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Katalanischer Protest für UnabhängigkeitDiese Front nimmt Form an

Der in Deutschland festgenommene Exregierungschef soll wieder ins Amt, fordern Unabhängigkeitsbefürworter. Und rufen zum Protest im April auf.

Viele Protestler wollen ihn zurück: Carles Puigdemont Foto: dpa

Barcelona taz | Das katalanische Parlament hat am Mittwoch in einer Resolution die „Freiheit der politischen Gefangenen“ gefordert. Außerdem verteidigt die Mehrheit der Abgeordneten das Recht des früheren katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont, erneut für das Amt zu kandidieren.

Der derzeit in Deutschland festgesetzte Puigdemont hatte im Februar erfolglos versucht, sich aus dem Brüsseler Exil ins Amt wählen zu lassen. Ermittlungsrichter Pablo Llarena am obersten Gerichtshof in Madrid hatte ihm aber nicht zusichern können, nach Spanien zurückzukommen, ohne inhaftiert zu werden. Puigdemont wird „Rebellion“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ vorgeworfen. Insgesamt drohen ihm in Spanien 38 Jahre Haft.

Die Resolution wurde mit den Stimmen der drei Unabhängigkeitsparteien, „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCAT) von Puigdemont, der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) des inhaftierten Exvizeregierungschefs Oriol Junqueras und der antikapitalistischen CUP angenommen. Das Parlament diskutierte auch einen Antrag der rechtsliberalen Ciudadanos, den Parlamentspräsidenten Roger Torrent zum Rücktritt aufzufordern, da er sein Amt nicht neutral ausführe. Die Mehrheit stimmte dagegen. Der aus den Reihen der ERC stammende Torrent hatte in zwei institutionellen Ansprachen Politik und Zivilgesellschaft aufgefordert, „eine gemeinsame Front zur Verteidigung der Demokratie und der Grundrechte“ gegen das Vorgehen der Zentralregierung in Madrid zu bilden.

Diese Front nimmt Form an. Zehn Organisationen und Verbände aus der katalanischen Zivilgesellschaft, darunter die Kulturvereinigung Òmnium, die Katalanische Nationalversammlung (ANC) sowie die beiden großen spanischen Gewerkschaften UGT und CCOO haben den „Raum für Demokratie und Zusammenleben“ gegründet. Dieser ruft für den 15. April zu einer Großdemonstration in Barcelona auf.

Am Protesttag sitzen die beiden ersten Verhafteten, der ehemalige ANC-Vorsitzende Jordi Sànchez und der ehemalige Òmnium-Chef Jordi Cuixart, genau sechs Monate hinter Gittern. Ihnen wird wegen der Vorbereitung und Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober ebenfalls „Rebellion“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ vorgeworfen.

Anklage wegen Rebellion sei „politische Verfolgung“

Sieben weitere Politiker wurden seither inhaftiert. Alle außer der Ex-CUP-Abgeordneten Anna Gabriel werden per Europäischem oder Internationalem Haftbefehl wegen der gleichen Anschuldigungen gesucht – darunter Puigdemont, der in Deutschland auf die Antwort zum spanischen Auslieferungsantrag wartet. Drei Exminister leben wie zuvor Puigdemont in Brüssel. Sie sind trotz Haftbefehls auf freiem Fuß, da die belgische Justiz für die Zeit des Auslieferungsverfahrens keine Fluchtgefahr sieht.

Die frühere katalanische Bildungsministerin Pontasí stellte sich in Edinburgh

Die ehemalige katalanische Bildungsministerin Clara Pontasí stellte sich am Mittwoch der Polizei in der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Ihr Anwalt Aamer Anwar erklärte, die Anklage wegen Rebellion sei „politische Verfolgung“: „Meine Mandantin glaubt nicht, dass die spanischen Gerichte für ihre Unabhängigkeit, die Menschenrechte oder Gerechtigkeit garantieren können.“

Damit steht sie nicht allein. Am Freitag akzeptierte der Menschenrechtsausschuss der UNO eine Beschwerde von Jordi Sànchez. Ihm hatte der Ermittlungsrichter in Madrid nicht erlaubt, die Haft zu verlassen, um im Parlament als katalanischer Regierungschef zu kandidieren. Der Ausschuss verlangt von Spanien die Wahrung der demokratischen Rechte von Sànchez. Am Dienstag akzeptierte die UNO eine ähnliche Klage von Puigdemont.

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6 Kommentare

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  • Nach der spanischen Verfassung liegt die Zuständigkeit für Fragen des Strafrechts ausschließlich bei der Zentralregierung. Die neue Resolution ist daher nur eins: Für die Tonne. Madrid tut gut daran, sich nicht auf diese Niveau herabzulassen und abzuwarten, ob das Regionalparlament in der Lage ist, bis Ende Mai einen Präsidenten zu wählen oder halt nicht.

    • @DiMa:

      meinen sie wirklich, es ist in ordnung fuer einen staat wie spanien menschen festzunehmen und bis jetzt SECHS MONATE einzusperren, weil sie eine wahl geplant haben? moechten sie das vorgehen der spanischen regierung in irgendeiner weise rechtfertigen?

      • @the real günni:

        Diese Leute haben nicht nur eine illegale Wahl geplant, da stehen eine ganze Reihe weitere Strafbestände im Raum.

        Du solltest dir genauer anschauen wen du hier eigentlich verteidigen wills.

        ETA-Fanboy Sanchez? Turull, Mitglied der 3%-Mafia um Pujol? Pontasí, die als Bildungsministerin mit fanatischem Eifer die spanische Sprache aus dem öffentlichen Schulsystem ausradiert hat, obwohl ca. 60% der Katalanen spanisch (castellano) als Umgangssprache bevorzugen? usw.

         

        Das illegale Referendum zur Unabhängigkeit am 1.10.17 diente den Separatisten lediglich dazu, Gewalt und Empörung zu provozieren um neue Unterstützer zu finden, auch International. Ein Referendum, dass von den Fananikern selbst organisiert und ausgezählt wird, ist eine Farce ohne Aussagekraft. Das bestätigen auch unabhängige Wahlexperten, es wurden nicht einmal Mindeststandarts einer demokratischen Wahl erfüllt. Man wollte vor allem Fotos und Videos.

        Die Separatisten stecken Millionen Euro in eine manipulative "Image-Kampagne", dazu gehören auch Fakenews.

        Der spanische Faschismus ist eine Sache des letzten Jahrhunderts, der katalanische Faschismus dafür sehr aktuell.

  • Auch der Blick in die katholische Geschichte kann helfen:

    "Während des dreizehn Jahre dauernden Erbfolgekriegs fällt die Stadt Barcelona nach einer Belagerungszeit von vierzehn Monaten am 11. September 1714 in die Hände der französischen Truppen. 30.000 Bewohner der Stadt fliehen ins Exil, um die 4.000 weitere werden deportiert oder hingerichtet. König Ludwig XIV. von Frankreich setzt seinen Enkel Philipp, Herzog von Anjou, auf den spanischen Thron. Er wird für drei Jahrzehnte König Philipp V. von Spanien, ist verantwortlich für die Abscha ung der katalanischen Kultur und Institutionen. Er verbietet die katalanische Sprache. Der 11. September wird später katalanischer Nationalfeiertag, Diada genannt."

     

    Heute ist Katalonien eine kreative und erfolgreiche Republik. Es lohnt sich hinzuschauen! Digitalisierung und 3D Drucken wird schon lange praktiziert. Da kann ich neidisch nur aus dem Fenster schauen und der Deutschen Bundespost beim Vergraben der "Schnellen Kabel" zusehen.

  • Die Krise ist schon alt! Sie stammt aus dem Spanischen Erbfolge Krieg bei dem 1714 untergegangen ist. Seit der Zeit leiden die Katalanen unter der Besetzung durch Spanien. Die Ruinen des alten Barcelona liegen unter der Markthalle.

    Das wird seit 300 Jahren erinnert: https://www.histo-couch.de/albert-sanchez-pinol-der-untergang-barcelonas.html

    In Katalonien wurde der Stierkampf abgeschaut während in Kastilien dem Stier heute noch die Hoden abschneiden. Das ist der kleine Unterschied der Kulturen bis heute.

     

    Um diese kastilische Kultur zu bewahren hat General Franco vor seinem Tod den spanischen König eingesetzt und den § 155 in die Verfassung eingebracht:

    Verfassung des Königreiches Spanien

    vom 29. Dezember 1978

     

    "Art. 155. (1) Wenn eine Autonome Gemeinschaft die ihr von der Verfassung oder anderen Gesetzen auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt oder so handelt, daß ihr Verhalten einen schweren Verstoß gegen die allgemeinen Interessen Spaniens darstellt, so kann die Regierung nach vorheriger Aufforderung an den Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft und, im Falle von deren Nichtbefolgung, mit der Billigung der absoluten Mehrheit des Senats die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Gemeinschaft zur zwangsweisen Erfüllung dieser Verpflichtungen anzuhalten oder um das erwähnte Interesse der Allgemeinheit zu schützen.

    (2) Zur Durchführung der in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen kann die Regierung allen Behörden der Autonomen Gemeinschaften Weisungen erteilen."

    Das liest sich nicht sehr demokratisch?

    • @Peter Meisel:

      Sie übersehen, dass Katalonien viel früher zur spanischen Krone kam und dass die Bürger Kataloniens nach dem Ende des Franco Regimes mit großer Wahlbeteiligung und weit überwiegender Mehrheit im Rahmen einer freien Volksabstimmung für eben jene Verfassung gestimmt hat.

       

      Katalonien ist demnach seit mehr als 500 Jahren ein Teil Spaniens.