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Vor dem G-20-Gipfel in HamburgDrohgebärden von beiden Seiten

Ab Montag treffen sich die Innenminister der Länder zur Konferenz. Mit Sorge blicken sie auf ein Großereignis: den G-20-Gipfel in Hamburg im Juli.

Hamburg macht sich bereit für den Ausnahmezustand Foto: dpa

Berlin taz | Wenn Hamburgs Innensenator Andy Grote am Montag nach Dresden reist, wird er ein wenig beruhigendes Lagebild mitbringen. Knapp vier Wochen noch, dann wird in Grotes Heimat der G-20-Gipfel stattfinden. Und das, was der SPD-Mann in Dresden als Ausblick berichten wird, klingt stark nach Ausnahmezustand.

Grote und seine Länderkollegen treffen sich in der sächsischen Landeshauptstadt für drei Tage zur halbjährlichen Innenministerkonferenz. Neben der terroristischen Bedrohung wird das bevorstehende Gipfeltreffen der 20 einflussreichsten Regierungschefs ein dominierendes Thema sein. Und die Innenminister sind in Sorge.

„Militante Extremisten“ würden den G-20-Gipfel „für ihren gewalttätigen Kampf gegen unsere freie Gesellschaft ausnutzen“, warnte Grote bereits jüngst. Mit einem „erheblichen Gewaltpotential“ und bis zu 8.000 militanten Autonomen, auch aus Skandinavien und Südeuropa, sei zu rechnen.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU), der ebenfalls an der Innenministerkonferenz teilnehmen wird, warnt. „Wir müssen davon ausgehen, dass ein erhebliches Klientel gewaltbereiter Demonstranten das Ziel haben wird, den G-20-Gipfel zu stören“, sagte seine Sprecherin der taz.

Hamburg – eine gewagte Ortswahl

Tatsächlich ist die Wahl Hamburgs als Gipfelort gewagt. Die Stadt gehört zu den autonomen Hochburgen der Republik. Die Bundesregierung hat die Stadt erwählt, weil nur in einer Großstadt die Logistik für den G-20-Gipfel mit seinen gut 6.000 Teilnehmern zu stemmen sei.

Die linksradikale Szene läuft sich seit Monaten für die Proteste warm. Sonst zersplitterte Gruppen arbeiteten nun zusammen, heißt es in einem internen Lagebericht der Hamburger Polizei. Die Gipfelteilnahme von „Reizpersonen“ wie US-Präsident Donald Trump oder des türkischen Staatschefs Recep Erdogan wirke „mobilisierungsverstärkend“.

Reizpersonen wie Donald Trump wirken „mobilisierungs-verstärkend“

Tatsächlich klingen einige Protestaufrufe martialisch. „G-20-Gipfel blockieren, sabotieren, demontieren“, heißt es in einem Aufruf des autonomen Bündnis „G 20 Welcome to hell“. Das Treffen stehe „in seiner ganzen Form symbolisch und praktisch für vieles, was wir fundamental ablehnen“. Der Widerstand werde „unberechenbar“ sein.

Die Autonomen wollen einen Tag vor Beginn des Gipfels am 6. Juli demonstrieren. Zwei Tage später soll es eine Großdemonstration mit mehreren zehntausend Teilnehmern geben. Daneben kündigen Gipfelgegner auch Blockaden der Zufahrtswege zu den Tagungsorten – den Messehallen und der Elbphilharmonie – an. Auch den Hafen will man lahmlegen.

Die Polizei will mit dem größten Einsatz in der Hamburger Geschichte dagegen halten. Erst am Freitag verkündete Innensenator Grote ein Demonstrationsverbot für weite Teile der Innenstadt während des Gipfels. Rund um die Tagungsorte hat die Polizei strenge Sicherheitszonen angekündigt, bewacht mit Scharfschützen und Panzerwagen.

Grote warnte vor Schusswaffen

Insgesamt 15.000 Polizisten aus den Ländern sollen den Gipfel absichern. Dazu kommen 3.800 Beamte der Bundespolizei, samt Spezialeinheit GSG9. Seit Freitag sind auch erste BKA-Beamte in der Stadt. Anreisen werden auch ausländische Sicherheitskräfte. Innensenator Grote sprach auch hier eine Warnung an die Demonstranten aus. Sollten diese etwa die Limousine des US-Präsidenten Trump mit Blockaden stoppen, könnten Personenschützer das als Ernstfall verstehen und zu Schusswaffen greifen.

G20 in Hamburg

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Während der Gipfeltage werden eigens wieder Grenzkontrollen eingeführt. Einreiseverbote würden bei Personen geprüft, die in der Vergangenheit straffällig waren oder Waffen dabei hätten, heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Eingerichtet wird auch eine Flugverbotszone für Privatflieger. Selbst das Steigenlassen von hunderten Heliumballons, mit denen Demonstranten Flugzeuge stören könnten, gilt als Gefahrenszenario. Für möglich hält die Polizei auch, dass Gegner den Polizeifunk stören oder Ampeln manipulieren könnten.

Für festgenommene Protestierer wird für rund vier Millionen Euro eine Gefangenensammelstelle neu aufgebaut, in einem früheren Großmarkt. 400 Personen sollen dort in 50 Einzel- und 70 Sammelzellen festgesetzt werden können.

Als „unverantwortliche Machtinszenierung“ kritisiert Nico Berg, einer der Sprecher der Gipfelgegner, das Treffen und den Sicherheitsaufwand. „Davon werden wir uns aber nicht einschüchtern lassen. Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der man sich aus Angst vor der Polizei nicht vor die Tür traut.“

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21 Kommentare

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  • Eine Klarstellung ;)

    „Militante Extremisten“ ... mit „erheblichen Gewaltpotential“: Scharfschützen und Panzerwagen, 15.000 Polizisten ... 3.800 Beamte der Bundespolizei, samt Spezialeinheit GSG9,

    sowie "Demonstrationsverbot für weite Teile der Innenstadt während des Gipfels" sollen das wahre Gesicht der Demokratie und ihren "gewalttätigen Kampf gegen unsere freie Gesellschaft" zeigen.

  • Weiß jemand, ob jemals bei diesen Gipfeln was rausgekommen ist, wovon die Menschen profitiert haben?

  • Nichts als heiße Luft. Wir kennen das doch schon zur Genüge hier in Hamburg. Eine größenwahnsinnige Polizeiführung und die regierende SPD möchten bei dieser Gelegenheit gern im Schulterschluß wieder die ganz große Mega-Show abziehen, um den Bürgern mal am eigenen Leib zu demonstrieren, was sie so unter „Sicherheit“ verstehen. Da werden dann massenhaft überwiegend friedliche Demonstranten und völlig unbeteiligte Passanten festgesetzt, während sich die einschlägigen Berufs-Provokateure hinter den Polizeilinien im Nirwana verflüchtigen. Zu diesem Anlaß wurde in Wilhelmsburg extra ein Schnellknast mit Schnellverfahren gebaut. Das alles entwickelt sich mehr und mehr zu einem riesigen Ärgernis und während sich die SPD in NRW noch fragt, warum sie eigentlich abgewählt wurde, wo sie doch angeblich alles richtig gemacht hat, kann man sich in Hamburg die Gründe dafür dann schon mal live und in Farbe anschauen.

  • Irgendwie erinnert mich dass an die Silvester Aktion in Köln, "1000 NAFRIS werden schon in Zügen Richtung Köln abgefangen..."

    Und dass die Bundesregierung US-Cowboys oder türkische Diktatoren ins Land lässt ist meiner Meinung nach die Größte Gefahr.

    Und dann bekommt man als Antwort "war ja schon immer so, wenn du ne Idee hast dann mach doch..."

  • Wenn ich das schon lese: "Insgesamt 15.000 Polizisten aus den Ländern sollen den Gipfel absichern. Dazu kommen 3.800 Beamte der Bundespolizei, samt Spezialeinheit GSG9."

    Sagt mal, merken die nicht, dass die irgendwas falsch machen wenn es so nötig ist sich so einzuigeln? Wenn die privaten Sicherheitsdienste noch dazugezählt werden, dürften an diesem Wochenende ca. 20.000 Bullen u.ä. im Einsatz sein. Und das nur für ein Arschlöchertreffen... Das Schengenabkommen wird außer Kraft gesetzt, die Freiheit von uns Protestierenden auch. Meine Fresse, wann merkt denn endlich auch mal der "uninteressierte" Mensch wohin die Reise geht. Es geht hier um nichts weniger als die Freiheit der Menschen. Und die Menschen an den Hebeln merken, dass sie damit durchkommen...

    • @Neinjetztnicht:

      "Sagt mal, merken die nicht, dass die irgendwas falsch machen wenn es so nötig ist sich so einzuigeln?"

      vielleicht sind sie zu pessimistisch, dass ein new deal helfen würde...

      "Meine Fresse, wann merkt denn endlich auch mal der "uninteressierte" Mensch wohin die Reise geht."

      Wenn die Konsumblase platzt? Andererseits ist es eben nicht nur vom Interesse & Aufmerksamkeit abhängig, auch von der Sozialisation - System reproduziert systemkonforme Menschen - und von den materiellen Umständen (Scheiß Arbeit/Lohn/Hartz4/Miete), Subjektivierung ...

      • @Uranus:

        Was meinen Sie mit "new deal"? Ich muss gestehen, damit kann ich in dem Kontext nichts anfangen...

         

        Mit dem Rest haben Sie auf jeden Fall recht. Und leider denke ich, dass die "Konsumblase" so schnell nicht platzen wird, dafür wird schon gesorgt. In Ansätzen erinnert wirklich einiges an 1984... Proles und Parteigänger. Konsumiert und lebt, aber bitte am Boden... und das drumherum hat euch nicht zu interessieren.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    "Tatsächlich ist die Wahl Hamburgs als Gipfelort gewagt. Die Stadt gehört zu den autonomen Hochburgen der Republik." und "Der Widerstand werde 'unberechenbar' sein."

     

    Die Einen rufen also ihre 'autonom befreiten Zonen' aus, die Andern ihre 'national befreiten Zonen' und beide blockieren und bedenken Unerwünschtes mit 'unberechenbarem Widerstand' !?

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Der brave Bürger dagegen geht einkaufen und bleibt sonst zuhause, weil er weiß: es gibt keine Alternative.

      • 8G
        82732 (Profil gelöscht)
        @kleyrar:

        ... geht wählen und/oder engagiert sich in den passenden politischen Parteien, so dass deren Wahlergebnisse für Regierungsbeteiligung oder absolute Mehrheit reichen.

        • @82732 (Profil gelöscht):

          Genau! Bürgerrechte sind für Looser.

          • 8G
            82732 (Profil gelöscht)
            @pitpit pat:

            Ist jetzt 'national befreite Zonen' auszurufen und dort durch Blockieren der Anreise oder gleich Abbrennen von Flüchtlingsheimen 'widerstand' zu leisten ein Bürgerrecht?

            • @82732 (Profil gelöscht):

              Nein, das ist nur eine dumme rhetorische Frage die keine Antwort verdient.

              Aber ihr altväterlicher Vorschlag, wählen zu gehen oder einer Partei beizutreten (und ansonsten artig die Klappe zu halten) ist eine Steilvorlage gewesen, ihnen mit Ironie in den Rücken zu fallen.

        • 3G
          39167 (Profil gelöscht)
          @82732 (Profil gelöscht):

          Wen soll man (ich) wählen, wenn die Wahl nur zwischen Pest und Cholera besteht?

          Bitte um Antwort! Danke!

          • 8G
            82732 (Profil gelöscht)
            @39167 (Profil gelöscht):

            z.B. Partei gründen, selbst kandidieren!

            • @82732 (Profil gelöscht):

              Und Teil dieses verkackten Systems werden? Nööö...

              • 8G
                83379 (Profil gelöscht)
                @Neinjetztnicht:

                Wirkt auf mich also ob ihr Rückfall auf illegitime Mittel ein Selbstzwecke ist. Warum wird man Teil des Systems wenn man eine Partei gründet? Ist das schlimm mit anderen Reden? Kompromisse schließen? Menschen für die eigenen Ansichten gewinnen, nein lieber Steine werfen und sich aufführen wie ein verzogener sechs-jähriger im Sandkasten.

                • @83379 (Profil gelöscht):

                  Meine Kompromissbereitschaft mit Menschen zu reden die weltweit so eine scheiße bauen ist nicht besonders groß. Abgesehen davon, werden diese Menschen niemals mit MIR reden, einem Individuum das so komplett andere Ansichten vertritt. Das brauche und will ich nicht versuchen...

                  Und ja, mit der Gründung einer Partei wird mensch Teil des Systems, wie auch anders?

                   

                  Und wenn Sie mir Selbstzweck unterstellen, wenn ich gegen den G20 auf die Straße gehe müsste ich schon eine schwer masochistische Ader haben. Das Risiko für eine Überzeugung auf die Fresse zu bekommen oder eingeknastet zu werden geht wohl kaum einer zum "Selbstzweck" ein...

              • 8G
                82732 (Profil gelöscht)
                @Neinjetztnicht:

                Ah, weil das 'verkackte System' die Migranten in der Stadt einquartieren will also das Heim abbrennen...

                • @82732 (Profil gelöscht):

                  Ich denke, mit dem Kommentar sollte Ihr Aufruf, sich an der Demokratie zu beteiligen, kritisiert werden.

                  Da gibt es ja auch einige Gründe für: https://crimethinc.com/2012/04/29/feature-from-democracy-to-freedom

                  • @Uranus:

                    Danke, crimthinc ist in der Tat für vieles eine gute Quelle... und mehr brauche ich dazu auch nicht sagen.