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Lauter fachfremde Lehrer

Ein breites Bündnis fordert, wieder SportpädagogInnen in Bremen auszubilden. Der Senat wirbt sein Personal lieber weiterhin anderswo ab und setzt auf kurze Nachschulungen

Ein echter Sportlehrer in der Grundschule ist mittlerweile in Bremen selten geworden Foto: Thomas Müller/ imago

Von Jan Zier

Bremen soll wieder eigene SportlehrerInnen ausbilden. Das fordert ein sehr breites Bündnis aus Schulen, ÄrztInnen, Sportvereinen, Krankenversicherungen, WissenschaftlerInnen und Verbänden, zusammen mit dem Zentralelternbeirat, der CDU, Teilen der SPD und dem Gesundheitsamt. Morgen übergibt der „runde Tisch Schulsport“ dazu eine von 47 Organisationen getragene Resolution an Parlamentspräsident Christian Weber (SPD).

Der rot-grüne Senat hat schon klargestellt, dass er so schnell nicht daran denkt, den Studiengang Sportpädagogik an der Uni Bremen wieder zu eröffnen. Es gebe nur „Vorüberlegungen“, im Rahmen des Wissenschaftsplanes 2025 „zu klären“, ob die Wiederaufnahme der Ausbildung in Bremen der „Bestandteil einer Strategie“ zur Deckung des LehrerInnenbedarfs sein wird. So steht es in einer Senatsantwort auf eine Anfrage der CDU.

Dass es diesen Bedarf gibt, vor allem in Grundschulen, ist klar: Über 55 Prozent des Sportunterrichts in der Primarstufe im Land Bremen werden laut Senat mittlerweile fachfremd erteilt, 2012/13 waren es noch 43 Prozent. Im sonderpädagogischen Bereich liegt die Quote inzwischen sogar bei 100 Prozent. Rechnet man alle Schulformen zusammen, dann muss schon seit Jahren fast ein Viertel des Sportunterrichts ohne FachlehrerInnen auskommen. Hinzu kommt, dass fast ein Drittel aller SportlehrerInnen in Bremen schon heute über 50 Jahre alt ist, in Bremerhaven schon fast die Hälfte. Doch während der runde Tisch die Lage für „dramatisch“ hält, spricht der Senat nur davon, dass das „drohende Problem“ eines Mangels an SportlehrerInnen in Grundschulen „erkannt“ sei.

Mehrere Bremer Grundschulen haben schon heute gar keine entsprechenden FachlehrerInnen mehr, berichtet der runde Tisch. Es geht aber nicht nur um Schulen, sagt Jürgen Hadtstein, einer der Sprecher des Bündnisses. „Auch die Folgen für den Breiten- und Spitzensport sind fatal“ – es fehlen ÜbungsleiterInnen und TrainerInnen. Wie viel genau, ist aber unklar.

Was für viele „dramatisch“ ist, ist für den Senat ein „drohendes Problem“

Bremen ist das einzige Bundesland, das keine SportlehrerInnen mehr ausbildet. Was die Wiedereinführung kosten würde, weiß der Senat gar nicht genau. Die jährlichen Kosten für Personal- und Sachmittel schätzt er auf „mindestens eine Million Euro“, hinzu kämen aber Investitionskosten für Sportstätten – und die seien derzeit „nicht seriös zu beziffern“. Aber selbst wenn sofort wieder SportlehrerInnen ausgebildet würden – in den Schulen würden sie erst 2022 arbeiten. Für Studierende ist das Gymnasium ohnehin attraktiver: LehrerInnen in der Primarstufe müssen für weniger Geld mehr unterrichten als solche in der Sekundarstufe.

Seit 2012 schieden in Bremen 232 SportlehrerInnen aus dem Dienst aus, während 179 neu eingestellt wurden. 79 von ihnen hat Bremen aus anderen Bundesländern abgeworben, 43 aus Niedersachsen, 13 aus Nordrhein-Westfalen. „Der Plan, SportlehrerInnen aus anderen Bundesländern abzuwerben, ist gescheitert“, findet der runde Tisch. 80 Prozent aller SportlehrerInnen, die in den vergangenen fünf Jahren eingestellt wurden, kommen aus Bremen oder Niedersachsen, rechnet dagegen der Senat vor. „Eine Veränderung der bisherigen Praxis“ scheint dem Senat deshalb „nicht notwendig“, so die Schlussfolgerung.

Zudem setzt der Senat auf SeiteneinsteigerInnen und die nachträgliche Qualifizierung von LehrerInnen durch das Landesinstitut für Schule. Für Hadtstein, selbst ein Sportlehrer, ist das keine Alternative: „Das ist ein Sportlehrer light“, der weniger Stunden fortgebildet werde als ein Übungsleiter.

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