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Die WahrheitVom Verlassen des eigenen Leibes

Kolumne
von Eugen Egner

Hinter den finsteren Bildern in der Wohnung eines irren alten Radiobastlers wohnen geheimnisvolle Wissenschaftler mit einzigartigen Fähigkeiten.

I ch musste dringend etwas mit einem irren alten Radiobastler besprechen. In seiner Wohnung waren etwa ein Dutzend Menschen versammelt, nur ihn selbst traf ich nicht an. Er sei irgendwo im hinteren Teil der Wohnung, um Potenziometer auszutauschen, hieß es. Einstweilen bat man mich zu Tisch. Ich redete pflichtschuldigst dummes Zeug.

Alle Anwesenden waren mir fremd, und sie schienen noch dümmer daherzureden als ich. Jemand sagte immerzu „Spule“ statt „Gerät“ und gab vor zu wissen, wie es früher beim Rundfunk gewesen sei: „Man musste alles auf Band schneiden und auseinanderkleben.“

Daher stand ich auf, um den hinteren Wohnungsteil zu erkunden. Die Räume waren dämmrig, und an den Wänden hingen große, finstere Bilder. Ich vermochte nicht zu erkennen, was sie darstellten, fand sie aber unheimlich und bedrückend. Die hingegen recht kleinen Fenster waren von auffallend altertümlicher Bauart. Als ich eines öffnete und den Kopf hinausstreckte, blickte ich mitnichten ins Freie, sondern in eine große, dunkle Fabrikationshalle. In der Tiefe, gut zwei Stockwerke unter meinem Standort, dehnte sich eine Wasserfläche aus. Die Halle war mannshoch mit trübem Wasser gefüllt. Das wollte ich nicht sehen.

Beim Schließen des Fensters löste sich zu meinem Schreck der hölzerne Griff und verblieb in meiner Hand. Mein Schuldbewusstsein drängte mich, dem Wohnungsinhaber umgehend den Schaden zu melden. Ich hoffte, meine Haftpflichtversicherung würde die Reparaturkosten übernehmen. Wie von meiner Schuld angezogen, materialisierte sich im nächsten Moment der irre alte Radiobastler vor mir. Doch anstatt von der Sachbeschädigung zu sprechen, verlangte ich voller Ungeduld: „Bringen Sie mir eine Technik zum Verlassen meines Körpers bei!“ – „Nein“, erwiderte der irre alte Radiobastler, „es wäre besser, wenn das die Wissenschaftler täten, die in dem Geheimlabor hinter diesem Bild leben.“ Er klopfte an eins der großen, finsteren Bilder, und heraus kamen die Wissenschaftler.

Sie sprachen anschaulich von Körperintegritätsidentität, Verkörperung und Körperbild sowie davon, dass alles nur schnöder Schwindel sei. Später konnte ich mich von der Richtigkeit dieser These überzeugen, zunächst aber erlernte ich die willentliche Blutdrucksenkung und alles, was zum Ausfahren aus dem eigenen Leib erforderlich ist. Es kann nicht allzu schwer gewesen sein, denn schon bald spürte ich, wie mein Kopf an die Zimmerdecke stieß. Viel schwerer jedoch war, wie ich dann feststellen musste, die Rückkehr in meinen mir jetzt fremd erscheinenden Körper.

Tatsächlich habe ich nie zurückgefunden, und ein von dem Radiobastler gebauter, mir recht ähnlicher Doppelgänger musste schließlich meine Rolle in der Welt übernehmen. Der war dann auch so freundlich, sich diesen Text mittels Gedankenübertragung von mir diktieren zu lassen und für die Fensterreparatur aufzukommen.

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