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Verkehrspolitik in HamburgCDU will Autoverkehr retten

Eigentlich soll Hamburg radfahrerfreundlicher werden. Die CDU-Fraktion fordert hingegen eine Abkehr vom Konzept „Fahrradstadt“

Beliebte Strecke: Ein Fahrradbarometer zählt die Radler an der Alster Foto: Axel Heimkehr/dpa

HAMBURG | taz Die CDU versucht, sich vom rot-grünen Senat abzusetzen und steuert in der Verkehrspolitik um. Fraktionschef André Trepoll verlangt, die vermeintliche Bevorzugung des Fahrrades zu beenden. „Der Senat geht mit der Brechstange einseitig gegen den Auto- und Fußgängerverkehr vor“, kritisiert er.

Dabei ist Hamburg weit davon entfernt, ein Radlerparadies zu sein. Im Klimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) erhielt es nur die Note Vier. Die Radler sind unzufrieden mit zu engen Wegen und dem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer.

Der Senat möchte dies ändern. Jährlich sollen 50 Kilometer Radwege gebaut werden, der Anteil an Radverkehr soll auf 25 Prozent steigen und die Sicherheit soll erhöht werden. „Wir haben das Leitbild, dass wir Fahrradstadt werden wollen“, sagt Martin Bill von der Grünen-Bürgerschaftsfraktion.

CDU-Fraktionschef André Trepoll hält dies für eine Utopie: „Von den 35 fahrradfreundlichsten Metropolen Europas hat keine mehr als 600.000 Einwohner. Das muss man sich vor Augen führen, wenn man Konzepte von Kleinstädten auf eine Metropole von zwei Millionen Menschen überträgt.“

Fahrradstadt Hamburg

Jedes Jahr sollen 50 Kilometer Radweg in Hamburg entstehen oder ausgebaut werden. Das ist ungefähr doppelt so viel wie 2014 gebaut wurde.

2008 lag der Anteil von Radfahrern im Verkehr noch bei zwölf Prozent. In den nächsten Jahren soll er auf 25 Prozent steigen.

Dafür soll das Veloroutennetz ausgebaut werden. Das besteht bereits aus 14 besonders ausgebauten und ausgeschilderten Radwegen, die Stadtteile sternförmig mit der Innenstadt verbinden.

Seit 2009 kann auch das Stadtrad benutzt werden. 2014 gab es 1.650 solcher Leihräder und 280.000 KundInnen.

Dass dies in einer Großstadt funktionieren kann, zeigt London. Dort leben mehr als acht Millionen Menschen, allein im Innenstadtbereich circa drei Millionen. Im morgendlichen Verkehr benutzen 32 Prozent das Fahrrad in der Innenstadt, auf einigen Hauptstraßen sogar bis zu 70 Prozent. .

Trepoll hält dagegen, dass Hamburg mehr Industrie als London habe. Daher dürfe der Wirtschaftsverkehr nicht gestört werden: „Es ist keineswegs unsere politische Auffassung, dass man den Radverkehr nicht fördern sollte“, sagt er. „Aber an leistungsfähigen Hauptverkehrsstraßen führt kein Weg vorbei.“

Welche Radwege jedoch überhaupt auf großen Straßen geeignet sind, ist einer der Hauptstreitpunkte zwischen Rot-Grün und der CDU. Letztere fordert sogenannte Hochbordradwege auf dem Bürgersteig neben der Fahrbahn. Bill hält dagegen, dass Fahrradstreifen auf der Straße der empfohlene Standard seien. „Die sind in der Regel auch am besten machbar“, sagt er. Problematisch seien die Hochbordradwege, weil durch parkende Autos und Büsche die Sicht eingeschränkt sein kann und dies die Unfallgefahr erhöht.

Auf den neu gebauten Strecken habe es bisher keine schweren Unfälle gegeben. „Unfälle mit Schwerverletzten oder gar Toten geschahen an Kreuzungen und Einmündungen, an denen es noch die alten Radwege gab“, sagt Bill. „Es ist objektiv sicherer auf der Fahrbahn zu fahren, auch wenn es subjektiv ungewohnt ist.“

Nach Ansicht Trepolls müssen sich die gestiegenen Autozulassungen im Verkehrskonzept niederschlagen. In den vergangenen fünf Jahren wurden 76.000 Autos zusätzlich zugelassen. Zur gleichen Zeit wuchs aber auch die Bevölkerung um ungefähr 70.000 Menschen.

Trepoll befürchtet, dass Autofahrer bei der Verkehrsplanung zu kurz kommen: „In Altona wurden teilweise nur 600 Radfahrer am Tag, aber 40.000 PKWs gezählt“, sagt er. Bei einer Interessenabwägung könne die Politik nicht den Radverkehr einseitig fördern und Stau im Autoverkehr erzeugen.

Rot-Grün setzt andere Prioritäten: Ziel sei, dass am Ende eines Umbaus von Straßen vernünftig Fahrrad gefahren werden könne, sagt Bill. „Wie das konkret gemacht wird, entscheidet sich im Einzelfall.“

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