automatisch in die Zensur führt..."

         

        Ich habe überhaupt nichts gegen den Diskurs über das Thema, sondern gegen Leute, die sich als Sprachtaliban aufspielen und sich damit ins rechte und die anderen ins falsche Licht setzen wollen.

         

        Ich halte es zudem für ausgemachten Blödsinn, Machtverhältnisse durch Sprachregelungen zu entgegnen. Damit cachiert man sie nur und macht die Ausübung eben jener Macht, die man damit treffen will, noch leichter als sie ohnehin schon ist.

         

        Und was soll empathischer Sprachgebrauch sein? Dass man, wie Politiker und sonstige Schwadroneure stets gerne was von Anteilnahme und Verständnis sülzt, aber sich sonst im Nichtstun ergeht. Diese Sprachdiskussion ist in meinen Augen eine Alibiveranstaltung, die dafür sorgen soll, dass die da oben schön so weitermachen können wie bisher in ihrer Aushölung der Demokratie. Dem sekundieren die verblendeten Sprachtaliban und verplempern ihre Energie auf Nebensächlichkeiten, statt auf dem Hauptschauplatz.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @ructus:

        "Inwiefern ist es Zensur, wenn es einen gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, welche Wörter in bestimmten Rahmen akzeptabel oder inakzeptabel sind?"

         

        Wenn es diesen gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, wozu braucht es dann Menschen, die meinen, sie müssten ihn durchsetzen, indem sie anderen des falschen Gebrauchs und damit der falschen Intention zeihen, wenn sie bestimmte Wörter gebrauchen?

        • @849 (Profil gelöscht):

          Ich sehe Sprachkritik ähnlich wie die Kritik an gesellschaftlichen Machtverhältnissen insgesamt. Es ist einfacher, eine Machtelite oben zu sehen, die das brave Volk unten verdirbt und korrumpiert, als die tatsächlich sehr variablen, konjunktiven und kontextabhängigen, sich ständig verändernden Machtverhältnisse zu analysieren. Macht ist aber nicht einfach bei „denen da oben“ konzentriert, während die anderen machen müssen, was sie sollen. In diesem Sinne kann sich eine brauchbare Kritik von Machtverhältnissen ebenso wenig darauf beschränken, Sprachtaliban zu spielen, wie sie die Komplexität der Verhältnisse ignorieren kann.

           

          Der Sprachgebrauch als Sediment solcher Machtstrukturen ist nicht das einzige, aber ein wichtiges Element solcher Kritik, weil er historisch gewachsene Ungleichheiten unseres Systems aufzeigt, die erst durch kritische Reflektion bewusst gemacht und problematisiert werden. Man kann also das System weder beschreiben noch kritisieren noch ändern, wenn man es nicht in seinen komplexen Auswirkungen versteht. Platt gesagt, glaube ich, dass ein diskriminierender Sprachgebrauch viel eher bestehende Machtstrukturen festschreibt, weil er die Vielfältigkeit ihrer Wirkungsweisen ignoriert. Gruppenbezogene Diskriminierungen schwächen dieses System nicht, sie stärken es und erhalten es aufrecht.

           

          „Konsens“ war von mir ein bisschen einfach gesagt. Andere beschreiben es ja tatsächlich um einen ständigen Kampf um Deutungshoheit. Wo genau die Grenze zwischen dem verläuft, was eine Gesellschaft als Sagbar ansieht und was nicht, ist ja nicht fix. Umso wichtiger, Position zu beziehen.

           

          Ein empathischer Sprachgebrauch versucht nicht, das eigene Weltbild mit der Brechstange durchzusetzen und missversteht nicht jeden Hinweis auf die Wirkung von Sprache als Zensur. Er trägt beispielsweise dem Umstand Rechnung, dass man über die beleidigende Wirkung von rassistischen Begriffen nicht urteilen kann, wenn man nicht betroffen ist.

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @ructus:

            "Der Sprachgebrauch als Sediment solcher Machtstrukturen ist nicht das einzige, aber ein wichtiges Element solcher Kritik, weil er historisch gewachsene Ungleichheiten unseres Systems aufzeigt, die erst durch kritische Reflektion bewusst gemacht und problematisiert werden."

             

            Ich wäre der letzte, der eine solche Reflexion ablehnen würde. Aber es geht eben um Bewusstmachung, nicht um das Oktroyieren von Sprachregeln. Dass da Leute auftreten und alten Texten die heutigen Regeln oktroyieren wollen, ist dabei der Gipfel des Irrsinns und Anzeichen eines unerhörten Willens zum Autoritarismus. Insofern kann ich nur eindringlich davor warnen, diesen Leuten das Terrain zu überlassen!

             

            "Ein empathischer Sprachgebrauch versucht nicht, das eigene Weltbild mit der Brechstange durchzusetzen und missversteht nicht jeden Hinweis auf die Wirkung von Sprache als Zensur. Er trägt beispielsweise dem Umstand Rechnung, dass man über die beleidigende Wirkung von rassistischen Begriffen nicht urteilen kann, wenn man nicht betroffen ist."

             

            Den ersten Teil würde ich ja in Blut unterschreiben, nur: was beleidigend ist, wird von den Sprechern ausgehandelt. Es kann hier keine Deutungshoheit von außen geben, die mit dem Ächten von Wörtern durch die PC-Taliban postuliert wird. Im Übrigen ist Beleidigtsein ein Zeichen von Unreife. Vielleicht sollten die Beleidigten dieser Welt sich mal dieser Reflexion hingegen, statt sich an ihrer Selbstviktimisierung ergötzen. Fragen Sie sich mal, was passieren würde, wenn man das individuelle Beleidigtsein als Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung setzen würde? Es würde all stumm machen aus Angst vor den Konsequenzen.

            • @849 (Profil gelöscht):

              Nun, außerhalb von Genderseminaren werden die wenigsten Menschen gezwungen, Gendersternchen zu benutzen. Wer Neger sagt landet nicht im Gefängnis. In bestimmten politischen Kreisen kann man aus der gezielten Grenzüberschreitung sogar noch Kapital schlagen. Herrmann hat sein Ausspruch sicher auch höchstens beim politischen Gegner unbeliebt gemacht. Wo wittern Sie also diese PC-Taliban, die den Menschen heute das Sprechen unmöglich machen? Wenn Sie Reflektion begrüßen, sind Sie ja sicher auch kein Gegner davon, entsprechend zu handeln und „korrekt“ zu sprechen. Den Brückenschlag zum Autoritarismus finde ich schwer nachvollziehbar. Wer sich die starken Männer Europas anschaut, kann leicht feststellen, dass ein sie verbindendes Merkmal eine illiberale und antiemanzipatorische Grundhaltung darstellt, die sich sicher nicht durch einen besondes reflektierten und vorsichtigen Sprachgebrauch auszeichnet.

               

              „was beleidigend ist, wird von den Sprechern ausgehandelt. Es kann hier keine Deutungshoheit von außen geben, die mit dem Ächten von Wörtern durch die PC-Taliban postuliert wird.“

               

              Genau darum geht es: die Deutung kann nicht von außen aufgedrückt werden. Auch wenn es essentialistische Strömungen in der Linken gibt, die glauben, dass Menschen mit weißer Hautfarbe generell zu Rassismus die Klappe halten sollten, darf sich der weiße Sprachwissenschaftler m. E. natürlich zum Diskriminierungspotenzial dieses Begriffs äußern, macht aber dann im Prinzip genau das, was Sie kritisieren. Der Einschätzung der von der Beleidigung belegten Minderheit kann man da getrost mehr Beachtung schenken. Eine Situation, in der die nicht-betroffene Mehrheit darüber entscheidet, was für eine betroffene Minderheit als Beleidigung zu gelten hat, ist wohl alles andere als wünschenswert, weil gruppenspezifische Diskriminierungserfahrung von der Mehrheit natürlich nicht geteilt werden. Aufgrund dieses Machtgefälles genießen Minderheiten in Demokratien ja auch besonderen Schutz.

               

              Schönes Avatar übrigens.

              • 8G
                849 (Profil gelöscht)
                @ructus:

                "Wo wittern Sie also diese PC-Taliban, die den Menschen heute das Sprechen unmöglich machen?"

                 

                Ich wittere die nicht, sondern die sind ubiquitär. Diese pseudolinke Clique kommt doch dauernd mit irgendwelchen "Nogos" (auch so ein N-Wort) daher, die man tunlichst zu unterlassen habe, wenn man im Kreis der Heiligen und Erlauchten Bestand haben will. Ich fühle mich seit langem in meinem freien Ausdruck behindert, egal ob durch die mir anerzogene Höflichkeit oder durch Leute, die meinen, man dürfe heute nicht mehr Studenten und Friseusen sagen (ist mir passiert). Was den Neger betrifft, hat heute kein Mensch mehr einen positiven Begriff dieser Benennung. Wenn er also das Wort gebraucht, tut er es zum Spaß oder zur Verunglimpfung oder, um über es zu reden. Dass man jene, die es zur Verunglimpfung gebrauchen, tadelt, versteht sich. Aber dass man an Bücher aus den späten 50ern den heutigen Maßstab anlegt, ist nicht nur vollkommen meschugge, sondern zeugt von einer autoritären Haltung, einem fundamentalistischen Missionierungseifer, dem ich beim besten Willen nicht nur nichts abgewinnen kann, sondern den ich für brandgefährlich halte. Hier wird nämlich nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, was auch meschugge wäre, sondern der Geist der Sprache mit dem Gespenst der Unfreiheit.

                 

                Was beleidigend ist, wird ausgehandelt, schrieb ich, und zwar von den Sprechern. Insofern kann ein weißer Sprachwissenschaftler ebensowenig die Deutungshoheit über etwas haben wie ein schwarzer Sprachwissenschaftler. Überhaupt ist der Gedanke in meinen Augen vollkommen abstrus, wenn man die sich beleidigt Fühlenden zum Maßstab von Sprachregelungen oder gar Gesetzen machen wollte. In diesem Wunsch lauert erneut der Dämon des Autoritären im läppischen Empathiepelz. Wenn Demokratie eines ist, dann Diskurs. Den müssen wir pflegen, aber ohne pharisäerhaften Dünkel. Bei diese Thema ist nämlich niemand heilig, weil niemand davor gefeit ist, einen anderen Menschen zu beleidigen.

                • @849 (Profil gelöscht):

                  Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie vollkommen richtig verstehe. Sie fühlen sich in ihrem freien Ausdruck behindert (oben schrieben Sie noch von Zensur), weil jemand Ihre Verwendung des Begriffs „Studenten“ kritisiert hat? Ich kann dieses Ereignis natürlich nicht bewerten ohne dabeigewesen zu sein, aber das hört sich nach schwerem Geschütz gegen jemanden an, der vermutlich lieber „Studierende“ gehört hätte. Das sehe ich weniger als autoritäres Gebaren als vielmehr Ausdruck genau des Diskurses, den Sie einfordern. Hätte Ihr Gegenüber Sie denn zur Verwendung des geschlechtsneutralen Begriffs zwingen können? Oder erwarten Sie als Teil Ihrer freien Ausdrucksfähigkeit auch die Freiheit von Widerrede?

                   

                  Es geht (mir) aber auch nicht darum, ob „Friseuse“ ein schlechtes Wort ist oder nicht. Ich will auch gar nicht alle verteidigen, die sich jemals beleidigt gefühlt haben. Im Artikel wird kritisiert, dass eine Debatte über einen vermeintlich diskriminerenden Begriff stattfindet, ohne eine Einschätzung eines Opfers der Diskriminierung einzuholen. Wem die Vorstellung Magenschmerzen bereitet, dass ein einziges individuelles Opfer (von wegen „Selbstviktimisierung“, was ist man denn sonst nach einer Beleidigung) der Gesellschaft akzeptablen Sprachgebrauch vorschreibt, sollte wenigstens generell offen dafür sein, Mitgliedern der von einer gruppenbezogenen Diskriminierung betroffenen Gruppe Gehör zu schenken. Natürlich wird die Deutung daraufhin ausgehandelt. Aber so sind die Betroffenen Teil des Diskurses anstatt nur Zuschauer.

                   

                  Da die Sprache eben aus historischen Zusammenhängen gewachsen ist und entsprechenden Ballast mit sich herumträgt, ist niemand per se dagegen gefeit, andere Menschen zu beleidigen. Wie Sie festgestellt haben, ändern sich die Einschätzungen zum beleidigenden Potenzial von Begriffen auch über die Zeit. Das ist aber kein Argument gegen, sondern _für_ empathischen und bewussten Sprachgebrauch.

                  • 8G
                    849 (Profil gelöscht)
                    @ructus:

                    "Da die Sprache eben aus historischen Zusammenhängen gewachsen ist und entsprechenden Ballast mit sich herumträgt, ist niemand per se dagegen gefeit, andere Menschen zu beleidigen. [...] Das ist aber kein Argument gegen, sondern _für_ empathischen und bewussten Sprachgebrauch."

                     

                    Ich gebrauche Sprache ziemlich bewusst und greife im Grunde ungern zu schärferen Mitteln. Aber ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich wie zu sagen habe. Empathischer Sprachgebrauch ist aber, wie die Beleidigung, eine Sache des Aushandelns zwischen den Kommunikationspartnern. Was nützt mir etwa (selbst erlebtes Jahrzehnte zurückliegendes Beispiel) ein Frauenarzt, der mich wie ein Kleinkind vollsülzt, wenn ich mir das Ultraschallbild unseres Kindes ansehe. Der will empathisch sein, kommt aber bei mir ja schon geradezu beleidigend an, weil er mich nicht ernst nimmt. Soll ich den vielleicht darauf aufmerksam machen, dass er mit mir nicht zu reden hat wie mit einem kleinen Kind? Dann fühlt der sich beleidigt und deswegen schweige ich dann still, weil es schlicht keinen Sinn hat und weil es in meinen Augen kindisch wäre, ob einer solchen Lappalie eine Diskussion anzustrengen (heute würde ich ihm in derselben Situation wahrscheinlich sagen, er solle sich keine Verzierungen abbrechen, ich trüge keine Windel mehr).

                     

                    Ich erwarte von erwachsenen Menschen schlicht, dass sie so gefestigt sind, dass sie Beleidigungen abkönnen, egal ob es herablassendes Verhalten betrifft oder das Belegen mit bestimmten Wörtern und dass sie sich beim unmittelbaren Sprachhandeln zu Wort melden, wenn sie der Ansicht sind, etwas nicht ertragen zu können. Da braucht niemand einen Vater Staat (von wegen Patriarchat) oder andere selbsternannte Sprachtaliban dazu, die an Vaters statt sprachliches Recht und sprachliche Ordnung meinen durchsetzen zu müssen.

                  • 8G
                    849 (Profil gelöscht)
                    @ructus:

                    "Wem die Vorstellung Magenschmerzen bereitet, dass ein einziges individuelles Opfer (von wegen „Selbstviktimisierung“, was ist man denn sonst nach einer Beleidigung) der Gesellschaft akzeptablen Sprachgebrauch vorschreibt, sollte wenigstens generell offen dafür sein, Mitgliedern der von einer gruppenbezogenen Diskriminierung betroffenen Gruppe Gehör zu schenken."

                     

                    Wie ich schon schrieb: Beleidigungen sind Kinderkram. Wer sich beleidigt fühlt und damit nicht klarkommt, soll zum Psychater gehen (wohin man ohnehin 99% der Menschen schicken müsste).

                     

                    Aber das ist nicht mein Punkt, sondern dass man kein allgemeines Gesetz auf das individuelle Empfinden gründen kann. Wo kämen wir denn hin, wenn wir stets auf alle Rücksicht nehmen müssten? Die Konsequenz wäre ein Staat, der die Orwellsche Utopie in den Schatten stellen würde.

                     

                    Es gehört zu einer Demokratie und zum Diskurs, dass man das Gegenüber toleriert. MIt dem Zeigefinger oder vermeintlich moralischer Überlegenheit zu kommen, ist Unsinn. Man kann und soll über das Thema reden, aber es kann nicht angehen, dass autoritäre Spinner den Diskurs an sich reißen und damit vernichten, indem sie ihr moralinsaures Diktat mit allen verfügbaren Mitteln durchsetzen wollen. Der Anspruch, dass mit 60 Jahre alten Büchern zu tun, ist derart bezeichnend für deren missionarisch-zelotischen Eifer, dass man ihm allein schon ansieht, wes Geistes Kind diese Pharisäer sind. Mir wird dabei Angst und Bange, nicht weil ich ein ängstlicher Mensch wäre, sondern weil ich seit einigen Dekaden eine starkt ausgeprägte Tendenz zur Freiheitsbeschneidung sehe. Und das schlimme daran ist, wenn diese Tendenz zu allem Überfluss auch noch aus der sich für links haltenden Ecke kommt. Für mich sind das nützliche Idioten und Vorboten eines manifest werdenden kapitalistischen Faschismus.

                  • 8G
                    849 (Profil gelöscht)
                    @ructus:

                    "Sie fühlen sich in ihrem freien Ausdruck behindert (oben schrieben Sie noch von Zensur), weil jemand Ihre Verwendung des Begriffs „Studenten“ kritisiert hat? [...] Das sehe ich weniger als autoritäres Gebaren als vielmehr Ausdruck genau des Diskurses, den Sie einfordern."

                     

                    Es ist doch kein Diskurs, wenn mir jemand mit dem Ton der Ermahnung kundtut, dass man ein bestimmtes Wort heute nicht mehr sage. Ein Diskurs wäre es, wenn wir darüber redeten, warum Friseurin oder Studierende besser sein sollen.

                     

                    Diese beiden Wörter eignen sich im Übrigen hervorragend zur Analyse des Sprachtalibanschwachsinns. Friseuse ist eine genuin weibliche Form aus dem Französischen, Friseurin vom männlichen Friseur abgeleitet. Bei Studierenden hingegen ist die männliche Form tabu, obwohl man von ihr - genau wie bei Friseur - unschwer das weibliche Pendant (Studentin) bilden kann. Die Friseure und die Friseusen/Friseurinnen müssten zudem, um die Sprachvorschrift generalisieren zu können, in Friesierende umgewandelt werden, ebenso wie solche Wörter wie Soldat (Soldierende), Polizist (Polizierende) oder Schüler (Lernende). Dass das Schwachsinn ist, müsste jedem unmittelbar einleuchten. Aber die Sprachtaliban haben halt so ihren speziellen Fetisch.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Bevor man über ihn diskutiert, muss man ihn freilich gesehen haben.

     

    Sie glauben offenbar an die Kraft des Exorzismus: indem Sie ein Wort vermeiden, soll es weniger Macht haben. Aber das ist bloßer Aberglauben, dem per se ein autoritäres Element innewohnt und der deshalb stets auf Unterdrückung dessen aus ist, der ihn in Frage stellt.

     

    Und genau das tun Sie dann auch gleich in Ihrem ersten Satz: statt zu diskutieren, verunglimpfen Sie! So geht DIskurs jedenfalls nicht, schon gar kein "intellektueller".

  • Im Gegensatz zum MDR ist die taz mal wieder nicht in der Lage die Dinge, über die sie schreiben möchte, auch zu nennen. Der MDR spricht über die Herkunft des Wortes Neger und nicht über 'das' N-Wort. Ihr sagt bestimmt auch Pipi und Ahah machen, wenn es um Ausscheidungen geht, oder? Was für ein Kindergarten.

    • @Adele Walter:

      Sie hätten Ihrem Beitrag wenigstens eine Trigger-Warnung voranstellen sollen.

      Bei "Der Epping" haben Sie offenbar etwas ausgelöst.

    • @Adele Walter:

      Dass sie es offenbar für nötig halten diese rassistische Kackscheiße unbedingt auszuschreiben zeigt mir allerdings dass sie zu einem intellektuellen Diskurs nicht in der Lage sind.

      Den Film "Jud Süss" kann man bsplw. auch vortrefflich diskutieren ohne den goebbelschen Antisemitismus in jeder Einzelheit zu zitieren und damit ins Sprachbild zu reproduzieren.

      • @Der Epping:

        Er hat Jehova gesagt.! Nein, noch schlimmer: SIE hat Jehova gesagt!

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Der Epping:

        Bevor man über ihn diskutiert, muss man ihn freilich gesehen haben.

         

        Sie glauben offenbar an die Kraft des Exorzismus: indem Sie ein Wort vermeiden, soll es weniger Macht haben. Aber das ist bloßer Aberglauben, dem per se ein autoritäres Element innewohnt und der deshalb stets auf Unterdrückung dessen aus ist, der ihn in Frage stellt.

         

        Und genau das tun Sie dann auch gleich in Ihrem ersten Satz: statt zu diskutieren, verunglimpfen Sie! So geht DIskurs jedenfalls nicht, schon gar kein "intellektueller".

      • @Der Epping:

        Frau Walter hat recht. Mir ist auch fast der Kragen geplatzt als ich bei der Besprechung des Jim Knopf Films sorgfältig auf jede mögliche Diskriminierungsmöglichkeit hingewiesen wurde, statt dass der Film besprochen wurde.

      • @Der Epping:

        Hmmm... dieser Logik folgend haben Sie jetzt Rassismus, Kackscheiße, Jud Süß und Goebbels ins Sprachbild reproduziert. Vermutlich wäre es doch am besten, ganz auf Sprache zu verzichten, ja?

      • @Der Epping:

        "Kackscheiße" ist also "intellektuell"?

         

        LOL