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Aktivist veröffentlicht SenatsschreibenEine Peitsche für die Radler

Der Senat will eine Helmpflicht für fahrradfahrende Kinder und höhere Bußgelder für Velo-Vergehen. Aktivist Heinrich Strößenreuther geißelt das als reaktionär.

Werden demnächst Radfahrer bei fehlerhaften Verhalten stärker zur Kasse gebeten? Foto: dpa

Es dauert voraussichtlich noch Monate, bis das Berliner Mobilitätsgesetz, das deutliche Verbesserungen für RadfahrerInnen bringen soll, in Kraft tritt. Der vom Senat beschlossene Entwurf muss erst den parlamentarischen Prozess durchlaufen. Wie jetzt bekannt wurde, arbeitet die Landesregierung aber parallel daran, die Sanktionen für RadfahrerInnen zu verschärfen, wenn sie sich regelwidrig verhalten.

Das geht aus einem Schreiben des Chefs der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD), hervor, das der Fahrradaktivist Heinrich Strößenreuther auf seiner Website veröffentlicht hat. In dem Brief vom 19. 12., der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war und sich an die Senatsverwaltungen für Verkehr und Umwelt sowie für Inneres richtete, schlägt Böhning Folgendes vor: In eine bereits geplante Bundesratsinitiative Berlins für mehr Verkehrssicherheit solle das Land nicht nur eine Helmpflicht für Kinder aufnehmen, sondern auch die Erhöhung von Bußgeldern für Radfahrer, etwa wenn diese trotz benutzungspflichtigen Radwegs auf der Fahrbahn unterwegs sind.

Böhning fordert die angeschriebenen Senatsverwaltungen auf, ihre „Erfahrungen auf diesem Gebiet“ auszutauschen und sich über konkrete Vorschläge abzustimmen. Es komme zudem darauf an, so der Kanzleichef, „Verstöße von Radfahrenden auch besser ahnden zu können. Hierfür eignen sich nach meiner Ansicht insbesondere die Fahrradstreifen der Berliner Polizei“. Diese sollten in diesem Zusammenhang aufgestockt werden.

Aktivist Strößenreuther, der die treibende Kraft hinter dem „Volksentscheid Fahrrad“ war, bezeichnete den Vorstoß der Senatskanzlei am Freitag als „reaktionäre Verkehrspolitik“, die zeige, „wie wenig die SPD-Spitze von Mobilität und den Wünschen der Bevölkerung versteht“. Noch sei von den Versprechen des Mobilitätsgesetzes nichts realisiert worden – auch nicht die ohnehin von Rot-Rot-Grün beschlossene Ausweitung der polizeilichen Fahrradstaffeln. Erst wenn tatsächlich sichere Radwege zur Verfügung stünden, sei es legitim, „über andere Bußgelder für Radfahrer nachzudenken“.

Vielmehr müssten, so Strößenreuther, die Bußgelder für das Abstellen von Pkws auf Rad- und Gehwegen erhöht werden: „Falschparken muss abschreckend teuer sein, damit Fußgänger, Radfahrer, Bus- und Tram-Fahrgäste und Autofahrer weder behindert noch gefährdet werden.“ Die entsprechendVielen Bußgelder betrügen in Deutschland ein Bruchteil des EU-Niveaus.

Kritik kommt auch vom ADFC, insbesondere an der angedachten Helmpflicht: Die Helmtragequote bei Kindern liege jetzt schon bei rund 80 Prozent, hieß es aus dem Verband – das schütze im Gegensatz zu sicheren Radverkehrsanlagen aber nicht vor schweren Unfällen. “Dass aus der Senatskanzlei jetzt Forderungen kommen, die ausgerechnet den Schwächsten im Straßenverkehr, den Kindern, eine Mitschuld an Unfällen geben wollen, ist für den ADFC Berlin unverständlich,“ sagte Vorstandsmitglied Frank Masurat.

Der ADFC und Changing Cities e. V., der Trägerverein des Volksentscheids Fahrrad, machten Alternativvorschläge für eine Bundesratsinitiative – unter anderem zur verpflichtenden Einführung von Abbiegeassistenten und bodentiefen Seitenscheiben für Lastwagen. „Damit hätte in Berlin 2017 der Tod von fünf Radfahrer*innen verhindert werden können“, so Denis Petri von Changing Cities.

Senat beruft sich auf „Vison Zero“

Die Senatsverkehrsverwaltung nahm am Freitag nur schriftlich Stellung und bezog sich auf das im Mobilitätsgesetz verankerte Ziel einer „vison zero“, also eine maximale Reduzierung von Toten und Schwerverletzten im Verkehr. Um das zu erreichen, seien auch bundesgesetzliche Neuregelungen erforderlich und eine Bundesratsinitiative für mehr Sicherheit im Senat verabredet worden. „In diesem Zusammenhang gibt es bereits aus den Verwaltungen, den Fraktionen und der Stadtgesellschaft eine Reihe von Ideen“, hieß es lediglich. „Diese gilt es zu bewerten, um dann eine Vorlage für die Bundesratsinitiative in den Senat einzubringen.“

Senatorin Regine Günther setzte darüber hinaus einen Tweet zum Thema ab: „#Bundesratsinitiative #Verkehrssicherheit ist in Arbeit“, schrieb sie. „Viele Vorschläge gibt es bereits aus Verwaltung, Stadtgesellschaft und Fraktionen – und das ist gut so.“

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15 Kommentare

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  • Man sollte die Radfahrer auf dem Gehweg gnadenlos abkassieren. Genausop brutal wie unsere Krampfradler gerne andere abgezockt hätten. Aber ohne Kennzeichen riskiert man eine rotzfreche Klappe.

    Ich kann das wehleidige Geblöke nicht mehr hören. Benutzungspflichtige Radwege? Ihr seid doch zu blöde eine Fahrbahn von einem Gehweg zu unterscheiden. Wird Zeit für eine gebührenpflichtige Nachhilfe.

     

    Erwachsenen die sich mit Kinderspielzeug in den Straßenverkr stürzen fehlt die notwendige Reife.

  • Durch Stürze bedingte schwere Unfallfolgen wie Schädelbruch pp. erfordern geradezu eine Helmpflicht für alle Fahrradfahrer.

  • Fahrrad"helme" sind vor Allem anderen völlig unnötig.

    Die Wahrscheinlichkeit, beim Fahrradfahren rgend eine Art von Kopfverletzung zu erleiden, ist nicht größer, als beim Fußgehen, geringer, als z.b. beim Treppenbegehen und VIEL geringer, als beim Autofahren.

    Fahrrad"Helme" sind alles mögliche, aber gerade keine Helme.

    Die Schutzwirkung ist daher sowiso äußerst gering.

    Was vor allem deshalb wenig auffällt, weil eine solche Schutzwirkung, wegen des äußerst geringen Risikos für Kopfverletzungen sehr sehr selten jemals erfordrlich wird.

    Ja und in jenen seltenen Fällen hilft so ein Modeartikel dann eben auch nicht.

  • Da die SPD mit "Lösungsvorschlägen" für solche Pseudoprobleme kommt, signalisiert, dass sie ziemlich auf dem Zahnfleisch daherkommt.

    Als nächstes kommt dann Schutzblechpflicht für Rennräder, die Mitführungspflicht eines Ersatzschlauches und das Tragen eines Oberkörper- Schutzes für Fahrer von roten Fahrrädern, da diese ja bekanntlich die schnellsten sind.

  • Selbstverständlich ist es richtig, daß ALLE Verkehrsteilnehmer sich an die Regeln halten müssen und Verstöße auch sanktioniert werden!

    Und in Berlin gilt das besonders auch für Radfahrer, die nach wie vor auf ihrem buchstäblich hohen Roß zu sitzen scheinen - das schreibt die Lobby der Fußgänger und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel!

  • Radfahren ist ohne Zweifel das städtische Verkehrsmittel der Zukunft. Da sich aber die Zahl der Radfahrer, vor allem in den Ballungsgebieten, sehr stark steigern wird, ist Disziplin, auch zu deren eigenem Schutz, unabdingbar.

     

    Daher begrüße ich ein konsequentes Vorgehen gegen Regelverstöße und fordere:

     

    -Helmpflicht

    -Versicherungspflicht

    -Kennzeichnungspflicht

    -Verschärfung der Sanktionsandrohungen bis hin zur Freiheitsstrafe bei schweren Verstößen.

    -Bei eklatanten Verstößen ist das Fahrrad zu beschlagnahmen.

     

    Das mag reaktionär sein. Aber es ist richtig und notwendig. Wer sich an Regeln nicht halten will, muss mit allen Mitteln dazu gezwungen werden.

    • @sepptember:

      Und wie soll das praktisch gehandhabt werden? Fahrräder sind DAS Verkehrmittel Minderjähriger. Wenn ein Kind sich das Fahrrad eines anderen Kindes leiht und selbst keine Radfahrerversicherung hat, sind die Eltern dann lebenslang dran, weil die Haftpflicht nichts übernimmt?

      Und warum eigentlich nur für Fahrräder, warum nicht auch für Roller, Rollschuhe und Seifenkisten?

      - Helmpflicht: Kann man drüber reden

      - Versicherungspflicht: Aus obengenanntem Grund wäre das für viele tendenziell eine Katastrophe

      - Kennzeichnungspflicht: Wie man bei einem Fahrrad ein von allen Verkehrsteilnehmern von vorne und hinten gut lesbares Kennzeichen anbringen soll, ist mir schleierhaft.

      - Schärfere Sanktionen: Für was denn eigentlich? Freiheitsstrafe beim Fahren entgegen der Fahrtrichtung? Wer andere Verkehrsteilnehmer umnietet, kann heute schon strafrechtliche Probleme haben.

      - Fahrradbeschlagnahme: Kann man machen, aber was soll das bringen? Anders als Autos sind Fahrräder schnell ersetzt, man kriegt gebrauchte für ein Taschengeld.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Frida Gold:

        ...zur Kennzeichnungspflicht: Schon mal was von Krafträdern, auch genannt Motorräder, gehört? Selbst bei Pferden funktioniert die Kennzeichnungspflicht, warum also nicht bei Fahrrädern?!

  • Naja, soo schlimm ist die Helmpflicht nicht. Anstelle für Bußgelder für Fahren auf der Fahrbahn, wäre ich für Bußgelder für Fahren auf dem Fußgängerweg.

    • @J_CGN:

      Vor Bußgeldern müsste erst einmal das Vorankommen von Radfahrern geregelt werden. Ich gebe mir wirklich sehr viel Mühe, regelkonform zu fahren, aber manchmal ist das schlicht nicht möglich, wenn man Radfahrer sein möchte und nicht Fußgänger. Beim Slalom durch zugeparkte enge Straßen mit Gegenverkehr und drängelnden Autos hinter einem gibt es nur noch den Fußweg als Alternative. Da fahre ich dann langsam und gebe Fußgängern absoluten Vorrang, aber wenn ich 1 km schieben würde, könnte ich auch das Fahrrad gleich stehen lassen.

    • @J_CGN:

      Bitte? Die Äußerung über die Einführung zeigt doch nur, dass die Verkehrssituation für Radfahrer_innen insbesondere von jungen kritisch ist. Die Situation entschärft mensch aber nicht durch Helme sondern durch Tempolimits für KFZs, Einrichtung autofreier Zonen, Ausbau der Fahrradinfrastruktur, Umgestaltung von Kreuzungen, Senkung der ÖPNV-Preise...

      • @Uranus:

        Bei täglichen stop and go Verkehr in der Stadt ist ein Fahrrad nun mal das dümmnste Fahzeug überhaupt. Sollte man vorher wissen. Und es ist keine Ausrede sich nicht an die Regeln zu halten. Radfahrer braucht kein Mensch.

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Besser wäre es, den Radverkehr maximal zu fördern aber eine "Vison Zero" klingt irgendwie modern und kostet nix

  • Da sieht man mal wieder, wessen Geistes Kind die SPD ist

  • die SPD steht einfach fuer nix