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Kommentar Mietenpolitik im WahlkampfHaie würden Schwarz-Gelb wählen

Kommentar von Martin Reeh

CDU und FDP machen Politik für die Immobilienlobby. Werden sie gewählt, sieht es schlecht aus für die Mietpreisbremse.

Wer kann sich leisten, dort zu mieten? Das Resultat schwarz-gelber Wohnpolitik in Berlin Foto: dpa

N och eineinhalb Wochen dauert der vielleicht langweiligste Wahlkampf der bundesdeutschen Geschichte. Scheinbar geht es nur noch um die Frage, wer an der Seite von Angela Merkel regieren darf. Dabei geht es für Millionen Mieter in Deutschland um alles.

Kommt es zu Schwarz-Gelb, dürften inmitten einer Goldrauschphase für Vermieter die Mieterrechte reduziert werden. Schon jetzt kappt Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen die ohnehin eher symbolische Mietpreisbremse und erleichtert die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Doch Mieter bräuchten heute mehr Schutz als je zuvor. Nach einer aktuellen Studie der Böckler-Stiftung zahlen rund 40 Prozent der Haushalte mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete. 1,3 Millionen Haushalten bleibt nach den Mietzahlungen nur noch ein monatlicher Betrag unterhalb des Hartz-IV-Satzes. Dabei hält der Zuzug in die Großstädte unvermindert an, die Anlage in Betongold in Zeiten des Niedrigzinses ebenso.

Dass die Besserverdienerpartei FDP beinhart die Interessen der Immobilienverbände vertritt, verwundert nicht. Dass die Union, die von vielen Normalverdienern gewählt werden will, ebenso beinhart die Immobilienlobby stützt, dagegen schon. In der letzten Legislaturperiode hat sie alle vernünftigen Vorschläge der SPD blockiert, von der Mietpreisbremse bis zur Reduzierung der Modernisierungsumlage.

Städte, wie das rot-rot-grüne Berlin, zeigen, wie man Mieter schützen kann: mit einem Milieuschutz, der unnütze Modernisierungen erschwert. Mit einem bezirklichen Vorkaufsrecht beim Verkauf privater Mietshäuser. Mit einem Vorgehen gegen die Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen.

Mieter brauchen Verbesserungen auf Bundesebene. Die Union blockiert sie alle.

Nur: Das reicht alles nicht aus. Weil Länder und Kommunen finanziell ausgeblutet sind. Weil sehr viel Geld für öffentliche Wohnungen vom Bund kommen müsste. Und weil die entscheidenden Regelungen auf Bundesebene verbessert werden müssen. Dort blockiert aber die Union, künftig vielleicht auch die FDP.

MieterInnen dürfen aufatmen, wenn es am Wahlabend nicht für Schwarz-Gelb reicht. Offen wären dann aber noch immer Fragen, die derzeit weder SPD noch Grüne beantworten: Ist den Grünen in einer Jamaika-Koalition der Mieterschutz überhaupt wichtig – oder überlässt sie ihn der FDP? Wie zentral ist der SPD die Wohnungspolitik in einer neuen großen Koalition? Antworten sind nicht vor Oktober zu erwarten.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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19 Kommentare

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  • Ich behaupte Mal, es reicht nicht, und die AfD zieht an der FDP und den Grünen vorbei!

  • Man kann Wahlentscheidungen nicht so eindimensional sehen. Mal davon ausgehend das R2G wirklich gute Resultate für Mieter erzielt wäre die Frage eben immer noch: Wie sieht es denn in Summe aus? Es hilft ja wenig wenn man bei der Miete profitiert, die Ersparnis aber direkt wieder bei den Steuern oder Sozialabgaben verliert. Und an der Stelle verliert R2G das Vertrauen der Mittelschicht. Es heißt zwar immer wieder gerne “Wir besteuern die Reichen!” aber am Ende zahlt dann erfahrungsgemäß doch wieder die Mittelschicht.

     

    So Aktionen wie das Zurückhalten von Studien über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer durch das von der SPD geführte Wirtschaftsministerium schwächt das Vertrauen eher weiter.

  • "MieterInnen dürfen aufatmen, wenn es am Wahlabend nicht für Schwarz-Gelb reicht."

     

    Nicht nur Mieterinnen.

    Eine FDP an der Regierung halte ich ehrlich gesagt für noch schlimmer als eine AFD 'nur' im Parlament, die schwarz-geld verhindert.

    Beides schlimm, aber ersteres ne Katastrophe.

     

    Man ist das lange her, das Rot-Grün eine Mehrheit hatte, und wie grandios haben die das verbockt, das man sich sowas wünschen muss...

    Wenn man drüber nachdenkt, das wir gerade ne linke Mehrheit im Parlament haben, könnte man nur heulen.

  • Mietpreisbremse muss sein!!! Meines Erachtens ist die noch viel zu lasch. Besser ist Mietpreisdeckel. Ich habe selbst zwei Mietshäuser und muss sagen, selbst mit 6 € pro qm verdiene ich schon genug. Vor allem weil die Zinsen historisch niedrig sind und wohl auch noch lange bleiben. Eine interessante Stadt wie Berlin pulsiert vor allem wegen den einfachen kreativen, wenig verdienenden Menschen und den Menschen mit weniger Gieranspruch. Wir brauchen kein München hier, kein Köln oder Hamburg. Den Mietpreis bei 8 € qm deckeln und jeder hat seinen Frieden. Mit einem Mietshaus von 600 qm verdient er im Monat 4.800 EUR das reicht dicke. Wenn er 7.200 EUR bei 12 EUR hat kann er mehr ausgeben, die Gier steigt weiter und sein Glücklichsein nimmt noch mehr ab. Der globale Immobilieninvestorhai muss da mal schön weiter schwimmen. Also Mietpreisdeckel und fertig.

    • @Elmar Keidel:

      Die Rechnung ist richtig und die Rendite dürfte bei knapp 5 % liegen (Rücklagen vorher abgezogen) Aber wieviele Millionen Mietwohnungen sollen wieviele Staatsdiener permanent kontrollieren und wer soll die bezahlen. Und was ist mit der Kontrolle der Renditen der Optiker, Banken, Autobauer und einige wichtige hundert mehr. Also Kontrolle und dann Prozesse zu hauf und die Advokaten freuen sich.

      Das ist dann Mangelverwaltung a la DDR. Die Rahmenbedingungen müssen geändert werden und dann sind Exzesse sehr selten. Z.B. den zentralen Engpassfaktor Bauland beseitigen. Den Rest regelt der Markt im Sinne der Mieter und Bewohner, auch in Eigentum. Den nicht jeder ist glücklich als Mieter, auch wenn er wenig zahlt.

  • Klar, wer gegen die Mietpreisbremse ist oder gegen die Reduzierung der Modernisierungsumlage, kann ja nur böswillig sein und die Immobilienlobby (hier genannt: Haie) aus ganz unlauteren Motiven schützen. Geht es vielleicht noch ne Spur platter?

    • @Karl B:

      Das ist ein Kommentar und kein objektiver Sachstandsbericht. Kommentare sind immer überspitzt und subjektiv konnotiert.

  • 8G
    82741 (Profil gelöscht)

    "Besserverdienerpartei FDP"

     

    Nicht die Grünen?

    • 7G
      79762 (Profil gelöscht)
      @82741 (Profil gelöscht):

      Die Grünen sind die Besseralimentierten.

  • Ach schade um die Mietpreisbremse. Wo sie doch so enorm dazu beigetragen hat, dass in Ballungsräumen dringend benötigter Wohnraum geschaffen wird.

  • 7G
    79762 (Profil gelöscht)

    Alle Vorschläge von Posterboy Christian Lindner zur Behebung des akuten Wohnungsmangels kennen nur eine Zielrichtung, nämlich den Bau von Luxusimmobilien, die sich Normalverdiener weder zur Miete noch zum Kauf jemals leisten können, für private Investoren und Spekulanten noch lukrativer und profitabler zu machen.

    • @79762 (Profil gelöscht):

      Ich glaube zwar nicht, dass die Zielvorgabe der alleinige bau von Luxusimmobilien ist (haben Sie Quellenangaben dazu? Wahlprogramm oder ähnliches?). Aber selbst wenn es so wäre, frei nach der FDP: Der Markt würde dieses Problem lösen. Gäbe es mehr Luxusimmobilien als Menschen, die sich diese leisten können, würde der Preis sinken. Das ist erstes Semester VWL: Preise (und Mieten sind auch Preise) werden von Angebot und Nachfrage bestimmt. Praktisch gesprochen: Eine Luxuswohnung mit goldenen Wasserhähnen in Bautzen kostet weniger Miete als eine Altbaubruchbude mit tropfendem Wasserhahn in Berlin Friedrichshain. leider haben die Macher der Mietpreisbremse im ersten Semester nicht aufgepasst.

    • @79762 (Profil gelöscht):

      Wenn die dann die alte Wohnung frei machen, ist es mir völlig sch.... egal, warum die so viel Geld für den Hausmeisterdienst, das Edelparkett, das Luxusbad oder die Sicherheitskontrolle am Hauseingang ausgeben. Mir reichts, wenn es genügend Bauland gibt und viele, nach eigenem Gusto, die kleine Freiheit des eigeenen zu Hauses realisieren können und damit das Gesamtwohnungsangbot erhöhen, was tendenziel zusätzlich dämpfend auf die Preise wirkt. Oder wollen wir wieder DDR Wohnungswirtschaft, jetzt mit etwas mehr qm und richtiger Tapete? Bevorzugte Mieter sind dann zuerst die Staatsdiener in den Eingangsstufen, die dann ihr Leben lang dort wohnen bleiben, auch mit Supergehalt...

      • @Thomas Sauer:

        Na klar, die einzigen Alternativen heißen: Einfamilienhäuschen am Stadtrand oder DDR-Wohnungswirtschaft.

        Von Ihrer kleinen Eigenheimfreiheit mit handtuchgroßem 'Garten' im zubetonierten Speckgürtel fahren Sie dann mit dem Stinke-Diesel in die City (so viel 'Freiheit' muss ja sein) und gucken sich die schicken Lofts der Noch-Besser-Verdienenden an, bzw. stehen auf dem Weg dahin im Stau. Viel Spaß.

  • Die Mietpreisbremse ist ein Placebo fürs Volk. Sie kann gar nicht funktionieren. Wenn eine grosse Nachfrage auf ein geringeres Angebot trifft, werden sich immer Wege finden, viel Geld für Wohnraum zu verlangen.

    Zwei andere Maßnahmen würden dagegen helfen. Zum einen sozialer Wohnungsbaum. Dieser wurde praktisch eingestellt. Der Anstieg der Mieten war damit nicht nur vorhersehbar sondern vermutlich von der CDU/CSU bewusst gewollt. Schließlich profitieren einige Menschen davon sehr.

    Der andere Punkt wäre den Erwerb von Wohneigentum zu beschränken. Damit würden Investoren ausgegrenzt und die Nachfrage würde sinken. Auch hier hat die Bundesregierung umgekehrt viel dafür getan, dass deutsches Wohnungseigentum für Investoren interessanter wird.

    Die Mietpreisbremse wird allenfalls den Anstieg der Mieten etwas verzögern.

  • A propos scwarz/gelb.

    Hier ein Schmankerl,bei dem mir sowas von übel geworden ist.Aber seht selbst.

    Die FDP ändert sich nicht.Die alte Tante Neoliberalina hat sich nur dick Schminke aufgelegt.

    http://www.bz-berlin.de/deutschland/so-war-fdp-chef-christian-lindner-mit-18-drauf

  • An dem Tag an dem man in einer Mietpreisbremse wohnen kann , bin ich auch dafür.

  • "MieterInnen dürfen aufatmen, wenn es am Wahlabend nicht für Schwarz-Gelb reicht."

     

    Ich möchte den Autor darauf hinweisen, dass die von ihm beschriebenen Zustände unter Schwarz-Rot (bzw. R-G in NRW) zustande gekommen sind.

     

    Wohnungsmarkt und -politik sind komplizierte Felder. Ich betrachte es nicht mal als Versagen, sondern eher Politik zugunsten von Eigentümern oder "Qualitätsmietern". Diese Gruppen dürften so etwa 60% der Bevölkerung und 70% der aktiven Wähler ausmachen.

  • Na toll, Haie können also eine bestimmte Koalition wählen, während mein Wahlzettel wieder nur eine Partei zulässt.