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Nach Trumps Jerusalem-ErklärungEmpörung und Unruhen in Palästina

Nach dem Alleingang des US-Präsidenten ruft die Hamas zum Aufstand auf. Bei Angriffen auf israelische Soldaten wurden zahlreiche Palästinenser verletzt.

Straßenschlacht: Palästinenser und israelische Soldaten bei einer Konfrontation Foto: ap

Jerusalem/Gaza dpa | Nach der weltweit kritisierten Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ist es in den Palästinensergebieten zu gewaltsamen Unruhen gekommen. Bei Konfrontationen in Ramallah, Hebron, Bethlehem und am Rande des Gazastreifens wurden am Donnerstag nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mindestens 20 Palästinenser verletzt. Die radikal-islamische Hamas rief für Freitag zu einem neuen Palästinenseraufstand (Intifada) gegen Israel auf. Trumps Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt komme einer „Kriegserklärung gegen die Palästinenser“ gleich, sagte Hamas-Chef Ismail Hanija in Gaza.

Angesichts der Sorge vor einem neuen Gewaltausbruch in der Region wurde für diesen Freitag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates angesetzt.

Die moderate Palästinenserführung will die USA nicht mehr als Schirmherrin des Friedensprozesses akzeptieren. „Ihre Hilfe ist nicht erwünscht“, sagte der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah am Donnerstag bei einem Besuch im Gazastreifen.

Aus Protest gegen Trumps Entscheidung lieferten sich Hunderte Palästinenser am Donnerstag im Westjordanland und Gazastreifen gewaltsame Konfrontationen mit israelischen Soldaten. Die Demonstranten warfen nach Medienberichten Steine und setzten Autoreifen in Brand. Am südlichen Rand des Gazastreifens habe ein Palästinenser bei Konfrontationen lebensgefährlichen Schussverletzungen im Bauch erlitten, teilte ein Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums mit. Soldaten hätten auf zentrale Anstifter geschossen, die Aufrufe zum Stehenbleiben ignoriert hätten, sagte eine israelische Armeesprecherin.

Am Donnerstagmorgen begannen die Palästinenser einen Generalstreik. Im Westjordanland und im Gazastreifen sowie in Ost-Jerusalem blieben öffentliche Einrichtungen, Geschäfte, Schulen und Banken geschlossen.

Aus Sorge vor weiterer Gewalt verstärkt Israels Armee ihre Präsenz im besetzten Westjordanland. Nach einer Beratung habe der Generalstab entschieden, mehrere zusätzliche Bataillone ins Westjordanland zu verlegen, teilte das Militär am Donnerstag mit. Weitere Soldaten seien in Alarmbereitschaft versetzt worden.

In einem historischen Alleingang hatte Trump am Mittwoch in Washington gesagt: „Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es Zeit ist, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.“ Trump wies zudem das Außenministerium an, mit dem Prozess zur Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu beginnen.

Israel feierte die US-Entscheidung. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach am Donnerstag von einer „historischen Erklärung“ Trumps. „Präsident Trump hat sich auf ewig mit der Geschichte unserer Hauptstadt verbunden.“ Israel sei bereits in Kontakt mit weiteren Staaten, die Jerusalem ebenfalls anerkennen wollten, sagte Netanjahu.

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13 Kommentare

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  • Solange sich die in diesem Film ab Min 4:25 dokumentierte Einstellung der palästinensischen Eliten nicht ändert, ist eine nachhaltige Befriedung der Region nur schwer zu erreichen. Ab 12:00 Min ist der historischer Hintergrund geschildert, von dem man bei uns nichts wissen will.

     

    https://www.youtube.com/watch?v=W9ReF4UUa4E&list=RDQMvJi4cBePta0&index=7

  • Im April d.J. hat Russland West-Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt.

    Komisch, dass das nirgends kommentiert wurde und keine Intifada ausgelöst hat.

     

    //http://www.mid.ru/en/foreign_policy/news/-/asset_publisher/cKNonkJE02Bw/content/id/2717182

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Nicky Arnstein:

      Da könnense mal sehn. Nur weil Putin meint, er sei auf Augenhöhe mit den USA, muss das ja nicht stimmen ...

  • Die selben Leute, die hierzulande hartes Vorgehen gegen G20-Randalierer oder Baumschützer im Hambacher Forst fordern, begrüßen die vorhersehbar inszenierte Terror-Randale der Palästinenser wenn es nur gegen das verhasste Israel geht.

    • @Khaled Chaabouté:

      Ich begrüße übrigens kein hartes Vorgehen gegen demonstrierende Menschen. Habe ich vergessen anzumerken.

      • @Hampelstielz:

        Ich wollte damit nur meinen kurz vor verfassten Beitrag ergänzen, um anzufügen, dass ich kein hartes Vorgehen gegen “G20-Randalierer“ und Baumschützer unterstütze.

      • @Hampelstielz:

        Zwischen Demonstrationen in Europa und dem was gerade da abgeht, besteht ja wohl ein himmelweiter Unterschied.

    • @Khaled Chaabouté:

      Dem ist nicht so, zumindest nicht in meinem Fall. Sie führen ein ausgelaugtes Adhoc-Argument ins Feld und das wissen sie wahrscheinlich sehr wohl. Die Entscheidung Trumps hat genau diese Eskalation bewirken sollen. Israel ist nun einmal der Staat der es ist. Darin leben viele liberal denkende Menschen, die sich eine friedliche Lösung gewünscht hätten und keinen Nationalismus pflegen und auch viele unterschiedliche Lebensentwürfe akzeptieren oder zumindest tolerieren können. Ebenso wird von diesem Teil der israelischen Bevölkerung erkannt, dass es eine Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung gibt und ein großer Teil der israelischen Regierungen, sowie des Militärs von Extremisten durchsetzt und bestimmt sind und waren. Mit den orthodoxen Juden und anderen Faschisten lebt in diesem Land aber auch eine Bevölkerung, die Enteignung und ethnische Säuberung befürwortet und praktiziert. Dass die palästinensische Führung und nicht geringe Teile der palästinensischen Bevölkerung die gleichen Makel innehat, ändert nichts daran.

      Ich persönlich liebe Staaten nicht, noch hasse ich sie. Sie sind ein fehlerhaftes Konstrukt, geschaffen um zu unterdrücken und Macht auszuüben oder um dem eigenen vergänglichen Leben einen höheren Sinn zu verleihen. Gleiches gilt für Religionen, ausnahmslos für alle. Weshalb aber Beifall geklatscht werden soll, wenn Kriegstreiber Schritte unternehmen, die unter Umständen auch mein Wohl und Wehe und das vieler Millionen, wenn es ganz dumm läuft vielleicht auch von Milliarden Menschen negativ beeinflussen, müssen sie mir etwas ausführlicher erläutern.

      Machen sie es sich nicht so einfach, gestehen sie sich die Zweifel an ihrem einfachen Weltbild, welches sich anscheinend in gut und böse unterteilt zu.

      • @Hampelstielz:

        Sie setzen orthodoxe Juden mit Faschisten gleich. Für mich ist das linker und übelster Antisemitismus oder totale Unkenntnis.

        • @Nicky Arnstein:

          Das tue ich durchaus, da die orthodoxe religiöse Ausrichtung von einem auserwählten Volk spricht. Dies setzt voraus, dass andere Menschen nicht auserwählt sind, also minderwertiger. Wer seinen Siedlungs- und Herrschaftsanspruch mit entsprechenden Textstellen aus einer religiösen Schrift herleitet, geht ähnliche Wege, wie jener, der seine Überlegenheit aufgrund Genetik und Abstammung begründen will. Religion an sich bedient faschistische Neigungen im Menschen. Jede Religion, auch die jüdische. Streng gläubige Menschen tendieren zumindest zu faschistischen Zügen.

          Ich bin kein Antisemit, da irren sie sich.

          Versuchen sie bitte nicht meine Argumentation durch ein Totschlagargument aus der Debatte zu räumen.

      • @Hampelstielz:

        Sie sollten die orthodoxen nicht mit den national-religiösen verwechseln. die siedler sind national-religiöse - orthodoxe werden sie in den siedlungen nicht finden.

  • Trump macht mir Angst. Das ist hier vermutlich nur der Vorgeschmack. Und was haben die Palästinenser überhaupt zu verlieren? Sie haben schon alles verloren und unsägliches Leid ertragen müssen? Ich befürchte, dass die Trump-Jahre die gefährlichsten der letzten Zeit werden. Es ist ja sowieso eine Story, zu glauben, der Iran oder Nord-Korea würden die Welt aus den Schranken heben. Tatsächlich führt gegenwärtig die US-Politik zu mehr Action. Und in der Region ist der Irak geteilt, Syrien geteilt, Palästina ist geteilt, zum Teil durch Israel besetzt bzw. zu Sicherheitszonen ausgeteilt, Libyen ist gespalten ... Es gibt so viel Freiraum in der Region - das werden die radikalen Kräfte nutzen und sie werden da auch erfolgreich sein. Das der IS Mosul einnehmen konnte, sollte einem zu denken geben, vielleicht nicht Trump, aber wenn der soweiter macht, dann fliegen die nächsten Terroristen in den Trump-Tower fliegen.

  • "Am Tag nach Trumps Rede bleiben Massendemonstrationen, gewaltsame Ausschreitungen und gar neuer Terror aus. Die Palästinenser sind Schlimmeres gewohnt als eine provokante Erklärung des US-Präsidenten." Schrieb Frau Knaul heute am 07.12. Also es gibt Zusammenstöße in Tul Karem, Bethlehem, Nablus, Hebron, Al-Bireh, Jenin Ost-Jerusalem und Khan Younis, also in allen Gebieten der Palästinenser. Es gibt bereits 19 verletzte Palästinenser, die israelische Armee setzt Gummigeschosse, Tränengas und scharfe Munition ein. Wer ein paar Bilder sehen möchte, https://www.haaretz.com/israel-news/1.827480. Das sieht verdammt nach Ausschreitungen mit Potenzial zur Intifada aus Frau Knaul und ich warte nur noch auf die erste Rakete und den ersten Attentäter.