Australiens Politik der Abschreckung: Von einem Gefängnis ins andere
Flüchtlinge wollten nach Australien, wurden aber in Papua-Neuguinea interniert. Jetzt wehren sie sich gegen ihre Umsiedlung.
BERLIN taz | Polizei- und Behördenfahrzeuge sind am Montag vor dem Flüchtlingslager auf Papua-Neugineas abgeschiedener Insel Manus aufgefahren. Beamte zerstörten einige Notunterkünfte der mehr als 400 verbliebenen Geflüchteten. Mülltonnen, in denen die aus dem Nahen Osten und Südasien Geflüchteten versuchen Regenwasser aufzufangen, wurden aufgebohrt. Dies berichtete der kurdisch-iranische Flüchtling Behroud Boochani per Twitter. Der Journalist sitzt seit mehr als vier Jahren in dem Lager.
Bis 31. Oktober wurde es von Australien betrieben. Canberra lässt keine per Boot ankommenden Flüchtlinge auf das australische Festland, sondern schiebt sie zur Abschreckung nach Papua-Neuginea und in den pazifischen Inselstaat Nauru ab. Doch der Oberste Gerichtshof Papua-Neugineas, ein früheres australischen Treuhandterritorium, hat das seit 2013 betriebene australische Lager für rechtswidrig erklärt und schießen lassen.
Die Versorgung mit Wasser, Nahrung, Strom und Medizin wurde darauf eingestellt, der Wachschutz abgezogen. Ein Mob mit Knüppeln und Macheten bewaffneter Einheimischer schüchterte daraufhin die Insassen ein.
Papuas Behörden wollen die Flüchtlinge vorübergehend in zwei andere Massenunterkünfte umsiedeln. Doch die Menschen haben Angst, dort nicht geschützt zu sein. Auch sind die Lager laut Hilfsorganisationen gar nicht fertig.
„Wir haben nichts verbrochen“
Jetzt bietet sich den Gefangenen zudem die seltene Gelegenheit, auf ihre Lage aufmerksam zu machen. „Wir halten es nicht mehr aus, weiter eingesperrt zu sein. Wir haben keine Kraft mehr, um von einem Gefängnis ins andere zu ziehen. Wir haben nichts verbrochen“, schrieb Boochani, der informeller Sprecher der Flüchtlinge ist, am Montag im britischen Guardian.
Ursprünglich waren 606 Flüchtlinge, ausschließlich Männer, in dem Lager interniert. Der Druck und die unhaltbare Lage der zunehmend mit Hunger und Durst konfrontierten Flüchtlinge ließ bisher rund 200 das Lager verlassen.
Behroud Boochani, Flüchtling und Journalist
Australien ist wiederholt von UN-Organisationen für seinen menschenverachtenden Umgang mit Flüchtlingen kritisiert worden. Um den internationalen Druck zu verringern, hatte Australien mit der US-Regierung von Barack Obama ein Abkommen zur Aufnahme von bis zu 1.250 der in Papua und Nauru Internierten vereinbart.
Trump setzt Abkommen aus
Bisher konnten aber nur 54 in die USA ausreisen. Denn nach der Amtsübernahme von Donald Trump setzte dieser das Abkommen aus. Jetzt bietet Neuseelands neue Regierung von Jacinda Ardern Australien an, 150 der Flüchtlinge aufzunehmen. Doch Canberra lehnt dies ab aus Furcht, sie könnten über Neuseeland doch noch nach Australien gelangen.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sieht die Verantwortung für die Krise bei Australien. Es rief die Regierung in Canberra auf, „die sich entfaltende humanitäre Krise zu stoppen“ und „augenblicklich die Lage zu deeskalieren“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen