Identitäre arbeitet für AfD-Fraktion: Zuarbeit von ganz rechts
Die niedersächsische AfD-Landtagsfraktion beschäftigt eine Anhängerin der rechtsextremen Identitären Bewegung. Die Fraktion stört sich an Nachfragen dazu.
Doch diese bunte Darbietung ist nicht etwa eine Touristenattraktion. Denn es sind Anhänger der „Identitären Bewegung“ (IB), die dieses traditionelle norddeutsche Liedgut samt Tanz vorführen. Veröffentlicht wurde das Video zwar schon vor gut eineinhalb Jahren, doch nun wird es wieder aktuell.
Denn eine der Tänzerinnen ist Hildburg Meyer-Sande: mittlerweile Mitarbeiterin in der niedersächsischen AfD-Landtagsfraktion. Über deren Personalie ist die Fraktion allerdings wenig auskunftsfreudig. Obwohl doch in der AfD ein Unvereinbarkeitsbeschluss zur rechtsextremen IB besteht.
Eine zweitägige Frist für ein Statement lässt die neunköpfige Fraktion ohne Reaktion gegenüber der taz verstreichen. Erst nach erneutem Nachfassen entschuldigt sich der Pressesprecher der Fraktion, Benjamin Günther, für das Ausbleiben einer Antwort. Zu dem Arbeitsverhältnis will er trotzdem nichts erklären, da dies einzig „eine Regelung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber“ sei und die Fraktion „die Privatsphäre seiner Mitarbeiter“ schütze.
„Unvereinbarkeitsliste“ unterschrieben
So bleibt unbeantwortet, ob die 30-jährige Meyer-Sande bei der Fraktion oder einem Abgeordneten angestellt ist oder welche Themen die ausgebildete Staudengärtnerin bearbeitet. Zu ihrer IB-Aktivität merkt Günther nur an, dass diese Nachfrage eine „Suggestiv-Frage“ sei: „Jeder Mitarbeiter unterschreibt unsere interne und umfangreiche Unvereinbarkeitsliste.“
Noch vor Ende der gesetzten Antwortfrist der taz kursierte beim NDR eine Presseerklärung der AfD zu dem „Beschäftigungsverhältnis unserer Mitarbeiter“. Darin heißt es: „Die AfD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag ist nicht verpflichtet, ihr Personal nach den Kriterien der Amadeu Antonio Stiftung auszurichten. Wir werden unser Personal nicht durch eine Stiftung prüfen lassen, deren Vorstandsvorsitzende eine Ex-Mitarbeiterin der Staatssicherheit ist.“
Benjamin Günther, AfD-Fraktion
Die angefeindete Stiftung richtet bundesweit Projekte gegen Rechtsextremismus und für Demokratie aus. Ihre Vorsitzende war von 1974 bis 1986 für die Stasi tätig, brach mit dem System und der Stasi – mit beruflichen Folgen. Die AfD-Fraktion in Hannover beschwert sich in der Pressemitteilung über Medienberichte, die einen „diffamierenden Eindruck über eine unsere Mitarbeiterinnen“ geweckt hätte.
In der Berichterstattung war jedoch das Beschäftigungsverhältnis bis dahin gar nicht erwähnt worden. Die Chance, die vermeintliche Diffamierung ihrer Mitarbeiterin Meyer-Sande zu entkräften, in dem ihr momentanes Verhältnis zur IB dargelegt wird, lässt die AfD ungenutzt.
In dem erwähnten Videoclip vom 25. September 2016 wird nicht bloß getanzt, sondern auch die zentrale Position gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes präsentiert. Hildburg Meyer-Sande hält mit anderen IBlern ein Transparent in die Kamera: „Wann ist es euch bunt genug?“ steht dort, grafisch dargestellt verwandelt sich Hamburg in eine muslimische Stadt.
Identitäre aus völkischen Familien
In der IB ist Hildburg Meyer-Sande nicht die einzige Frau aus einer völkischen Familie. Seit Jahren leben im Landkreis Uelzen, Lüneburg und Lüchow-Dannenberg Familien, die rechtes Gedankengut und Brauchtum pflegen.
Diese Familienbande hält auch der Verfassungsschutz in Hannover für problematisch. Die Ideologie würde quasi „vererbt“, die Kinder „indoktriniert“. „Hier drohen junge Leute für die Demokratie verloren zu gehen, weil sie sich nur in dieser Szene bewegen und das offenbar über mehrere Generationen schon“, warnte Verfassungsschutz-Chefin Maren Brandenburger unlängst.
Die AfD stört vielmehr die Nachfrage, warum Anhänger rechtsextremer Organisationen gut dotierte und von Steuerzahlern finanzierte Stellen erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“