Ausstellung zu Gender und Militär: Männlicher Krieg, weiblicher Frieden?
Das Militärhistorische Museum Dresden steckt in der Krise. Die große Sonderausstellung zu „Gewalt und Geschlecht“ täuscht darüber hinweg.
Weil plötzlich wieder alles „wie früher“ ist, fällt auf, dass am Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden mehr als zwei Jahre lang nichts Besonderes los war. Rund 20 Sonderausstellungen zuvor in sechs Jahren! Links vom Haupteingang, wo einst ein bunt bestrickter Leopard-Panzer stand, empfängt den Besucher nun eine raketenförmige Skulptur „Crazy Daisy“ aus weiblichen Schaufensterpuppen.
Das Gegenstück steht auf jener Freifläche, von der die Großschießgeräte für ein halbes Jahr Ausstellungsdauer verbannt worden sind. Der Norweger Morten Traavik hat eine Boden-Boden-Rakete mit einem Riesenkondom überzogen. Weitere Kunstobjekte fordern das Auge, bevor man das Haus betreten hat. An den Simsen entdeckt man geschlechtslose silberne Humanwesen, korrespondierend mit dem metallischen Riesenkeil, den Stararchitekt Daniel Libeskind zur Wiedereröffnung des Hauses 2011 durch das historische Gebäude getrieben hat.
Da ist sie wieder, diese einzigartige Kombination von Kunst, Militärgeschichte und Volkspädagogik, mit der sich das frühere Armeemuseum der DDR nach dem Umbau von einer Militaria-Schau für Waffennarren abhob. Auf den 2.000 Quadratmetern der Sonderausstellung „Gewalt und Geschlecht“ herrscht diese Balance, wie sie für den bis zum vorigen Sommer amtierenden wissenschaftlichen Leiter Gorch Pieken typisch ist.
Als Kurator der Sonderausstellung zur unterschiedlichen Militanz von Mann und Frau ist er noch einmal nach Dresden zurückgekehrt. Dieser sein bislang größter Wurf weitet sich zu einer Gesamtschau auf das Geschlechterverhältnis unter den Aspekten von Stärke, Macht und Kampf.
Bis 30. Oktober.
Sonderausstellung, "Gewalt und Geschlecht. Männlicher Krieg - Weiblicher Frieden?", Dresden
Wie nie zuvor hat Pieken aber auch um diese Ausstellung kämpfen müssen. Eröffnet werden sollte sie schon vor einem halben Jahr. „Es gab Objekte, die kontrovers mit der Leitung des Hauses diskutiert wurden“, bestätigt er. Die Verschiebung lag also nicht nur an den immensen Ausstellungskosten von rund 3 Millionen Euro, etwas mehr als das Jahresbudget des Museums. Allein 600.000 Euro kosteten die Kunsttransporte, denn die Sonderausstellung verblüfft mit zahlreichen Originalleihgaben.
Keine statische Waffenschau
Über mangelnde Rückendeckung musste Gorch Pieken früher nicht klagen. Oberst Matthias Rogg als Leiter stand stets hinter seinen Plänen und ihrer aufgeklärt-zivilgesellschaftlichen Orientierung. Im Vorwort zum 648 Seiten umfassenden Ausstellungskatalog spricht Pieken ausdrücklich von einem „Friedensmuseum“. Rogg wurde im März 2017 an die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg versetzt. Spekulationen, damit könne eine Abkehr vom allzu liberalen Kurs des europaweit renommierten Museums verbunden sein, wurde damals energisch entgegengetreten. Doch mit der Versetzung auch von Gorch Pieken an das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam schien sich genau dieser Verdacht zu bestätigen.
Schlüsselfigur ist der Leiter dieses Potsdamer Zentrums, Kapitän zur See Jörg Hillmann. Er ist zugleich Vorgesetzter des seit 2017 amtierenden Dresdner Museumsleiters Armin Wagner. Hillmann versicherte nun ausdrücklich, dass man langfristig an Struktur und Konzept des Militärhistorischen Museums festhalten wolle. „Wir werden es nicht zurückverwandeln in eine statische Waffenschau“, betonte er die Modernität und Dynamik des Hauses. Hillmann bestätigte auch die Absicht, einen zivilen Leiter des Dresdner Museums zu bestellen, eine museologische Fachkraft.
So hatte es auch der zehnköpfige Museumsbeirat empfohlen. Gorch Pieken wird jetzt für zwei Jahre an das neue Berliner Humboldtforum ausgeliehen, schloss aber nicht aus, in Dresden erneut als Kurator tätig zu werden. Von schönster Eintracht in der Bundeswehr zeugen die Vorgänge aber nicht. Aus internen Quellen des Leyen-Ministeriums ist zu erfahren, wie groß die Vorbehalte gegenüber dem liberalen Dresdner Stil dort sind.
In der Krise muss man klotzen
In der Krise muss man klotzen, scheint indessen das Motto dieser bislang opulentesten Ausstellung zu sein. Der Preis für Umfang und Intensität ist eine gewisse Unübersichtlichkeit der drei nicht zusammenhängenden Räume. Das Konzept ist aber logisch gegliedert und lässt kaum einen Aspekt der unerschöpflichen Mann-Frau-Beziehungen aus. Der Prolog schafft erst einmal Distanz zwischen den Geschlechtern, bedient Klischees und Vorurteile, zeigt die männliche Dominanz und die häufige Opferrolle von Frauen in Machtkämpfen und Kriegen. Kunstgeschichtlich kann man hier unbekannte Malerinnen entdecken, die handwerklich brillant Heldenporträts und Kampfszenen geschaffen haben.
Die Relativierung erfolgt in der Abteilung zwei. Neben der Männerherrschaft ermächtigten sich auch Frauen selbst, nutzten Lücken in Dynastien, wurden zu Anführerinnen oder Terroristinnen. Ein eigenes Kapitel widmet sich der Frauenrolle in der Nazizeit. Nahe an der Gender-Debatte heute und an der Psychologie bewegen sich die brisanten Kapitel vier bis sechs. Weibliche Schönheit kann ebenso Machtwirkung entfalten wie männliche Stärke. Das Rollendenken hält sich hartnäckig. Ein reichliches Drittel männlicher Bundeswehrangehöriger verbindet deren Öffnung für Frauen 2001 mit dem Verlust an Kampfkraft.
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Die anhaltende Geschlechterteilung symbolisieren technisch aufwändige Theatervorhänge, die durch die Räume laufen. Für weniger Spaltung als erwartet sorgte die milde Eröffnungsrede der umstrittenen Publizistin Cora Stephan. Auch den Großzügigsten beiderlei Geschlechts kann man jedenfalls die Selbstüberprüfung anhand der 850 Exponate nur empfehlen.
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