Kolumne Wir retten die Welt: Mit dem Diesel nach Canossa
„Dieser Umweltredakteur ist eine Umweltsau“ wird die „Bild“ schreiben. Aber er bettelt nicht um Verständnis – die Umweltbilanz ist nicht so schlecht.
Vor dem, was jetzt kommt, habe ich einen Riesenbammel. So stelle ich mir das vor, wenn der amerikanische Präsident am roten Knopf steht und die Atomrakete zündet. Das kann man nur schlecht rückgängig machen. Aber ich mache es trotzdem. Ich hau’s jetzt einfach raus:
Wir fahren einen Diesel.
Tja, das ist voll krass, ich weiß. „Absteiger der Woche“, „Dieser Umweltredakteur ist eine Ökosau“, wird die Bild schreiben und wieder Dieseltote zeigen. Klar – ich könnte es auf die Umstände schieben. Aber ich bettele nicht um Verständnis wie ein ertappter Dopingsünder. Ich kann höchstens erklären, damit ihr versteht: Mein Vater war Treckerverkäufer. Der dichte schwarze Ruß aus dem Auspuff, wenn man einen alten Deutz im Winter anlässt; der süßliche Geruch des Diesels, wenn man die Schaltstufen der 16 Rückwärtsgänge mit Treibstoff vom Ölschlamm befreit – das ist für mich Kindheit. Der Diesel war immer gut zu mir. Das ist das eine.
Das andere: Meine Frau Katharina wollte einen Siebensitzer. Schließlich hätten wir drei Kinder, erinnerte sie mich, und „dann kann auch meine Mutter mal mitfahren“. Für mich war das nun eher ein Grund gegen sieben Sitze. Aber wie sie geguckt hat, als ich das leise anmerkte, bin ich folgsam losgezogen und habe uns das billigste unter den zuverlässigen Familienautos gesucht: einen Diesel von Opel. Und ich muss zugeben: Im Verbrauch ist der sensationell. Da kommt nicht mal der Smart von meinem Kollegen mit – auch so’n Umweltredakteur.
Über Öbi und PoKo
„Du bist vielleicht ein Weichei“, mault Öbi, meine Freundin, die Ökobilanz, als sie jetzt über meine Schulter auf den Bildschirm schaut. „Ich dachte, du könntest dieses ganze PoKo nicht leiden.“ PoKo ist ihr Kürzel für „politisch korrekt“, sie nutzt es ausschließlich abwertend.
„Aber das hat doch nichts mit PoKo zu tun“, rechtfertige ich mich. „Denk doch mal an die Kinder in Stuttgart, die leiden unter dem Dieselruß.“ Dabei komme ich mir vor wie meine Mutter, die mich wegen nicht gegessener Schulbrote immer an die Kinder in Afrika erinnert hat. Ich habe nicht genau verstanden, warum, aber Stuttgart scheint so ein Treffpunkt für giftige Dieselabgase zu sein. Darum halte ich Öbi scharf entgegen: „Es ist einfach nur ignorant, wenn du immer nur aufs Klima guckst. Du bist ja total klimafixiert.“
Öbi murmelt irgendwas von „Schon genug Schwabenkinder in Berlin“, aber mein Blick sagt ihr, dass das nicht mal im Spaß lustig ist. Trotzdem: Sie lässt nicht locker.
„Und ein Schleimer bist du auch noch. Nur weil gerade alle auf den Diesel einhauen, muss du doch bei der taz nicht auf Gang-nach-Canossa machen!“ Ob ich denn vergessen hätte, wie klimafreundlich und sparsam der Diesel sei. Dabei holt sie das Notizbuch raus, dass sie im letzten Urlaub immer dabei hatte: „Tausend, zweitausend, 35 Liter Domodossola, 40 Liter Mailand …“, murmelt sie vor sich hin und stößt dann triumphal hervor: „Null Komma neun!“ Offensichtlich hat Öbi während der ganze Italienreise Kilometer notiert und Tankfüllungen gezählt. Die CO2-Emissionen unseres Diesel sind deutlich besser als vom Fernbus und auch besser als die von der Bahn – vor allem, wenn man keine Bahncard hat. PoKo hin oder her.
Fast überlege ich, ob ich jetzt auch noch den Trecker beichten soll, den ich vor Jahren gekauft habe.
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