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Kommentar Geklonte AffenbabysÜbler Vorgeschmack auf die Zukunft

Kommentar von Hilal Sezgin

Kürzlich sind geklonte Affenbabys zur Welt gekommen – zu einem hohen Preis: Den Tieren wird dafür großes Leid zugefügt. Zwei Babys starben.

Vorsicht, Niedlichkeitsfalle: Für das Klonen nach der Methode Dolly wird den Tieren viel Leid zugefügt Foto: dpa

J etzt haben sie also Affen geklont. Dazu wurden zunächst Affen in Gefangenschaft verschleppt, Affenmüttern hat man die Jungen weggenommen, und Affenbabys wuchsen ohne Mütter auf. Äffinnen wurden Hormone injiziert; einigen hat man Eizellen entnommen, anderen Embryonen eingesetzt. 42 „Leihmütter“ (eigentlich: Zwangsmütter) haben sechs Schwangerschaften austragen und vier Geburten durchstehen müssen; nur zwei Affenkinder haben überlebt.

Die an ihnen erprobte Technik soll den Grundstock bilden, um noch unzählige weitere Lebewesen „herzustellen“, die dann zwar genetisch identisch sind, aber dennoch individuell erleben und fühlen werden. Und sie werden immens leiden, jedes Einzelne von ihnen, darauf können wir und müssen sie Gift nehmen.

Dieses Gift wird man ihnen unter die Haut, ins Rückenmark oder in den Anus applizieren, man wird an ihnen Medikamente und Apparaturen testen, man wird ihnen Nerven kappen, Gliedmaßen amputieren und die Ausfälle einzelner Hirnregionen provozieren. Man wird ihre Schädel mit Bolzen in Affenstühlen fixieren, so wie jetzt schon nichtgeklonte Affen in Laboren rund um die Welt – nicht nur in China, auch in Deutschland – fixiert sind.

Werden bald Menschen geklont?

Danach wird man sie töten und sezieren, ebenso wie man derzeit auch schon Krebs-Mäuse und Knock-out-Mäuse züchtet, ihnen Schlaganfälle, Krebs, Schmerzen und Depressionen zufügt und sie danach tötet und seziert. All die Tiere übrigens, die zur „Herstellung“ der eigentlichen Versuchstiere herangezogen oder im Verlauf „produziert“ werden, tauchen in den Versuchstierstatistiken gar nicht erst auf: Millionen, Abermillionen Leben, kurz und unvorstellbar leidvoll.

Ja, es ist eine schreckliche Vorstellung für die Zukunft, dass ein Mensch einst geklont werden könnte. Aber ebenso schrecklich ist die Gegenwart, und sie findet mit breiter Billigung, oder zumindest mit breitem Schweigen, seit Jahrzehnten in der Gesellschaft bereits statt.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.
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3 Kommentare

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  • Immer mal wieder wird im Kino für die nähere oder fernere Zukunft die Ankunft von Aliens auf der Erde prognostiziert. Diese Aliens behandeln die Menschen meistens so, wie Menschen in diesem Text Versuchstiere behandeln. In (fast) allen Filmen treten daraufhin Helden – oft weiße Männer, weniger oft gemischte Teams aus (zum Teil farbigen) Männern und Frauen – ans Licht der Öffentlichkeit, die den ebenso entschlossenen wie blutigen Kampf gegen die Invasoren aufnehmen.

     

    Nach eineinhalb bis zweieinhalb Stunden sind etliche Helden dahin, die Aggressoren gesprengt, erschossen, erstochen, zerbombt und auf jede andere erdenkliche Art platt gemacht, die letzten Überlebenden einander erleichtert in die Arme gesunken und die Menschheit kann in in ihren angeblich friedlichen Alltag zurückkehren. Dazwischen war viel Popkorn, viel Cola, ein wenig Eis, perfekter Dolby-Surround-Sound und ein sehr, sehr langer Abspann mit ganz, ganz vielen Namen – einschließlich dem des Caterers und dem des Chauffeurs des Produzenten.

     

    Ich mag solche Filme nicht besonders. Ich habe in einer Zeit lesen gelernt, in Science-Fiction noch Utopie hieß und Hollywood viel weiter weg war als der nächste Bücherschrank. Ich will nicht nur bekannte Schauspieler in mehr oder weniger gelungenen Kostümen durch ein mehr oder weniger gelungene Bühnenbilder stolzieren sehen. Ich brauche keine an den Nerven zehrende Rundum-Beschallung und auch nicht das Gefühl, dass alles Böse aus der Welt verschwindet, wenn das Licht im Saal wieder an geht. Ich wünsche mir zur Abwechslung mal einen Film, der mir den Glauben an die Menschheit wiedergibt. Einen Glauben, den ich, so weit ich mich erinnere, bisher noch gar nicht hatte.

     

    Klar, das wird nicht ganz einfach werden für die Filmemacher angesichts solcher Wahrheiten wie Hilal Sezgin sie hier verkündet. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen im Kino. Ohne Träume, schließlich, würde die Menschheit heute noch auf Bäumen hocken – oder auch ohne Aliens längst ausgestorben sein.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...also bitte, wer dachte, die Wissenschaftler würden 'nur' Schafe klonen und sich dann um die wirklich wichtigen Sachen kümmern, wie z.B. dem Kampf gegen Krebs, Aids und andere Krankheiten, ist einfach nur naiv.

  • Eine gute und berechtigte Frage. Warum akzeptieren wir maßloses Tierleid von zum Teil hochentwickelten Säugetieren in Massentierhaltung und Tierversuchen? Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass diese Tiere, wie der Mensch auch, physisches und psychisches Leid empfinden können.

     

    Kann es sein dass wir das weder gutheißen noch schweigend zustimmen, sondern einfach nur hilflose Zuschauer eines Dramas sind? Wie bei so vielen neuzeitlichen Entwicklungen?

     

    Was tun gegen Massentierhaltung, Kükenschreddern und Tierversuchen, gegen eine internetgesteuerte allumfassende Überwachung des Einzelnen, gegen die Schaffung von künstlichen Intelligenzen die uns Millionen Jobs rauben werden, gegen eine sich im absurden Ausmaß weitende Schere zwischen arm und reich, gegen menschenverachtende politische Systeme die nur die Macht und den Reichtum einiger wenige berücksichtigen, gegen eine weitere exponentielle Ausbreitung des Menschen auf der Erde (wir verzeichnen bereits jetzt das größte Artensterben seit 65 Mio. Jahren - ausschließlich menschengemacht)? Was tun gegen die Verschmutzung der Luft und der Meere in einem Ausmaß, dass die Biosphäre im Ganzen gefährdet ist?

    Dem gegenüber stehen Parteien, die ihrerseits die Welt nicht mehr verstehen und keinerlei Zukunftsvisionen entwickeln können. Es wird einzig versucht das immerwährende Wachstum ja nicht abreißen zu lassn, da sonst das System kollabiert. Auch wenn jeder weiß, dass endloses Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht möglich ist.

     

    Ich für meinen Teil fühle mich da einfach überfordert.