piwik no script img

Oldenburger FilmfestivalEin nobler Beruf

Eine Retrospektive über den amerikanischen Produzenten Edward R. Pressman und sein Gespür für Regisseure und Themen

Wurde beim Oldenburger Filmfestival geehrt: Produzent Edward R. Pressman Foto: Patricia Battle

Edward R. Pressman ist ein schmächtiger, älterer Mann – sanftmütig, ruhig, fast scheu. Dabei ist er einer der bedeutendsten Produzenten in der US-amerikanischen Filmgeschichte. Er hat die ersten großen Filme von Regisseuren produziert, die danach dann große internationale Karrieren hatten. „Badlands“ von Terrence Malick, „Bad Lieutenant“ von Abel Ferrara, „Wallstreet“ von Oliver Stone, „American Psycho“ von Mary Harron und viele andere waren zugleich kommerzielle Erfolge und Filmkunst – nur wenige konnten diese Gegensätze so vereinen wie Pressman.

Auf der Gala des Oldenburger Filmfestivals wurde er geehrt und seine Dankesrede auf der Bühne des Staatstheaters bestand aus einem einzigen Satz: Er sei froh, dass mit ihm einmal ein Produzent geehrt würde, denn dies sei ein „nobler Beruf“.

Was er damit meine? „Oft wird es so gesehen, als wäre der Produzent in Opposition zum Regisseur, als wären die Wirtschaftlichkeit und der kreative Prozess beim Filmemachen Gegensätze“, sagt Pressman. Vom ersten Film an war ich dagegen der Meinung, dass der Produzent einvernehmlich gegen all die Widerstände, die beim Filmemachen auftreten, mit dem Regisseur zusammenarbeiten sollte.“

Er sei mit den Filmen der Nouvelle Vague groß geworden und folge bis heute den Werten, an die er seit damals glaube. Als unabhängiger Produzent sehe er sich in der Rolle eines Erfüllungsgehilfen, der dafür sorgt, dass die Regisseure ihre Visionen verwirklichen können.

Martin Scorsese hing ständig bei ihm rum

Pressman stammt aus einer Fabrikantenfamilie. Sein Vater war als der „Murmel-König von Amerika“ bekannt und hatte mit dem Gesellschaftsspiel „Chinese Checkers“, einer Variante von Halma, großen Erfolg. Die Familie unterstützte die ersten Schritte von Pressman als unabhängigem Produzenten in den frühen 70er-Jahren.

Junge Filmemacher wie Martin Scorsese und Brian de Palma hingen damals ständig in seinem Büro im Gebäude der Spielzeugfabrik herum, und de Palma wurde ein Freund. So entschied Pressman sich damals, als er von drei Filmprojekten eines produzieren sollte, für den Horrorfilm „Sisters“ seines Freundes. Ein schöner kleiner Erfolg, aber ausgeschlagen hatte er dafür „Mean Streets“ von Scorsese und „American Griffiti“ von George Lucas.

Eine Niederlage war der Versuch, den Roman Das Boot zu verfilmen

Wann ist das Publikum reif für einen Film?

Pressman entwickelte dann eine Nase dafür, große Talente unter den vielen jungen, hungrigen Filmemachern zu entdecken und sie bei den für sie entscheidenden Filmen zu fördern. Wie sah er dieses Potenzial etwa bei Terrence Malick, als er „Badlands“ mit ihm machte ?

„Solche Entscheidungen sind eher intuitiv als logisch“, sagt Pressman. „Ich erkenne die Persönlichkeit und Intelligenz bei solch einem Regisseur.“ Vom ersten Film an hätten aber auch die Schauspieler und Techniker Terrence als jemanden angesehen, der etwas Besonderes machte. Das sei für sie nicht nur ein Job von vielen gewesen. „Dieses Charisma hat mich als ersten so angezogen“, sagt Pressman.

Die Persönlichkeiten der Regisseure könnten dabei ganz unterschiedlich sein. Sie können sehr extrovertiert und grob sein wie Abel Ferrara oder Oliver Stone, aber auch ruhig und feinsinnig wie die Brüder Taviani und David Byrne. „Aber auch diese haben eine bestimmte Aura, die mich anzieht“, sagt Pressman.

Seine Arbeit ändere sich mit jedem Film und jedem Regisseur. Zum Beispiel habe Oliver Stone beim ersten gemeinsamen Film „Die Hand“ noch das Handwerk gelernt: „Ich war sehr eng mit allen Aspekten des Filmemachens verbunden. Er und ich suchten zusammen den Kameramann, die Schauspieler und die Musik aus. Als wir dann später „Wallstreet“ machten, konnte er in diesem Sinne seinen Film selber produzieren und ich war für ihn wie ein Resonanzboden, an dem er seine Ideen austesten konnte.“

Zu einer erfolgreichen Karriere als Produzent über viele Jahrzehnte gehört es auch, ein genaues Gespür dafür zu haben, wann das Publikum reif für welche Filme ist. „Badland“, „Wallstreet“ und Barbet Schroeders „Reversal of Fortune“ waren genau auf der Höhe ihrer Zeit. Pressman selber gebraucht dafür das deutsche Wort Zeitgeist: „Das macht das Kino für mich so aufregend. Es verändert sich ständig und deshalb macht die Arbeit immer noch Spaß.“

Er habe Philosophie studiert und der Film sei für ihn genauso umfassend: Er beinhalte Politik, Kunst, Umwelt und Musik. „Ich bin politisch engagiert und lese ständig, denn es ist immer noch schwierig, etwas zu schaffen, mit dem man eine Verbindung mit dem Publikum findet“, sagt Pressman. Dennoch denke er bei jedem Film töricht, er würde ein kommerzieller Erfolg.

Auch Flops gehören dazu

Hat es für ihn auch Flops gegeben ? „Natürlich! Ich habe einen Film mit James Marsh gemacht, der für ‚Man on the Wire‘ einen Oscar bekam. Direkt davor drehten wir einen sehr guten Film mit dem Titel „The King“, den niemand gesehen hat, denn in ihm ging es um Inzest und deshalb blieben die Leute weg.“

Eine Niederlage für Pressman war auch der Versuch, den Roman „Das Boot“von Lothar-Günther Buchheim zu verfilmen.: John Sturges sollte Regie führen und Richard Dreyfuss den U-Boot-Kommandanten spielen. „Wir hatten schon damit begonnen, das Boot zu bauen, als Buchheim entschied, dass er unser Drehbuch nicht mochte, weil er es für antideutsch hielt“, erzählt Pressman.

In Europa hat der Autor das Recht, bei einer Verfilmung die Rechte wieder zu entziehen. „Es gab einen Prozess, wir bekamen einen Teil unseres Geldes zurück, konnten aber den Film nicht machen“, sagt Pressman. „Drei Jahre später wurde er dann auf Deutsch gedreht und sie konnten dabei das Boot benutzen, das wir gebaut hatten.“

Statt dessen machte Pressman dann einen kleineren Film in Deutschland: Eine Adaption des Romans von Nabokov „Despair“ nach einem Drehbuch des britischen Autoren Tom Stoppard. Und Pressman „wollte unbedingt mit Rainer Werner Fassbinder arbeiten, weil er so wild war.“ Also genau der richtige Mann für ihn.

Die Blue-Ray von „Badland“ ist ab 28. September im Handel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!