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geht’s noch?Zu viel Watte im Ohr

Nachdem die Feuilletons eine Woche lang darüber diskutierten, wie antisemitisch die Texte von Kollegah und Farid Bang sind, beendet das Label BMG die Zusammenarbeit mit den Musikern

In diesem Land müssen in den vergangenen Jahren sehr viele Menschen mit Watte in den Ohren herumgelaufen sein. Und jetzt, da die Rapper Kollegah und Farid Bang einen Echo gewonnen haben, ist die Watte plötzlich draußen. Frischweg hören alle die antisemitischen Schmähungen in den Songs und wissen genauso jäh, was sich gehört und was nicht. Dass sich etwa Textzeilen wie „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ nicht gehören. Und nachdem es nur genug Kolleg*innen vormachen, gibt man dann auch wohlfeil seinen Echo zurück. Wusste man ja vorher alles nicht.

Jetzt hat auch noch das Musik­unternehmen BMG, das mit dem ­Echo-prämierten Album „Jung Brutal Gutaussehend 3“ von Kollegah und Farid Bang das erfolgreichste Debüt des Jahres präsentierte und damit zum größten Plattenlabel Deutschlands aufgestiegen war, die Zusammenarbeit mit den beiden Rappern vorerst gestoppt. Ja, hat denn da auch all die Watte in den Ohren verhindert, dass die Verantwortlichen sich die Musik, die sie da fröhlich vor sich hin vermarkten, zuvor mal angehört haben? Oder waren es vielmehr die kleinen Eurozeichen in den Augen, die dafür gesorgt hatten, dass besagte Textstellen jedes Mal geflissentlich überhört wurden? Ist Antisemitismus so lange „Kunst“, wie er Geld bringt, und, wenn der Wind sich dreht, flugs zu verurteilen?

Denn natürlich sind die meisten Menschen in den vergangenen Jahren nicht mit Watte in den Ohren herumspaziert. Und haben schon früher wahrgenommen, dass es Teile des deutschen Rap gibt, die menschenverachtend, frauenfeindlich und eben antisemitisch sind. Denen mag etwa Kollegahs Musikvideo „Apokalypse“ schon einmal aufgefallen sein, ein 13-minütiges Epos über den Widerstreit zwischen Gut und Böse, dessen Entscheidungsschlacht auf dem Tempelberg in Ostjerusalem stattfindet. Kollegahs Gegenspieler ist ein Teufel mit Brüsten, Hörnern und einem Pentagramm auf der Stirn, das dem Davidstern sehr ähnelt. Der Stellvertreter dieses Teufels trägt einen Davidstern am Ring. Die zum Teil uralten, zum Teil an den Nahostkonflikt angelehnten antisemitischen Narrative sind dabei sowohl an Unwissen als auch an Dämlichkeit kaum zu überbieten. Das Geld, das diese eingebracht haben, haben sich trotzdem alle gerne eingesteckt. Auch BMG wird das Geld, das es mit den beiden verdient hat, wohl kaum zurückgeben. Stattdessen aber will man jetzt ein Projekt gegen den Antisemitismus anstoßen, den man selbst nur zu gerne vermarktet hat. Hanna Voß

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