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taz-Männer über #MeToo-Situationen„Wie konnte ich so ein Arsch sein?“

Bei #MeToo geht es um sexuelle Übergriffe auf Frauen. Was aber ist mit der anderen Seite? Wir haben unsere männlichen Kollegen gefragt.

Gleichgültig, ignorant – oder schon übergriffig? Foto: Imago/ Ikon Images

#MeToo posten Frauen, um öffentlich deutlich zu machen, dass auch sie sexualisierte Gewalt erlebt haben – in welcher Form auch immer. Die Flut an Posts unter diesem Hashtag ist schon ob der schieren Masse eindrucksvoll.

Was aber fehlt, oder nur sehr zaghaft und vereinzelt kommt, sind Äußerungen von Männern. Ein kritisches Hinterfragen, ob es vielleicht auch in ihrem Leben Ereignisse und Begegnungen gab, bei denen sie sich falsch verhalten haben – wissentlich oder unwissentlich. Oder Situationen, in denen es richtig gewesen wäre, einzugreifen oder zu widersprechen. Viele Männer bleiben stumm. Doch zu jedem Übergriff gehört auch jemand, der ihn begeht oder nicht verhindert.

Einen Dialog kann es nur geben, wenn alle daran teilnehmen, die das Thema sexualisierte Gewalt betrifft. Und das sind eben auch die Männer. Deshalb haben wir unsere taz-Kollegen gebeten, ihr eigenes Leben auf solche Erlebnisse hin abzuklopfen.

Nicht alle fanden unsere Frage gut. Einige fühlten sich zu Unrecht auf die Täter-Rolle reduziert und protestierten aufgebracht. Andere verwiesen darauf, dass auch Männer Erlebende von sexualisierter Gewalt sind – eine Perspektive, die wir wichtig finden und nicht verschweigen wollen. Auch geht es um Situationen, die Männer wie Frauen erleben können – als Nichthandelnde. Trotzdem sind wir der Meinung, dass genau jetzt der Moment ist, um über Gewalt gegen Frauen zu sprechen. Und über Männer, die daran beteiligt sind.

Wieder andere wollten nicht mitmachen, weil sie fürchteten, durch ihre Schilderungen ungefragt die Anonymität der Betroffenen zu gefährden. Oder weil sie es für falsch halten, mutmaßlichen Tätern so einen zu einfachen moralischen Ausweg zu bieten. Und manche sagten, sie hätten solche Situationen noch nie erlebt.

Einige Kollegen jedoch haben uns von ihren Erlebnissen erzählt. Fast allen gemein ist eine große Verunsicherung: Wo ist die Grenze? Hätte ich etwas tun sollen – und wenn ja: was? Ihre Protokolle veröffentlichen wir auf deren Bitte hin anonym und zum Teil zum Schutz der Beteiligten leicht verfremdet – in der Hoffnung, dass ihre Schilderungen die Debatte weiterführen. Denn nur wenn wir alle das Schweigen brechen und reflektieren, was wir warum tun und nicht tun, können wir lernen, wie es in Zukunft vielleicht besser geht.

Glotzen auf dem Schulhof

„Sexualisierte Gewalt ist vielschichtig. Wenn es der Aufklärung und der Verhinderung künftiger Taten dient, schildere ich hier ein paar Erlebnisse, auch wenn ich dabei selbst nicht gut wegkomme. Ich bin ein Mann Anfang 40. Meine Kindheit und Jugend habe ich in den 1980er Jahren auf dem Land verbracht. Dort haben wir Jungs manchmal auf dem Schulhof Dinge getan, die man heute als übergriffig bezeichnen würde: Mädchen aus Spaß beim Fangenspielen den Rock hochreißen oder mit Spiegeln zwischen die Beine glotzen. Manche Mädchen zahlten es uns mit ähnlicher Münze heim, aber in Ordnung war es nicht.“

Erschrecken als Erziehungsmaßnahme

„Als Jugendlicher habe ich einem Mädchen, mit dem ich kurz zusammen war, einen bösen Schreck versetzt, was mir noch heute leidtut. Ich fühlte mich von ihr ausgenutzt, weil ich das Gefühl hatte, dass sie nicht wegen mir, sondern nur wegen meiner Vespa mit mir zusammen war. Deshalb wollte ich sie erschrecken und ihr damit zu verstehen geben, dass sie so auch mal an den Falschen geraten könnte. Wir fuhren zu zweit an einen einsamen Ort. Dort sagte ich zu ihr: Zieh dich aus, ich will mit dir schlafen! Sie erschrak, und ich sagte sofort, dass dies nur ein Scherz gewesen sei. Sie war erleichtert, aber das Vertrauen war zerstört. Sexualisierte Gewalt anzudrohen, ist kein Scherz. Wie konnte ich nur so ein Arsch sein?“

Schweigen und zusehen

„In der U-Bahn quatschte ein Mann eine Frau an, wollte ihre Aufmerksamkeit, dann ihre Nummer, sich mit ihr verabreden. Sie wollte nicht, sagte eindeutig nein. Als er nicht aufhörte, stand sie auf, ging zur Türe und stellte sich davor. Er lief hinter ihr her und quasselte weiter auf ihren Rücken ein. Sie stand da, voll angespannt, ignorierte ihn, soweit es ging, stieg an der nächsten Station aus. Ich saß schräg gegenüber und dachte einen Moment: Okay, sie hat alles unter Kontrolle, sie lässt ihn ja ganz souverän ins Leere laufen und geht ihrer Wege. Im Nachhinein muss ich mir eingestehen, dass das eine Lüge war. Der Typ belästigte sie, alle sahen zu – oder weg. Sie konnte nur die Flucht ergreifen. Wie leicht wäre es für mich gewesen zu dem Typen zu sagen: Ey, sie will nicht mit dir reden, lass sie doch einfach in Ruhe. Stattdessen schwieg ein ganzer U-Bahn-Wagen – und ich mit.“

Mit den Jungs lieber unkompliziert

„Wir saßen in unserer Ferienwohnung zusammen. Fünf, sechs Jungs kurz vor dem Abitur, eine Woche in den Winterferien in den französischen Alpen. Das Gespräch kreiste um Erlebnisse in früheren Skiurlauben, um Alkoholexzesse und Mädchen. Und dann erzählte einer am Tisch von einem Skiurlaub, in dem er die Wohnung mit anderen Jungs aus unserer Stadt geteilt hatte. Jungs, die jeder am Tisch kannte. Einer von ihnen habe nachts eine betrunkene Frau mit nach Hause genommen und in dem Mehrbettzimmer der engen Wohnung auch dann nicht aufgehört, als sie klargemacht hatte, dass sie nicht mit ihm schlafen wollte. Der, der das erzählte, berichtete es mit dem schlechten Gewissen desjenigen, der nicht eingegriffen hatte. Und wir anderen am Tisch? Wir sagten nichts dazu. Das Thema wurde schnell gewechselt, der Übergriff nie wieder erwähnt, der mutmaßliche Täter nie darauf angesprochen. Das war das Einfachste.“

Nicht den Starken spielen wollen

„Kürzlich war ich mit einer Frau auf dem Fahrrad unterwegs. Folgendes geschah: Sie klingelte, drei Jungs um die 20 machten ihr und mir Platz. Einer der Jungs raunte, pfiff und rief: „Die kann gleich mal hierbleiben!“ Die Angepfiffene fuhr weiter. Und ich? Eine Möglichkeit wäre gewesen, anzuhalten und den Typen zu sagen, dass so ein ekliger, sich verbal einer Frau ermächtigender Müll verboten sein sollte. Aber sie hielt ja selbst nicht an. Hatte sie das überhaupt als schlimm empfunden? Spielt das eine Rolle, wenn ich selbst den Spruch zum Kotzen finde? Oder wäre ein Anhalten und Zurechtweisen nicht genau das gewesen, was ich an männlichen Rollenbildern hinterfragen will: Starker Mann kämpft für schwache Frau, die sich nicht wehren kann? So viele Gedanken passen leider nicht zwischen zwei Pedaltritte und so tat ich: nichts. Im Nachhinein bin ich sicher: Ich hätte anhalten sollen. Und habe mir fest vorgenommen, es beim nächsten Mal zu tun. Dass es wirklich geschieht, kann ich nicht sicher sagen. Aber die Betroffene zu fragen, was sie sich gewünscht hätte – das mache ich sofort.“

Den Zwischenton verpennt?

„Ein One-Night-Stand brachte mich im Nachhinein zum Nachdenken. Auf einer Party lernte ich eine Frau kennen. Wir tanzten und tranken zusammen und im Morgengrauen gingen wir zu mir. Wir hatten Sex, alles eigentlich schön und die Basis für ein liebes Frühstück nach dem Aufwachen. Aber dazu kam es nicht. Als ich in der Küche Frühstück machte, rief sie vom Flur knapp: tschüss. Dann fiel schon die Wohnungstür ins Schloss. Keine Telefonnummer, kein Wiedersehen, nichts. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Sollte ich ihr folgen, oder wäre das aufdringlich? Warum war sie einfach so gegangen? Hatte ich mich falsch verhalten? Ich weiß es nicht, und werde es nie erfahren.“

Zum Sex überredet?

„Seit ich ein Bewusstsein dafür bekam, was sexuelle Übergriffe in der Psyche eines Menschen anrichten können, habe ich mich gefragt, ob ich selbst mal zum Täter geworden bin. Das Doktorspielen mit acht oder neun Jahren mit meiner Sandkastenfreundin von gegenüber, die ob meines erigierten Penisses sehr verstört schaute und keine Lust mehr hatte weiterzuspielen? Und die auch nicht mit mir ins Freibad wollte, obwohl wir eigentlich am nächsten Tag verabredet waren? Hab ich überhaupt nicht geschnallt damals. Wir haben nie mehr darüber gesprochen. Auch als Erwachsene nicht. Die Versuche, mit 16 meiner damaligen Freundin die Brust zu streicheln, worauf sie immer meine Hand wegschob und sagte, sie wolle das nicht? Ich habe nicht insistiert, war dann aber auch nicht lange mit ihr zusammen. Das eine Mal, als ich mit 20 abends bei einer etwa gleichaltrigen Freundin aus meinem Studi-Job aufschlug, mit der ich schon ein paarmal Sex gehabt hatte und die an diesem Abend nicht mit mir schlafen wollte? Ich versuchte sie zu überreden und schließlich schliefen wir dann doch miteinander. Würden sie heute #MeToo posten? Ich bin auf jeden Fall nicht stolz darauf.“

Nackt und nüchtern

„Ich, Mitte zwanzig, Party in einem Hausprojekt in Hamburg. Hab mir zum Schlafen ein Bett klargemacht. Auf der Party viel Alkohol, eine Frau, die ich toll fand, und ich gehen betrunken in dieses Haus zurück. Sie, betrunkener als ich, legt sich angezogen in das Bett, in das ich wollte, und schläft ein. Ich ziehe mich aus und lege mich nackt zu ihr unter die Decke, in der Hoffnung, dass noch was läuft. Lief nix. Am Morgen wachte ich eher auf als sie und hab mich verschämt schnell wieder angezogen.“

Die Hand am Po ist kein Hiltlergruß

„Mit Anfang 20 in einer Kneipe im Univiertel. Wir stehen zu fünft zusammen, ein Freund, zwei andere Typen und eine Bekannte. Sie erzählt von ihren One-Night-Stands. Der Freund denkt, das wäre eine Einladung an alle Anwesenden. Er greift ihr an den Hintern. Die Frau und die beiden anderen reagieren und sagen ihm, was sie davon halten. Zum Glück. Ich stehe nämlich daneben und schweige. Warum eigentlich? So einfach wie in dieser Situation ist Zivilcourage doch selten: Er hat keine Unterstützer. Wir kennen uns. Ich muss nicht befürchten, dass er zuschlägt, wenn ich den Mund aufmache. Hätte er eine andere Grenze überschritten, hätte er zum Beispiel den Hitlergruß gezeigt, hätte ich wohl eingegriffen. Bei einem sexuellen Übergriff bleibe ich aber stumm. Ich fand den Griff an den Hintern schon damals nicht richtig. Aber ich fand ihn auch nicht so richtig schlimm. Zumindest nicht schlimm genug, um einzugreifen. Und das war das Problem.“

Blöde Gedanken

„Ich war Single, sexuell aktiv. Einmal lerne ich auf einer Party eine Lesbe kennen. Es war klar, dass nichts laufen würde, aber weil wir beide keine Lust auf Einsamkeit hatten, gingen wir zu ihr und schliefen im gleichen Bett. Ich streichelte ihr zum Einschlafen über den Kopf und hoffte dabei insgeheim auf mehr. Sie reagierte nicht und dabei blieb es auch. Aber einige meiner Gedanken am nächsten Tag, nachdem wir auseinandergegangen waren, waren wirklich blöd! Hätte ich nicht etwas mehr probieren sollen? Hätte sie vielleicht doch gewollt? Dabei ist es doch ganz einfach: Kein ‚ja‘ heißt ‚nein‘. Basta.“

Ich zuhause, meine Freundin im Bordell

„Ich war mit meiner Freundin neu in die gleiche Stadt gezogen und bis zum Beginn des Studiums wollten wir, beide um die 20 und ziemlich naiv, zur Überbrückung etwas arbeiten. Ich fand einen Job als Tellerwäscher in einem gutbürgerlichen Restaurant, aber meiner Freundin war das zu anstrengend. In einer Zeitungsanzeige lasen wir, dass ein Bordell eine Tresenkraft sucht. Mach das doch, sagte ich zu ihr. Als Barkeeperin kann es dir doch egal sein, wem du die Drinks gibst. Sie rief dort an, ohne Misstrauen zu schöpfen, und eines Abends ging sie hin. Auch ich war nicht misstrauisch und blieb zu Hause. Nachts kam sie wieder, völlig aufgelöst und mit viel Geld in der Tasche, das sie wütend auf den Boden warf. „Sie haben mir was in den Drink gekippt“, rief sie. In einem Hinterzimmer habe dann ein Stammkunde ihre Vulva geküsst, zu einer Penetration sei es aber nicht gekommen. Dann fing sie an zu weinen und ich nahm sie in den Arm. Ich war geschockt, fühlte mich schuldig. Wie konnte ich, wie konnten wir so blöd sein? Einer der größten Fehler meines Lebens.“

Vorspann und Redaktion: Amna Franzke, Marlene Halser und Dinah Riese

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20 Kommentare

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  • "Wir hatten Sex, alles eigentlich schön und die Basis für ein liebes Frühstück nach dem Aufwachen. Aber dazu kam es nicht. Als ich in der Küche Frühstück machte, rief sie vom Flur knapp: tschüss. Dann fiel schon die Wohnungstür ins Schloss. Keine Telefonnummer, kein Wiedersehen, nichts. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Sollte ich ihr folgen, oder wäre das aufdringlich? Warum war sie einfach so gegangen? Hatte ich mich falsch verhalten?"

     

    satire?

     

    immerhin schreiben sie das ja zum "Thema sexualisierte Gewalt "

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Ich bin erschüttert - soviel Böses in der taz-Redaktion.

    Aber ich bin noch viel böser. Aus meiner Sicht sind viele der Selbstbezichtigungen (die unter der Roten Khmer kaum hätten besser gestaltet werden können) übel, übergriffig und ja, auch, kinder- und frauenfeindlich.

     

    Beispiele gefällig? Gerne:

    "Schweigen und zusehen" sowie "Nicht den Starken spielen wollen". Die Frauen hatten die Situation souverän unter Kontrolle. Selbstverständlich wäre bei einem Hilferuf einzugreifen, zu unterstützen gewesen. Auch, wenn die ... wie soll man sie nennen - Wichser? .. handgreiflich geworden wären.

    Aber die Nummer vom vermeintlich schutzsuchenden Weibchen sollten wir doch besser stecken lassen. Wer weiß denn, ob die Fahrradfahrerin sich nicht einen gegrinst hat? Oder die Frau in der U-Bahn den schwarzen Gürtel in Taekwondo besitzt?

     

    "Zum Sex überredet?" 1. Wie sind Doktorspiele zu bewerten? Fragen Sie besser mal einen Kinderpsychologen.. und holen Sie nicht die Keule von Anno dunnemals raus. Der nächste Schritt in diesen Denkmustern wäre nämlich die 1000-Schuss-Theorie und ähnlicher Quatsch.

    2. Junger Mann tastet sich an ein sekundäres Geschlechtsmerkmal heran. Frau schiebt Hand weg. Mann insistiert nicht. So what? Wo ist das Problem?

    3. Frau lässt sich zum Sex "überreden". ÜBERREDEN? Hat sie keinen eigenen Willen? So was nenne ich frauenfeindlich: Mann kann Frau ÜBERREDEN!

     

    Der Gipfel: "Den Zwischenton verpennt?"

    Mann uns Frau haben einen ONS. Frau haut quasi grußlos ab. Warum? Vielleicht gefiel ihr der Typ beim Aufwachen nicht mehr. Vielleicht war aber auch die Wahrnehmung des Herrn ("..alles eigentlich schön und die Basis für ein liebes Frühstück..") falsch? Vielleicht war der Sex scheiße? Vielleicht frühstückt sie einfach nicht gern? Vielleicht brauchte sie in der Nacht einfach nur (irgend-)einen Mann? Sowas kommt bei sexuellen Wesen, wie es auch eine Frau ist!, nun mal vor.

     

    Leutz, dieses erbärmliche Gewinsel Eurer Kollegen wäre was für den Redaktions-Giftschrank gewesen.

    • @2730 (Profil gelöscht):

      Danke. Genau das waren auch meine Gedanken. Praktisch keines der Beispiele beschreibt sexuelle Übergriffe. Da sieht man leider, wie sehr die Debatte am Problem vorbei geht. Es geht um das Ausnutzen von Macht durch Männer in Führungspositionen. Eklige Typen, die aus ihrer Machtposition heraus sexuell übergriffig werden, weil sie meinen Ihnen kann keiner was.

       

      Das auf eine Ebene mit Doktorspielen unter Kindern oder sexueller Entwicklung von Jugendlichen zu stellen ist absolut falsch.

  • 8G
    89598 (Profil gelöscht)

    Liebe Taz, -LeserInnen und -KommentatorInnen,

     

    Leichter Unmut, als ich heute meine taz aus dem Briefkasten holte und den Kommentar sowie die Beiträge der taz-Männer las.

     

    Es stimmt etwas nicht. Nicht leicht zu benennen - ich versuche es mal.

     

    Wahrscheinlich zweifelt kaum zurechnungsfähiger Mann daran, dass sexualisierte Gewalt und Übergriffe gegen Frauen/ Mädchen, die von Männern/ auch Jungs ausgeht, Ausdruck einer gewaltförmigen Geschlechterordnung sind, in der Männer (ökon. soziale, körperliche, sexualisierte) Macht ausüben. Ich als Mann (tja, lassen Sie sich nicht täuschen durch den Benutzer-Namen...) sehe es eindeutig so, dass Frauen und Mädchen aus weitaus häufiger und vor allem mit schlimmeren psychisch-seelischen Folgen von sexualisierter Gewalt und sexualisierten Übergriffen betroffen sind. Schlimmer, weil auch ein schweigendes, ignorantes oder beschönigendes Umfeld traumatisiert.

     

    Ich sehe übergriffiges, sexualisierendes Verhalten gegenüber Frauen auch in meiner Geschichte als junger Mann.

     

    Abgesehen davon, dass ich mich durch das taz-Thema jedoch sehr an linke Kritik-und-Selbstkritik-Rituale erinnert fühlte, besteht das Problem aus meiner Sicht in einem ganz anderen Punkt.

     

    Was hilft die (pauschale) Frage an Männer bzw. von Männern "Was habe ich getan?" mit Blick auf die Ursachen sexualisierter Grenzüberschreitungen? Gar nichts. Die Frage konstruiert ein Geschlecht potentieller Täter - nicht mehr, nicht weniger. Es ist heute bekannt (Psychologie, Therapie, Traumaforschung, Selbsterfahrung), dass Grenzüberschreitung, auch Wegschauen auch etwas damit zu tun hat, dass ein Mensch z.B. selbst die eigenen Grenzen nicht klar spürt, und das hat frühkindliche (Gewalt-)Ursachen. Ja, es geht um "Menschen" - weil so ist es eine universelle Frage. Die alle angeht. So universell, dass es da wirklich spannend wird. Bitte jetzt keine hämischen Reflexe "Och, die armen Männer". Die genannten Einsichten ändern nichts an meiner Verantwortung, der von Männern.

  • Vielleicht noch eine Ergänzung: ich würde einen jungen Mann, der noch unsicher ist im Umgang mit Frauen und Sexualität keinesfalls raten, diesen Artikel zu lesen.

     

    Denn insgesamt schwingt da ein Subtext mit, als ob Frauen überhaupt keine Sexualität wollten, nicht selbst auf sich aufpassen können und man sofort im Bereich des Übergriffigen ist, wenn man einen Wunsch hat, der sich nicht mit dem deckt, was die Frau gerade will. Natürlich werden hier 2-3 Situationen geschildert, die wirklich nicht in Ordnung sind. Die meisten anderen wären weniger unter der Überschrift in der taz zu diskutieren, sondern unter den Beteiligten:

     

    "war das o.k.? Wenn nicht, was manche wir nächstes Mal besser."

     

    Männer müssen nicht perfekt sein, können keine Gedanken lesen und Männer und Frauen haben manchmal Bedürfnisse, die der andere erfüllt, ohne selbst gerade den gleichen Wunsch zu haben, nicht nur im Bereich Sex. Sondern einfach, weil man in der Beziehung auch Kompromisse macht.

  • "habe dann... ihre Vulva geküsst"- es geht hier um einen sexualisierten Übergriff, um eine Straftat. Da ist eine solche Formulierung völlig unangebracht!

  • ega die männer bei der tazsind nicht besser oder schlechteral sall die anderen man sollte sich einfach nicht in die tasche lügen

  • Leute - jetzt haltet mal den Ball flach und lasst die Kirche im Dorf. Ich kann aus (fast) jeder Mücke einen Elefanten machen. Bestimmend ist die Persönlichkeit, es halt A....löcher und A... löchinnen.

    Und einige Exemplare des weiblichen Teils der Menschheit weiß den erhöhten Testosteronspiegel zu nutzen. Zum Beispiel beim Deutschlehrer kurz vor dem Abitur, um nochmal eine "Eins" zu bekommen. Anm. d. V.: War am Abendgymnasium, daher formal nicht zu beanstanden;-)

  • Ich denke auch, dass Problem ist viel komplexer als es die vielen hier beschriebenen symptomatischen Herausstellungen darstellen wollen. Für die Frauen auf dieser Wellt ist dieser Feldzug der einseitigen Schuldzuweisung natürlich sehr willkommen, verblasst darin doch das eigene Versagen. Frauen sind mitnichten die besseren Menschen, sie nutzen nur subtilere Mittel und Handlungen um ihre Aggressionen auszuleben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass jeder Mann ein Buch darüber schreiben könnte. Warum macht er es nicht? Weil man über "Mutti" eben nichts böses sagt. Wer es doch tut, erntet ultimative Ablehnung. Das größte Versagen der sogenannten modernen Frau/Mutter beginnt in der frühesten Kindheit: Mütterliche Attribute treten immer mehr in den Hintergrund, da Frauen heute kaum noch Zeit und Fähigkeit besitzen sich ausreichend einfühlend und nahe ihrem Kind zu widmen. Die Bedürfnisse des Kindes (und damit meine ich vor allem seelische - keinen toten Kram mit dem man es zuschüttet) bleiben auf der Strecke und heraus kommen entsprechend gestörte Wesen über die wir uns dann wieder wundern.

    • @Frankisch:

      Sie sagen also die "sogenannte moderne Frau" sucht nur nach Schuldzuweisung um ihr eigenes Versagen zu überdecken? Wenn sich Männer mehr an der Familie und an den Kindern beteiligen würden, dann würde ja nicht alles auf den Schultern der Mütter lasten. Es ist nämlich Zeit, dass sich zu den modernen Frauen auch moderne Männer gesellen (was nicht heisst, das es nicht schon welche gibt).

  • Liebe Leute,

     

    ich kenn' das anders herum. Vier Beispiele:

     

    1. Es ist für Frauen seit langem in linken Kreisen ziemlich risikolos und billig, unliebsame Männer zu beschuldigen und z.B. dafür zu sorgen dass diese gemobbt und sozial ausgegrenzt werden: Das gängige Narrativ geht so, dass da milieuunabhängig eine Grenzlinie zwischen den Geschlechtern durchgeht und eine Frau schon recht haben wird, wenn sie etwas über einen Mann sagt und dass man mit dieser Frau solidarisch sein und sie beschützen muss. Ich hab im letzten Jahr so einen Fall erlebt: Die Frau musste noch nicht einmal konkrete Vorwürfe vorbringen oder selbst gegen den Mann tätlich werden. Der Mann, ein sensibler, höflicher, zurückhaltender Mensch, ist auf vage Andeutungen der Frau hin in der Gruppe mehrfach sehr aggressiv angegriffen und ausgegrenzt worden. Inzwischen hat er die Gruppe verlassen. Ich weiß dass die Angriffe immer noch schwer sein Leben belasten.

     

    2. Als ich Student war, haben auf einer WG-Party, während ich alleine für mich getanzt habe, drei Frauen handgreiflich überprüft, ob mein Po knackig ist. Wir waren zu diesem Zeitpunkt zu viert im Raum. Ich hab die drei Frauen angesehen und bin aus dem Raum gegangen. Mir war klar, dass ich den kürzeren gezogen hätte, wenn ich versucht hätte zu diesem Vorfall Öffentlichkeit herzustellen.

     

    3. Etwa ein Drittel meiner männlichen Freunde sind in ihrer Kindheit von Frauen (Müttern zumeist, aber auch einer Kindergärtnerin) sexuell oder psychisch-emotional missbraucht worden, mit deutlichen Folgen für ihr heutiges Leben.

     

    4. Als ich in einem sozialen Zentrum in dem ich vor Jahren arbeitete, mit anderen den schweren psychisch-emotionalen Missbrauch Schutzbefohlener durch einen leitenden Angestellten öffentlich gemacht habe, waren es auffällig v.a. die Frauen in seiner Umgebung die ihn aktiv gedeckt haben.

     

    Ich empfinde die Eingangsfragestellung der TAZ in diesem Artikel aus diesen Erlebnissen heraus als tendenziös und einfältig. Das Problem ist komplexer.

    • @Hanno Homie:

      Ja das Problem ist komplex und tief in der Gesellschaft verankert. Man glaubt eben zu wissen was die "Anderen" wollen oder man meint was tun zu müssen.

      Auf mich als Mann gabe es auch schon sexuelle Übergriffe (alla Po grapschen etc.) allerdings musste ich in keiner Situation um meine seelische oder körperliche Versehrtheit fürchten und habe es sogar genossen. Ich finde Frauen tun das zu wenig. Sie können sich ja auch nicht sicher sein wie sowas endet. Das sind Probleme die aus gesellschaftlicher Erwartungshaltungen (Mann tut dies, Frau tu jenes), anerzogenen Machtverhältnissen sowie sozialisierte Wehrlosigkeit stammen.

      Ich denke der Ansatz auch Männer nach Erlebten zu fragen ist wichtig um es zu verstehen.

  • Das Zu-spät-Reagieren, das Belämmert-Danebenstehen -- das kennen wir Frauen auch. Wir greifen wohl öfter ein als Männer, wenn eine andere Frau bedrängt wird, weil wir uns da -- leider -- besser auskennen; aber auch ich kenne das Gefühl, als Zeugin eines schnelle Übergriffs überrumpelt zu sein und danach ein schlechtes Gewissen zu haben. Der hättich beistehen sollen, den Typen hättich anbrüllen sollen... Aber es ist schwer, selbst zu reagieren, wenn das direkte Opfer nicht oder ausweichend reagiert und der Ablauf schnell ist. Denn *anstelle* der Belästigten zu reagieren ist ja manchmal auch eine Art Übergriff, sie hat das Recht, zuerst zu kommunizieren... Ich denke, da sollte man als Zeuge/Zeugin kein zu schlechtes Gewissen haben. Sich nicht zermürben. -- Was anderes ist es, wenn man nicht aus Überrumpelung, sondern aus Feigheit schweigt...

  • Ein paar Sachen finde ich auch nicht in Ordnung, aber anderes kann ich überhaupt nicht als Problem erkennen. Wieso fühlt sich ein Mann schuldig, wenn die Frau ohne Frühstück geht - und wenn er ohne Frühstück gegangen wäre, hätte er sich auch schuldig gefühlt?

    Das kann doch 1000 Gründe haben.

     

    Dass Kinder beim Doktor-Spielen erregt sind, ist auch eher normal, das ist ja in dem Alter der Sinn der Sache, erste harmlose kindgerechte Erfahrungen zu sammeln.

     

    Schließlich finde ich auch die Frage berechtigt, ob der Mann, der für die Frau das Wort ergreift, diese nicht auch falsch behandelt, weil er ihr nicht zutraut, dies selbst zu tun.

     

    Die Szene in der U-Bahn finde ich richtig hier, da hätte man was sagen sollen (auch wenn ein Mann bedrängt worden wäre, zB ein Ausländer von Nazis oder ein Rentner von jungen Assis). Und die Fake-Bedrohung mit einem Übergriff ging natürlich gar nicht.

     

    Bei vielen anderen Sachverhalten sollten die Männer eher mal die Frauen fragen, ob sie das schlimm fanden oder man sich nicht völlig falsche Sorgen macht. So zarte Blumen sind viele Frauen gar nicht.

  • Ich habe das Gefühl, in den genannten Beispielen werden die sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit sexuellen Übergriffen von Erwachsenen vermischt. Ich halte das für unverantwortlich. Kein normaler 8 Jähriger übt sexuelle Gewalt aus, wenn er seine Sexualität entdeckt.

  • Die adnere Seite von 'metoo sind immer Männer? Jetzt mal mein Einwand dagegen:

     

    Es gibt auch Frauen, die in einer nicht hinnehmbaren Weise übergriffig werden. Mangelnde Empathie, Nähe-Distanz-Probleme sind nicht auf Männer beschränkt - auch wenn sie dort wohl häufiger auftreten als bei Frauen.

     

    Wie ist das MItgefühl der Frauen für diese Männer? Was sagen die Täterinnen? Das wäre eine Facette mehr.

    • @Celsus:

      Es wäre wirklich interessant, wenn es dazu vielleicht in nächster Zeit auch noch mal eine Befragung inkl. Antworten hier zu lesen geben würde. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall.

    • @Celsus:

      Die Beleuchtung dieser Facette Gender-bedingter Gewalt/Ungerechtigkeit ist momentan gesellschaftlich nicht erwünscht und wird es wahrscheinlich auch nicht mehr in bemerkenswerter Weise werden; zum einen, weil man die auf offiziellen Zahlen fußenden Mehrheiten der Misshandelten nun mal auf weiblicher Seite findet, zum anderen, weil wohl viele Männer, obschon sie sich durchaus als Opfer sehen, noch zu sehr in einem Rollen-Klischee gefangen sind, welches ihnen eine Beschwerde oder ein Aufbegehren in der Öffentlichkeit als zutiefst (mimimimi!) "unmännlich" stigmatisierend erscheinen lässt.

      Aber hey, das werden wir wohl überleben; ein Indianer kennt keinen Schmerz - geheult wird erst, wenn es wirklich stark blutet oder komisch absteht !

  • Auch in diesem Fall gilt sinngemäß, was Petra Reski in Bezug auf die Mafia festgestellt hat: Das Interessante sind nicht die Arschlöcher selbst. Die sind relativ berechenbar. Das Interessante sind die Abgründe der vermeintlich Guten. Denn ohne die könnten die Arschlöcher unter uns niemals das sein, was sie sein wollen.

  • Danke! Ich finde es total gut, auch diese Perspektiven in die Diskussion einzubeziehen.