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„Grenzwert nicht eingehalten“

Dieselgipfel Die meisten Autos würden auch nach den geplanten Software-Updates zu viel gesundheitsschädliches Stickoxid ausstoßen, sagt Chemiker Peter Mock

Interview Anna Parrisius

taz: Herr Mock, wie bewerten Sie das Ergebnis des Dieselgipfels von Bundesregierung und Autoindustrie?

Peter Mock: Das Ergebnis – die Nachrüstung, die jetzt beschlossen wurde – ist keine wirkliche Nachrüstung, sondern nur ein Software-Update. Das Update kann bei Fahrzeugen gut funktionieren, die die neueste Technologie, nämlich einen SCR-Katalysator, an Bord haben. Diese Autos können die aktuellen Grenzwerte für das gesundheitsschädliche Stickoxid dann auch einhalten. Viele Autos haben diesen Katalysator aber nicht, und da bringt dann auch das beste Software-Update nicht viel.

Was bewirkt das Update?

Das Update führt bei einem Teil der Fahrzeuge dazu, dass mehr Harnstoff eingespritzt wird und damit die Stickoxide reduziert werden können. Diese Autos und deren Betrieb sind dann sauberer. Im Gegenzug muss der Kunde den Harnstofftank häufiger nachfüllen. Bei Fahrzeugen, die nicht über die SCR-Technologie verfügen, kann man den Stickoxidausstoß nur ein kleines Stück weit per Software-Update reduzieren. Wenn man Verbrauch und Leistung konstant halten möchte, ist da sehr wenig rauszuholen. Wir stehen da vor einem Zielkonflikt. Ich kann den Motor entweder auf seinen Kraftstoffverbrauch, auf niedrige Schadstoffemissionen oder auf Leistung optimieren, alles zusammen geht nicht.

Wie viele Autos in Deutschland haben einen SCR-Katalysator?

Aktuelle Zahlen gibt es nicht. Nach einer Studie von uns von 2015 war ungefähr die Hälfte aller Fahrzeuge der neuesten Abgasnorm Euro 6 mit der SCR-Technologie ausgestattet. Die andere Hälfte hatte die Technologie noch nicht, und bei den Euro-5-Fahrzeugen ist sie sehr unüblich, die meisten Fahrzeuge haben dann nur einen Stickoxidspeicherkatalysator. So ein Speicherkatalysator kann zwar im Prinzip auch sehr gut funktionieren, allerdings ist dieser bei den meisten Fahrzeugen viel zu klein dimensioniert und damit in der Praxis kaum zu gebrauchen. Das bedeutet: Die meisten Diesel-Pkws werden auch nach dem Update die Grenzwerte nicht einhalten.

Peter Mock

36, ist Geschäftsführer der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation in Deutschland.

Mit dem Test deutscher Diesel­fahrzeuge in den USA brachte seine Organisation den VW-Skandal ins Rollen.

Warum wurde die Software nicht schon früher geändert?

Bei den Fahrzeugen mit SCR-Technologie hätte man das schon längst machen können. Nachteil dabei: Der Kunde hätte mehr Harnstoff nachspritzen müssen oder die Autohersteller hätten größere Harnstofftanks in die Fahrzeuge einbauen müssen. Bei den anderen Autos ohne SCR-Technologie war schon in der Vergangenheit klar, dass ein Update keinen großen Effekt bringen wird, deswegen wurde das, denke ich, auch nicht angegangen.

Welches Ergebnis des Dieselgipfels hätte Sie zufriedengestellt?Der Krisengipfel war an sich ein gutes Signal, auch wenn er zu spät kam. Die Software-Updates sind grundsätzlich auch erst mal eine gute Idee, man kann sie auf jeden Fall durchführen und wird hoffentlich auch einen kleinen Effekt erzielen können. Aber das wird nicht reichen. Beim Gipfel hätte man in meinen Augen eigentlich Hardware-Nachrüstungen beschließen müssen. Bei den Fahrzeugen, bei denen ein Software-Update fast nichts bringt, muss die alte Technologie ausgebaut und durch eine neue SCR-Technologie ersetzt werden. Viele Autos sind dann nahezu so sauber wie die neueste Dieselgeneration. Aber das ist eben aufwendiger, das ist deutlich teurer und bei manchen Fahrzeugen ist auch das nicht möglich.

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