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Kolumne Nach GeburtWenn Mann zuviel verdient

Nun ist eine noch bessere Erklärung dafür aufgetaucht, warum Väter seltener Elterngeld und Elternzeit in Anspruch nehmen.

Dreiste Frage: Wer lässt sich schon auf ein Elterngeld von maximal 1.800 Euro im Monat erniedrigen? Foto: dpa

D as Jahr 2006. Herbst. Der kalte Entzug von der rauschhaften WM schmerzt, da läuft das Methadon „Deutschland. Ein Sommermärchen“ in den Kinos an. In dem Film gibt es eine Szene, in der Kanzlerin Angela Merkel die Spieler in ihrem Quartier besucht. Torwart Jens Lehmann stellt ihr die Frage, womit sie ihn denn davon überzeugen könnte, wieder nach Deutschland zu ziehen. Merkel erzählt vom Elterngeld, dafür müsste Lehmann aber mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen, und außerdem liege die Höchstgrenze bei 1.800 Euro.

Alle Spieler lachen.

Vor drei Wochen schrieb ich darüber, dass – zumindest aus meiner Sicht – zu wenige Männer Elterngeld in Anspruch nähmen und die Gründe dafür, die ich zu hören bekomme. Und dass ich meine Lieblingsausrede – Papa wird von Mama bei der Kinderbetreuung nicht rangelassen – nicht mehr hören könne.

Neues Opfernarrativ

Das gab Widerspruch. Väter seien nun mal die Hauptverdiener. Und Frauen bekämen halt weniger Gehalt, aber dafür könnten ja die Männer nichts. Überhaupt: 1.800 Euro Elterngeld seien einfach zu wenig.

Das stimmt natürlich alles – und da hatte ich einen Sinneswandel. Mein Lieblingsnarrativ ist nicht mehr das von den Männern, die sich zu Hause nicht durchsetzen können, sondern: Ich kann keine Elternzeit nehmen, weil ich zu viel verdiene.

Das ist eine häufig gehörte Erklärung. Der Staat müsse halt bessere Anreize schaffen, wenn er die Männer zu Hause halten wollte. Elterngeld von maximal 1.800 Euro? Pah.

Wenn Männer solche Dinge erzählen, dann nicken viele voller Verständnis. Auch Frauen. Jaja, die Politik, zu blöd, auf die kann man’s ja schieben.

Wir reden hier übrigens von 65 Prozent des Nettoeinkommens, die Deckelung von 1.800 Euro greift also erst, wenn jemand 2.770 Euro oder mehr pro Monat verdient. Netto.

Luxusproblem

Freunde, vielleicht erinnert ihr euch, vor einigen Jahren sind Mütter nach der Geburt noch aus der Arbeit ausgestiegen und haben ein paar Euro bekommen. Und jetzt sind 1.800 Euro nicht Anreiz genug, um ein paar mehr Monate mit den eigenen Kindern zu verbringen?

Ich versteh das nicht. Kinder fallen ja nicht einfach vom Himmel. Gehen wir mal davon aus, dass Frau nach drei Monaten Schwangerschaft weiß, dass sie schwanger ist. Dann bleiben noch rund sechs Monate bis zur Geburt. Dann nimmt womöglich zuerst sie Elternzeit, sagen wir zehn Monate. Das heißt: Bevor der Vater dran ist, hat er (und seine Freundin oder Frau) 16 Monate Zeit gehabt, zu planen und zu sparen.

Der Staat müsse halt bessere Anreize schaffen, wenn er die Männer zu Hause halten wollte. Elterngeld von maximal 1.800 Euro? Pah.

Wenn ich als Vater also so viel verdiene, dass 1.800 Euro einen zu großen Abstand zu meinem sonstigen Gehalt darstellen, sollte ich es doch hinbekommen, über 16 Monate so viel Geld zur Seite zu legen, um vier Monate mit ihrem Gehalt und den 1.800 Euro vom Mann über die Runden zu kommen.

Schön war nach meiner letzten Kolumne übrigens auch der Vorwurf: Der Mann hat noch nie Elterngeld beantragt.

Bei uns bekommt seit fast drei Jahren immer mindestens einer „nur“ Elterngeld. Und keiner von uns den Höchstsatz.

Keiner lacht.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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20 Kommentare

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  • "Luxusproblem" ist die passende Beschreibung.

    Wer nicht zu den Besserverdienern gehört, bekommt sowieso nicht den vollen Satz. Da verzichtet "Mann" in der Regel auf Elternzeit, weil 67% als Familieneinkommen nicht ausreichen.

    Das betrifft all die Leute in schlecht bezahlten Jobs. Befristete, Aufstocker, diejenigen die im Jahr vor der Geburt kurzzeitig arbeitslos waren (z.B. Bauarbeiter).

     

    Besserverdiener provitieren schon übermäßig durch Kinderfreibeträge, durchs Elterngeld werden sie zusätzlich bezuschusst.

     

    Als wäre die Vermögensverteilung in Deutschland noch nicht ungerecht genug.

     

    Ich konnte mir das Elterngeld nicht leisten, da im Jahr vor der Geburt 7 Monate in Teilzeit gearbeitet hatte, dann einen Monat Arbeitslos war (Jobwechsel wegen Umzug zur Frau) und dann 4 Monate Vollzeit. Damit hätte ich ~700€ Elterngeld bekommen.

    Elternzeit habe ich dann später unbezahlt gemacht, als meine Frau einen Job gefunden hatte.

  • Könnte es sein, dass 1.800 Euro für viele Frauen nur deswegen ausreichen, da die Männer weiterhin verdienen? Gäbe es kein Geld ... blieben sie dann auch immer Zuhause?

     

    Die 1.800 Euro Elterngeld wären trotzdem für viele Männer ausreichend, wenn er sie denn bekäme! Bei Monaten Eltern fällt in der Regel ein Monat weg, da ja das Zuflussprinzip gilt: d.h. alle Gehaltsanteile und Zuflüsse in der Elternzeit werden angerechnet. Die Mütter bekommen in der Regel anrechnungsfreies Krankengeld oder Mutterschutzgeld, daher werden sie nie gekürzt ... die Finanzlücke ist also noch größer. Von den laufenden Pflichtversicherungen mal abgesehen ...

     

    Es soll ja Freiberufler geben, die bei der Angabe ihrer Einkünfte schummeln und daher trotzdem Elterngeld bekommen ...

     

    Aber immer schön auf den Männern rumhacken, die ja die Kohle in der Regel nur für die eigenen Hobbys ausgeben ...

  • Bei unseren beiden Töchtern hat meine Frau Elternzeit genommen. Wir hätten beide Kinder mit oder ohne Elterngeld gezeugt. Es war schon immer klar dass wir Kinder wollen und ebenso, dass wir kein Kind möchten, dass alleine aufwächst.

     

    Die Elternzeit habe ich nicht genommen, ich wohne keine 5 Minuten Fußweg von der Arbeit entfernt und bin Freitag ab Mittag und an den Wochenenden daheim, wozu soll ich da bitte noch Elternzeit einlegen. Ich erkenne schlicht den Sinn hierin nicht.

     

    Allerdings teile ich auch nicht ihr Bild von einer Gesellschaft. Denn nach meiner Meinung braucht das Kind in erster Linie die Mutter und dann den Vater.

    • @insLot:

      Na Servus

       

      "…Allerdings teile ich auch nicht ihr Bild von einer Gesellschaft. Denn nach meiner Meinung braucht das Kind in erster Linie die Mutter und dann den Vater."

       

      Na wußt ik's doch - wa!

      Da harrik wieder mal 'n

      Janz schlechtes Bild abjejeben - kerr!

      • @Lowandorder:

        Mit besten Grüßen

        "The man with the dog &

        The two children."

         

        ps -die mißratene Tochter wird vom

        Jüngsten begrüßt - "schläfst du heut nacht hier!" "Ja!" - wortlos ab.;))

        -----

        Sie "…& dann kann ich erstmal die Waschmaschine anwerfen -

        Er sieht es nicht!"

        Ern Vadder "Kunststück - Muttersohn! Die sehen nie was!

        Also - beibringen. Nur Mut"!;))

        kurz - Was manche so für Bilder im Kopp haben - Nich to glöben!

        • @Lowandorder:

          & nochens - wa!

           

          Männerbild - auch klar!

          Ming Daughter - Mutter fulltime Chirurgin - bekam natürlich ein grauenhaftes vermittelt -

          "Du arbeitest ja gar nicht richtig!"

          Nu. Das mit 12. Als Kliniksärztin Onkologie f. kids "Heute weiß ich was du fürn harten Job hattest!"

          Na na!;) - Wennste für deinen Kopp - Weniger für deinen Arsch - bezahlt wirst - Liegt die Wahrheit irgendwo am Ostpol - wa!

  • "Und dass ich meine Lieblingsausrede – Papa wird von Mama bei der Kinderbetreuung nicht rangelassen – nicht mehr hören könne."

     

    Ah ja. Dann ist es also definitiv ausgeschlossen, das da etwas dran sein kann. Sie haben ja detaillierten Einblick in alle Beziehungen. Das da aus ideologischer Voreingenommenheit etwas von Ihnen nicht wahrgenommen wird, ist selbstredend unmöglich.

    • @rawjr:

      Bei meiner ersten Perle -

       

      Durfte ich schließlich & endlich

      Die Waschmaschine bedienen -

      Aber die Wäsche nicht in den Schrank legen. Was paßte - weil schon beim

      Bund - Nie nach Brandt/Reibert aussah!

      kurz - Den Mamismo als Gottgegeben -

      Was für'n schmales Brett ist das denn!

      Rosa Schleifchen vs Blaue Buchsen!

      Mach Bosse.

      Die Kopfgeburten hier im Männerfeld

      Einsame Spitze.

      Da mähtste nix.

      Normal.

       

      (Ps ming Mouder*03 hätte ihren Wänstern was gehustet -

      Aber derbe!;))

  • ".... sollte ich es doch hinbekommen, über 16 Monate so viel Geld zur Seite zu legen, um vier Monate mit ihrem Gehalt und den 1.800 Euro vom Mann über die Runden zu kommen."

     

    Es geht in DE um "mehr mehr mehr" ... doch nicht "über die Runden zu kommen". Die Politik wird aber ein "mehr mehr mehr" für das Individuum, zumal aus Steuergeldern, nicht unterstützen können, also bleibt es wie es ist.

     

    Ist aber auch gut so: Der Staat macht Angebote, das Individuum entscheidet.

  • Das mit dem Planen und Sparen ist so eine Sache. In den meisten Beziehungen wird halt MIT dem vollen Einkommen des Mannes geplant - und zwar auch und gerade vonseiten der werdenden Mütter. Das reduziert den Spardruck, und den kann niemand in dieser besonderen und stressigen Phase des Lebens gut brauchen.

     

    Wenn das für die Mütter heißt, deutlich mehr Zeit mit dem Nachwuchs verbringen zu "müssen" als der Vater, dann warte ich bis heute vergeblich auf einen konkreten Fall in der Bekanntschaft (wo die meisten ihre persönlichen Fortpflanzungsziele schon erfüllt haben), in dem das wirklich als Malus begriffen wird. Warum Vollzeit auf Maloche, wenn frau doch so eine super Ausrede hat, das dem Mann zu überlassen?

     

    Es ist mal wieder gutmenschelnde Übergriffigkeit, von seinen Zeitgenossen Rechtfertigungen dafür einzufordern, dass sie ihr familiäres Erwerbsmodell nicht paritätischer ausrichten. Das wollen die vermeintlich Begünstigten einer solchen Gleichstellung vielfach gar nicht. Und sie sehen nicht ein, warum sie IHRE Wünsche im Leben hinter die Wünsche irgendwelcher gesellschaftpolitischer Träumer nach ausgeglicheneren Statistiken zurückstellen sollen.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Ich finde Elterngeld, das abhängig vom Gehalt gezahlt wird, eine Ungeheuerlichkeit, insofern gut verdienende Eltern ja nicht mehr leisten, wenn sie zu Hause bleiben, um sich um ihr Kind zu kümmern und auch nichts in eine diesbezügliche Versicherung eingezahlt haben, was ggf. ein höheres Elterngeld rechtfertigen würde. Es werden schlicht besser Verdienende bevorzugt. Warum nicht für alle 1800 EUR? Das wäre für viele eine Gehaltsaufstockung. Na und!?

     

    Ein Freund machte übrigens neulich just das vom Autor angeführte Argument geltend: ihm würden über 1000 EUR entgehen. Na, Jottseidank gab es zur unserer Zeit beim Erziehungsgeld einfach nur 600 DM pro Kind. Das fanden wir damals viel und es hat uns geholfen, als wir noch nicht viel verdienten bzw. noch im Studium waren.

    • @849 (Profil gelöscht):

      1.) Bundeserziehungsgeld wird aus Steuermitteln finanziert, NICHT aus einer Versicherung!

      2.) Jemand der viel verdient hat allermeistens auch eine höhere Steuerlast getragen als jemand der weniger verdient. Somit ist es sogar ausdrücklich sehr sozial, wenn bei 1800 €/mon ein Deckel gezogen wird; denn in dieser Logik würde besser Verdienden eigentlich mehr zustehen. Somit profitieren Geringverdiener stets mehr als Gutverdiener.

      • @Tom Farmer:

        "Jemand der viel verdient hat allermeistens auch eine höhere Steuerlast getragen als jemand der weniger verdient."

        Die Frage muss lauten, ob der der viel verdient, es tatsächlich verdient hat und dazu, welche gesellschaftlichen Netztwerke und Pyramidenstrukturen er dafür in Anspruch genommen hat. Es ist kein Almosen, wenn der Vielverdiener auch steuerlich mehr abgibt, sondern eine logische und leider noch zu billige Apanage - Stich(un)wort Leistungsträger. Arbeit, Mühe, Entbehrung steigen und fallen nicht propotional mit dem Einkommen. Das ist eine der großen gesellschaftlichen Lügen, dass wer wenig vedient, für den Staat wenig leistet. Es ist u.a. fern der Steuer zum großen Teil genau andersherum.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Tom Farmer:

        Ad 1. Das war ja gerade mein Argument, dass dieses Geld aus keiner Versicherung bezahlt wird, sondern mit Steuermitteln Besserverdienende bezuschusst werden, die nichts dafür getan haben.

         

        Ad 2. Wenn Sie gerade angefangen haben, viel Geld zu verdienen, bekommen sie das Erziehungsgeld aber auch. Höhere Steuerlast ist zudem überhaupt kein Argument. Wenn Sie auf Hartz4 abrutschen und zuvor ein Schweinegeld an Steuern abgedrückt haben, interessiert sich auch niemand für ihre zuvor eingezahlten Steuern. Wenn Sie höhere Beiträge zahlen, z.B. in die Renten- oder Arbeitslosigkeitsversicherung, dann allenfalls ist ein höherer Anspruch auf Bezüge plausibel.

    • @849 (Profil gelöscht):

      "...insofern gut verdienende Eltern ja nicht mehr leisten, wenn sie zu Hause bleiben, um sich um ihr Kind zu kümmern..."

      Ja, des Gutverdienenden Kind erreicht wohl später einen höheren Bildungsabschluss und wird später voraussichtlich seltener ein H4- Mensch und ist auch ansonsten strebsamer. Mit dieser Abstufung im Elterngeld wollte man die kühlen Rechner hinterm Ofen hervor locken - Ein staatliches Zuchtprogramm.

      Kinder haben heißt immer Entbehrung und für die Wohlstandseltern MUSS das unbedingt abgemildert werden, denn es ist ja da wohl vielmehr auch eine wirtschatl. Entscheidung für oder gegen ein Kind.

      Ja, nochmal für hoch dotierte Elterngeldbezieher- ein staatliches Zuchtprogramm nach Verwertbarkeit - nicht nach Entbehrungsfähigkeit. Ich würde dem Manager in Elternzeit 1 Mio für 2 Monate zahlen; kommt vll ein kleiner Spitzenbanker bei raus - ein echter Leistungsträger! Wenn nicht, dann zurückzahlen oder die Eltern einen leben lang dazu verdonnern, im JC oder JA als Sachbearbeiter zu arbeiten.

      • @lions:

        ;))

      • @lions:

        Mit Sozialneid sind keine Teilhabe-Defizite zu lösen.

        • @TazTiz:

          Beliebtes Argument! Einen Hummerfahrer zu fragen, warum er über 3 t Stahl zum Transport für seinen Hintern benötigt, wird von diesem in etwa auch so beantwortet.

          • @lions:

            "Die Frage muss lauten, ob der der viel verdient, es tatsächlich verdient hat und dazu, welche gesellschaftlichen Netztwerke und Pyramidenstrukturen er dafür in Anspruch genommen hat."

             

            Sie können der arbeitenden und dadurch "viel" verdienenden Bevölkerung auch gleich ins Gesicht spucken! Während Sie sich morgens in Ihrem Harzt-IV Elends-Bett nochmal umdrehen, sind die Vielverdiener schon auf den Beinen und erwirtschaften das Steuergeld. Vorher bringen sie noch ihre Kinder in Schule und Kita ...

  • "Ich versteh das nicht" -- Das Problem der Linken im Jahr 2017. Sie versteht die Menschen nicht.