piwik no script img

Neuer AntisemitismusbeauftragterDer Mann mit dem „zweiten Blick“

Erstmals soll es einen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung geben. Felix Klein gilt als der aussichtsreichste Kandidat.

Pragmatisch, optimistisch und zukunftsfroh – so beschreibt sich Klein selbst Foto: imago

Felix Klein ist mit der Gedankenwelt von Minderheiten vertraut. Er nennt das den „zweiten Blick“. Er ist zwar in Darmstadt geboren, stammt aber aus einer siebenbürgischen Familie. „Wenn etwas in der rumänischen Politik passiert ist“, erzählt Klein, „hat sich meine Familie immer gefragt: Was bedeutet das für uns Siebenbürger Sachsen?“

Diesen zweiten Blick haben auch jüdische Menschen in Deutschland, sagt er. Klein hat gerne das Amt des Sonderbeauftragten für Beziehungen zu jüdischen Organisationen und Antisemitismusfragen im Auswärtigen Amt angenommen, als es ihm 2014 angeboten wurde. Seit Kurzem gilt er auch als der aussichtsreichste Kandidat für die neugeschaffene Stelle des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, die es in der kommenden Legislaturperiode geben soll. Der Zentralrat der Juden hat Klein vorgeschlagen.

Dass es einen solche Beauftragten geben soll, wurde im Januar von Union, FDP, SPD und den Grünen im Bundestag gemeinsam beschlossen. Er soll vor allem die Zusammenarbeit zwischen Politik, jüdischen Organisationen und anderen Vereinen verbessern. Und schließlich die Maßnahmen koordinieren, die nötig sind, um Antisemitismus zu bekämpfen. Klein nimmt die Situation von Juden in Deutschland als bedrohlich wahr. Er berichtet, dass Juden in Deutschland verstärkt Angst haben, als solche erkennbar zu sein. „Das ist inakzeptabel.“ Wer sich antisemitisch äußert oder Juden angreift, der begebe sich außerhalb des gesellschaftlichen Konsens. „Der Staat darf das nicht hinnehmen, da müssen Konsequenzen folgen.“

Schutz für jüdische Schüler

Felix Klein ist ein Karrierediplomat. Er musste sich oft in neue Bereiche einarbeiten. Er war in der Presseabteilung der deutschen Botschaft in Kamerun tätig, später war er stellvertretender Leiter des Generalkonsulats in Mailand. Seit März 2014 ist sein Arbeitsplatz im Auswärtigen Amt in Berlin.

Wenn Klein wirklich Antisemitismusbeauftragter werden würde, würde er sich gerne als Erstes mit der Erfassung der antisemitischen Delikte beschäftigen, sagt er. „Nach der jetzigen Kriminalstatistik haben antisemitische Straftaten zu 90 Prozent einen rechtsradikalen Hintergrund. Von Betroffenen und jüdischen Organisationen weiß ich, dass die Bedrohungslage anders wahrgenommen wird.“ Auch dass antisemitische Propagandadelikte ohne klar erkennbare Täter in der Regel als rechtsradikal eingestuft werden, deute auf statistische Verzerrungen hin. „Dem würde ich gerne auf den Grund gehen – und für eine bessere Kategorisierung der Straftaten sorgen. Auch in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium.“

Einen anderen Schwerpunkt würde er gerne im Bereich Schule und Erziehung setzen. Er möchte jüdische Schüler schützen, die gemobbt werden. „Man muss das maßgeschneidert machen. In Berlin sieht es anders aus als in den anderen östlichen Bundesländern. Aber in Zusammenarbeit mit den Bundesländern kann man sich überlegen, wie man das am besten angeht.“ Seine Hauptaufgabe sähe er aber darin, Akteure zu vernetzen, Kirchen, Vereine, und mit ihnen Strategien gegen Antisemitismus zu entwickeln. „Durch Koordinierung ist ein viel besseres Ergebnis möglich als durch die Summe aller Teile.“

Felix Klein ist ein besonnener, unauffälliger, höflicher Mann. Er hat das mit der Diplomatie verinnerlicht. Fragt man ihn nach drei Attributen, die ihn beschreiben, sagt er: „Pragmatisch, optimistisch und zukunftsfroh.“ Er hat bisher noch keinen Anruf der Bundesregierung erhalten, sagt er, aber es könnte in den nächsten ­Tagen passieren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Ich finde den Einsatz eines Antisemitismusbeauftragten nicht gut und auch nicht zielführend. Einen Beauftragten zur Bekämpfung und Eindämmung von Rassismus wäre im staatswohle gewesen. So ist es eine Extrabehandlung einer sehr kleinen Minderheit in unserem Land. Mir erschließt sich das nicht, weshalb ein jüdischer Mitbürger z.B. gegenüber einem muslimischen Mitbürger bevorzugt behandelt werden muss. Wenn ich überspitzt fragen darf, brennen den die Synagogen anderes als die Moscheen?

    • @Nico Frank:

      Wenn ich den Artikel und die Statistik richtig verstehe, geht es mittlerweile eher darum, den jüdischen Mitbürger vor dem muslimischen zu schützen und nicht ihn gegenüber dem Letztgenannten zu bevorzugen. Synagogen brennen nicht anders, aber hier hat man in Deutschland bislang viel Erfahrung sammeln können.

  • Ich hätte ja lieber einen Antirassimusbeauftragten gehabt oder einen Minderheitenbeauftragten. Aber der Neue fängt gar nicht so schlecht an: "Er berichtet, dass Juden in Deutschland verstärkt Angst haben, als solche erkennbar zu sein. „Das ist inakzeptabel“. Finde ich auch und hatte schon vor Tagen beschlossen, mir eine Kippa zu besorgen und die Propbe aufs Exempel zu machen. Dann aber sagt der Neue, was der Staat nicht hinnehmen darf bzw. wann Konsequenzen folgen müssen: "Wer sich antisemitisch äußert oder Juden angreift, der begebe sich außerhalb des gesellschaftlichen Konsens". Finde ich auch, was den zweiten Teil dieser Aussage betrifft. Aber: "wer sich antisemitisch äußert" ist durch die von der Bundesregierung beschlossene Antisemitismusdefinition ein weites Begriffs-Feld geworden. Darunter können antizionistische Äußerungen ebenso fallen wie antiisraelische, insbesondere wenn sie sich gegen die Okkupation des Westjordanlandes oder die Isolierung und Bombardierung von Gaza richten. Soll dies ernsthaft zur Aufgabe eines Antisemitismusbeauftragten gehören? Dann sollte man auf diese Institution besser verzichten.

    • @Johannes Feest:

      Sehr schön! Erst haben Sie sich mit Ihrem Plan, eine Kippa zu tragen, quasi zum Juden erklärt und außerhalb der Kritik gestellt. Um dann im zweiten Schritt auf einen Antisemitismusbeauftragten zu verzichten, da dadurch antizionistische Kritik behindert wird. Also dann doch lieber Antisemitismus dulden um Antizionismus zu schützen? Dass die Haftbarmachung der Juden für Israels Politik sowie die pathologische Fokusierung auf Israel doch nur die andere Seite der Antisemitismusmedalie ist, kehren Sie damit unter den Tepich.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Simon_W:

        Wenn in Deutschland irgendwas pathologisch ist, dann die Samthandschuhe, mit der die israelische Regierung angefasst wird. Ist ja kein Wunder, wenn die Sicherheit Israels Staatsräson ist statt die Einhaltung der Menschenrechte, die man umso mehr einfordern muss, je verbündeter man mit einem Staat ist.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @849 (Profil gelöscht):

          In dem Artikel wird mit keinem Wort Israel erwähnt. Aber der flotte Antizionist kann halt nicht anders.

           

          Und das der vorherige Außenminister Israel mehrmals als "Apartheidstaat" bezeichnet hat, was genauso dumm wie falsch ist, sind das diese "Samthandschuhe?"

           

          Die drittgrößte Fraktion in Knesset ist übrigens die "Vereinigte Liste". Sie besteht aus drei arabischen Parteien. Also alles genauso wie in Südafrika.

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @Johannes Feest:

      Sie wollen sich eine Kippa aufsetzen? Ich rate dringend zur Vorsicht.

      Ich werde aufgrund meines Aussehens nicht nur von dem rechten Gesindel angepöbelt sondern vermehrt auch von Türken und Arabern.

      Die türkische Familie, die in der Nachbarschaft wohnt, traut sich jetzt auch.

      Sie beschuldigen uns in unserer Wohnung Tiere zu schlachten und eigenartige Gebräuche zu pflegen.

      Das Klima wird rauher. Ich kann Sie nur warnen.

  • „Nach der jetzigen Kriminalstatistik haben antisemitische Straftaten zu 90 Prozent einen rechtsradikalen Hintergrund. Von Betroffenen und jüdischen Organisationen weiß ich, dass die Bedrohungslage anders wahrgenommen wird.“ Hui, soviel Realitätsorientierung ist aber schon an der Grenze zum Rechtspopulismus!

    • @WoogsRenegat:

      Die Kritik an der Polizeistatistik ist berechtigt. So wurde bislang ein Hitlergruß bei einer salafistischen Demonstration von den Beamten als rechtsextremistisch eingestuft - einfach, weil es ihnen so beigebracht wurde. Das hat nun nichts, aber rein gar nichts mit "Rechtspopolismus" zu tun.