Kommentar Saakaschwili: Abschiebung nach Gangsterart

Der ukrainische Präsident lässt den georgischen Politiker abschieben wie einen Drogenboss. Damit beschädigt er das Ansehen seines Landes.

Ein Mann hebt die Hand

Musste nach Polen weiter: Michail Saakaschwili (Archivbild) Foto: dpa

Wer nicht weiß, dass die Videosequenzen der Festnahme von Michail Saakaschwili durch maskierte Uniformierte in einem Kiewer Restaurant aufgenommen wurden, hätte leicht glauben können, hier gehe es um die Verhaftung eines Drogenbosses in Südamerika. Nicht einmal sein Mittagessen durfte der ehemalige georgische Präsident noch bezahlen.

Mit seiner Abschiebung nach Warschau, die nur wenige Stunden nach der Festnahme in Kiew erfolgte, verliert der ukrainische Präsident Poroschenko weitere Kräfte, die ihn unterstützt oder zumindest geduldet haben. Noch nie hatte der Abgeordnete Mustafa Najem vom „Block Poroschenko“ seinen Präsidenten so vernichtend kritisiert wie nach der gestrigen Abschiebung von Michail Saakaschwili.

Auch außenpolitisch dürfte der Fall Saakaschwili das Ansehen von Poroschenko weiter beschädigen. Das Umgehen mit Saakaschwili zeigt die Beliebigkeit von rechtsstaatlichem Verhalten in der Ukraine. Man kann einem Weggefährten die ukrainische Staatsbürgerschaft einfach mal schenken. Und man kann sie ihm genauso schnell wieder entziehen und ihn außer Landes schaffen, wenn er sich politisch nicht wie gewünscht verhält.

Denken an die Zeit nach Poroschenko

Angst vor mittelfristigen negativen Folgen scheint man im Team Poroschenko nicht zu kennen. Dort denkt man anscheinend nicht mehr in Wochen, allenfalls in Tagen. Zunächst einmal geht es darum, den Sonntag politisch zu überleben. Denn dann ist eine große Demonstration von Saakaschwilis Anhängern angekündigt. Und es ist nicht auszuschließen, dass den Machthabern dabei die Kontrolle entgleiten wird. Saakaschwili war im Dezember nach einer Festnahme spektakulär von Demonstranten aus einem Gefangentransporter in Kiew befreit worden.

Saakaschwili ist ein scharfer Kritiker Poroschenkos. Die ukrainische Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, regierungsfeindliche Proteste mit finanzieller Unterstützung aus dem Umfeld des geflohenen Präsidenten Viktor Janukowitsch zu organisieren.

Im politischen Kiew denkt man bereits an die Zeit nach Poroschenko. Nationalisten und bürgerliche Opposition stehen gleichermaßen in den Startlöchern. Andere Alternativen gibt es nicht. Und auch vor diesem Hintergrund ist eine Rückkehr von Saakaschwili wünschenswert. Man sollte nicht den Nationalisten das Feld überlassen. Es ist im Interesse einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ukraine, dass sich Saakaschwili am politischen Prozess beteiligen darf.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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