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Kommentar: Razzia für ein InterviewEinschüchterungsversuch

Es fällt schwer, das Vorgehen des Staatsschutzes gegen mutmaßliche Interviewpartner nicht als Akt der Repression zu werten.

Brandanschlag auf die Hamburg-Messe: Ein Feuerwehrmann löscht eine brennende Barrikade. Foto: Francis Dean/dpa

Zeigt der Staat jetzt sein wahres Gesicht? Ist es alles nur Gerede, wenn der rot-grüne Senat die Zivilgesellschaft und den Rechtsstaat preist? Es ist schwer, das Vorgehen des Staatsschutzes gegen mutmaßliche Interviewpartner der taz nicht als Akt der Einschüchterung zu werten. Zu viel spricht dafür.

Die Verdächtigen wurden in ihren Wohnungen überfallen, weil sie in moderatem Ton einen Brandanschlag auf die Messehallen – eine Sachbeschädigung – gerechtfertigt haben. Vielleicht mag es noch nachvollziehbar sein, dass die Staatsanwaltschaft prüft, ob in dem Interview Straftaten gebilligt wurden. Katastrophal ist jedoch die Art und Weise, in der sie diese Ermittlungen vorangetrieben hat. Das Interview wurde unter Pseudonymen veröffentlicht. Trotzdem hat die Polizei die mutmaßlichen Sprecher identifiziert. Das legt nahe, dass sie und/ oder der Verfassungsschutz entweder die taz oder die linken Aktivisten überwacht hat. Mit welchem Recht?

Die Durchsuchung fand mehr als ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Interviews statt und wenige Tage vor Beginn des G-20-Gipfels in den Messehallen. Wenn das keine Warnung ist!

Und als ob das noch nicht gereicht hätte, traten Polizisten nach Angaben der linken Szene bei der Hausdurchsuchung Wohnungstüren ein und sie brachen Stahltüren der Vereinsräume auf. Die Verdächtigen seien mit vorgehaltenen Maschinenpistolen aus den Betten geholt worden.

Ob sich Polizei und Staatsanwaltschaft mit diesem Muskelspiel einen Gefallen getan habe, ist sehr die Frage. Es dürfte vielmehr dazu beitragen, das Misstrauen gegenüber dem Staat zu vergrößern und könnte bei den Demonstrationen der kommenden Tage zusätzlich Menschen auf die Straße treiben.

Der Senat hat den Gipfel mitten in Hamburg mit dem Argument gerechtfertigt, es gelte zu zeigen, dass solche Veranstaltungen nicht nur in Autokratien organisiert werden könnten. Wenn die Demokratie darob selbst zur Autokratie wird, ist nichts gewonnen.

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9 Kommentare

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  • ...ihr seit nichts als Linke Spießer, und eigentlich wart ihr das schon immer...

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Brandanschläge und Gewalt sind eben völlig in Ordnung, solange sie von der richtigen (linken) Seite ausgehen.

    Denn was auch immer aus der Position der moralischen Überlegenheit heraus getan wird, kann nicht schlecht sein.

  • "Es fällt schwer, das Vorgehen des Staatsschutzes gegen mutmaßliche Interviewpartner nicht als Akt der Repression zu werten."

    -

    Es geht hier um Strafverfolgung. Jedes polizeiliche Handeln ist entweder präventiv oder repressiv (=Strafverfolgung).

  • Das Vorgehen der Polizei mag und kann sehr hart erscheinen, aber: Wer Brandanschläge billigt, der billigt - in letzter Konsequenz - auch, dass Menschen verbrannt werden.

    • @Hartwig Lein:

      Sie erinnern mich an meine damalige Gewissensprüfung: "Wenn Sie einen Führerschein haben, nehmen Sie doch auch in Kauf, einen Menschen zu töten!"

      Schwachsinn zum Quadrat.

      • @Pancho:

        Sehen Sie eventuell einen Unterschied zwischen einem Brandanschlag und Autofahren?

         

        "Schwachsinn zum Quadrat." assoziiere ich eher mit anderen Kommentaren. Wegen der Netiquette möchte ich aber nicht sagen, welche mir dazu einfielen.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Hartwig Lein:

      "Wer Brandanschläge billigt, der billigt - in letzter Konsequenz - auch, dass Menschen verbrannt werden", dies ist eine Unterstellung, die auch als Verleumdung gewertet werden könnte.

      Vielleicht sollten Sie das Interview genau, also Wort für Wort, lesen.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Der Satz stimmt leider und das Interview spiegelt es deutlich. Die Arroganz, reultierend aus dem Gefühl der moralischen Überlegenheit, der beiden Interviewten ist bemerkenswert.

         

        Die Taz hatte mal vor einiger Zeit einen guten Artikel, der deutlich machte, dass brennende Asylbewerberheime inakzeptabel sind, auch wenn dort noch keine Asylbewerber untergebracht sind. Es könnte beispielsweise ein Wachmann verbrennen. Das ist bei einem Messegelände sind auch Wachschützer unterwegs.

    • @Hartwig Lein:

      Und genau das ist der Grund, warum es mich damals so sprachlos gemacht hat, dass die Taz mit dem Artikel den Leuten noch so ein Podium lieferte.