: „Es geht um Sekunden“
Hans Pieper vom ADAC Hansa will Autofahrer dazu bringen, endlich an die Rettungsgasse zu denken. Kameras im Streifenwagen findet er sinnvoll, um Autobahnblockierer zu erfassen – zumindest wenn dabei der Datenschutz gewahrt bleibt und nicht jedes Auto gefilmt wird
Interview Andrea Scharpen
taz: Herr Pieper, warum kriegen die Leute es nicht hin, eine Rettungsgasse frei zu halten?
Hans Pieper: Das ist ein ganz großes Problem. Es scheint einfach im Bewusstsein der Leute nicht so verankert zu sein. Das ist genau das, wo wir hin müssen. Sobald es stockt und nicht erst, wenn man steht, muss eine Rettungsgasse gebildet werden. Die Regeln sind sogar vereinfacht worden: Egal wie viele Spuren die Autobahn hat, die die ganz links stehen, fahren ein Stück nach links, alle anderen nach rechts. Das ist einfach zu merken.
Mittlerweile hängt an fast jedem Brückengeländer ein Plakat mit der graphischen Darstellung einer Rettungsgasse. Kann man noch davon sprechen, dass die Autofahrer sie vergessen?
Das ist ein Prozess, der anscheinend noch länger dauert. Wir müssen nach wie vor viel tun, um die Wichtigkeit der Rettungsgasse präsent zu halten. Hoffentlich setzt es sich durch, dass das im Stau zur Selbstverständlichkeit wird.
Meinen Sie, dass die Ignoranz, eine Rettungsgasse zu bilden, ein Ausdruck dafür ist, dass den Leuten ihre Mitmenschen egal sind?
Das ist schwer zu pauschalisieren. Es ist so, dass viele vielleicht einfach nicht darüber nachdenken, was es für andere Leute heißt, wenn der Rettungswagen nicht durchkommt. Da geht es zum Teil um Sekunden, um Leben und Tod. Da müssen die Rettungskräfte schnell durchkommen. Das muss man sich bewusst machen.
Klappt es durch die vielen Kampagnen für Rettungsgassen denn schon besser?
Es gibt immer mal wieder Feuerwehren, die posten: „Hier, perfekte Rettungsgasse.“ Es gibt aber auch sehr viele Berichte, die zeigen, dass es wieder nicht geklappt hat. Also man findet für beide Fälle Beispiele.
Man kann also noch nicht von einer wirklichen Verbesserung sprechen?
Von dem, was man mitbekommt, sind die Fälle, in denen es nicht klappt, noch in der Überzahl. Die Frage ist aber, ob Fälle, in denen es geklappt hat, in die Medien kommen.
Warum fahren die Rettungskräfte nicht auf dem Seitenstreifen?
Die Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion fordert, dass in Polizeiautos Dashcams installiert werden, um Rettungsgassenverweigerer zu filmen.
Dashcams sind kleine Kameras, die am Armaturenbrett oder der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs angebracht sind.
In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits ein solches Pilotprojekt.
Laut der Polizei ist in Hamburg so etwas nicht geplant. Viele Wagen seien schon mit Dashcams ausgestattet. Diese könnten bereits eingeschaltet werden, um Rettungsgassenverstöße zu dokumentieren.
Am 15. Mai will der Bundesgerichtshof entscheiden, ob auch private Dashcam-Aufnahmen aus Autos als Beweis vor Gericht zulässig sind.
Das ist der Pannenstreifen. Der kann auch blockiert sein und es ist deshalb keine ideale Lösung, da vorbei zu ziehen. Dafür ist die Rettungsgasse da.
Die CDU in Hamburg hat vorgeschlagen, auf ein Pilotprojekt mit Dashcams im Streifenwagen zu setzen (siehe Kasten), um Verkehrssünder zu erwischen. Was halten Sie davon?
Es gibt einen solchen Pilotversuch in Nordrhein-Westfalen. Der Polizei dort geht es darum, richtig renitente Rettungsgassenverweigerer zu erfassen. Die Kamera wird eingeschaltet, wenn jemand die Rettungsgasse blockiert und es zu einer großen Behinderung kommt.
Es wird also nicht jedes Fahrzeug im Stau gefilmt?
Nein, nur die, die wirklich im Weg stehen und der Polizei keinen Platz machen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Man sollte aber natürlich nicht ohne Anlass wie wild alle filmen.
Warum sollte die Polizei nicht schon bei der Fahrt durch den Stau filmen? Auch wenn der Streifenwagen nicht komplett zum Stehen kommt, kann er ja behindert werden.
Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, wenn die Polizei dort durch fährt und anschließend 4.000 Fahrzeuge anzeigt. Außerdem kommen wir ziemlich zügig in einen Bereich, wo es auch datenschutztechnisch sensibel wird, wenn die Polizei alle Autos erfasst, die da unterwegs sind. Da ist es schon richtig, speziell auf die zu gehen, die richtige Rettungsgassenverweigerer sind.
Welche Strafe droht solchen Blockierern?
Hans Pieper 29, ist ein Sprecher des ADAC Hansa in Hamburg. Er hat selbst kein Auto, sondern nutzt Carsharing.
Die Gebühren sind erst kürzlich erhöht worden. Wir sind jetzt bei 200 Euro und zwei Punkten in Flensburg, wenn die Rettungsgasse nicht gebildet, aber die Polizei nicht behindert wird. Und es geht dann weiter nach oben bis zum Fahrverbot und 320 Euro.
Wann zieht die Polizei den Führerschein ein?
Wenn gleichzeitig noch eine Gefährdung vorliegt. Also: Der Autofahrer steht nicht nur im Weg, sondern macht zum Beispiel auch noch die Tür auf.
Würden Sie sich von anderen Bundesländern wünschen, dass sie beim Thema Dashcams nachziehen?
Es ist gut, erst einmal zu gucken, wie der Pilotversuch in NRW läuft. Es ist wichtig, dass die Polizei die Verhältnismäßigkeit und den Datenschutz ernst nimmt. Es ist nur ein kurzer Schritt zur gesamten Verkehrsüberwachung.
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