Proteste in Barcelona und Pamplona: Solidaritätsdemos für Gefangene
Zehntausende gehen für die Freilassung politischer Gefangener auf die Straße. Es sind nicht nur Befürworter einer katalanischen Unabhängigkkeit.
MADRID taz | „Wir wollen sie zu Hause“ war das Motto einer Großdemonstration am Sonntag in Barcelona. Die Demonstranten schwenkten Fahnen der katalanischen Unabhängigkeit und trugen gelbe Schleifen am Revers. Diese sind Zeichen der Bewegung für die „Freilassung der politischen Gefangenen“ und die „Heimkehr der Exilierten“. Laut Stadtpolizei demonstrierten 315.000 Menschen, laut Veranstaltern 750.000.
Der Marsch fand genau sechs Monate nach der Inhaftierung der Vorsitzenden der Bürgerbewegung für die Unabhängigkeit (Katalanische Nationalversammlung – ANC), Jordi Sànchez, und der Kulturvereinigung Òmnium, Jordi Cuixart, statt. Sie waren kurz nach dem von Madrid verbotenen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 wegen Rebellion in Untersuchungshaft genommen worden.
Mittlerweile sitzen sieben weitere Angeklagte in U-Haft. Sie gehörten zur Regierung des flüchtigen Carles Puigdemont, der in Deutschland darauf wartet, ob er nach Spanien ausgeliefert wird.
Sechs weitere Politiker setzten sich nach Belgien, Schottland und in die Schweiz ab. Auch sie werden zu Hause der Rebellion, der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder des Ungehorsams beschuldigt.
Aufruf von lagerübergreifendem Bündnis
Zur Demo hatte das lagerübergreifende Bündnis „Raum für Demokratie und Zusammenleben“ aufgerufen. Neben ANC, Òmnium und den Parteien, die für die Unabhängigkeit sind, gehören auch Organisationen dazu, welche die Unabhängigkeit ablehnen, wie die linksalternative Catalunya en Comú um Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau oder die beiden großen spanischen Gewerkschaften, die postkommunistische CCOO und die sozialistische UGT.
„Politische Probleme müssen auf politischer Ebene durch Dialog und Verhandlungen gelöst werden“, heißt es im Manifest, das am Ende der Demonstration verlesen wurde. Es gehe um die „einheitliche Verteidigung der katalanischen Institutionen und das Recht der Katalanen, über ihre Zukunft zu entscheiden“. Madrid setzte die Regierung Kataloniens Ende Oktober ab. Die Region steht seither unter Zwangsverwaltung.
Bei den Gewerkschaften stieß der Demoaufruf aber teilweise auf Unmut. Einzelne Fach-, Orts- und Landesverbände sehen darin eine Unterordnung ihrer Gewerkschaften unter den Nationalismus in Katalonien.
„In Madrid arbeiten wir nur für die Verteidigung der Rechte der Arbeiter und nicht für politische Ziele. (…) Wir sind gegen die Benutzung unserer Initialen für territoriale politische Fragen“, heißt es in einem Kommuniqué des hauptstädtischen Landesverbandes der UGT. Vereinzelt kam es zu Austritten.
Bereits am Samstag hatten im nordspanischen Pamplona 60.000 Menschen unter dem Motto „Nach Hause“ demonstriert. Hier ging es um drei junge Männer, die seit über 500 Tagen in U-Haft sitzen. Zusammen mit fünf weiteren, die nach elf Monaten freigelassen worden waren, werden sie ab Montag wegen Terrorismus vor der Audiencia Nacional in Madrid stehen.
Die Angeklagten hatten sich in einem Dorf im baskischen Teil der Provinz Navarra beim Dorffest mit zwei Beamten der paramilitärischen Guardia Civil geprügelt. Die Beamten waren außer Dienst und hatten laut Augenzeugen provoziert. Den acht Angeklagten drohen 12 bis 62 Jahre Haft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins