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Kommentar Männergruppe in der FDPEine reaktionäre Note

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Männer als Opfer von zu viel Feminismus? In der FDP will sich jetzt eine solche Gruppe gründen. Progressive Männerpolitik geht anders.

Das traditionelle Männlichkeitsbild der FDP ist ja eher der „Leistungsträger“ Foto: dpa

H aha, die FDP macht Männerpolitik. Ja, die Häme fällt leicht angesichts einer Partei, die zu 77 Prozent aus Männern besteht, der Herrenwitze nicht fremd sind und die sich mannhaft gegen jegliche Art von Gleichstellungspolitik wie etwa eine Quote sträubt. Ihre Grundsätze sind eine Absage an eine Politik, die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern beseitigen will, denn eine solche Politik ist immer mit Regulierung verbunden – und die wird von der FDP schon mal per se abgelehnt.

Es könnte ein FDP-Treppenwitz sein, dass gleichstellungspolitische Forderungen in dieser Partei nun durch die Hintertür der Männerpolitik Einzug halten. Aber: Männer, die sich als Opfer verstehen – und seien es auch Opfer von zu viel Feminismus, wie die Initia­toren der FDP-Männergruppe – werden in der Partei keinen Platz finden. Die FDP ist die Partei der Gewinner. Die Liberalen Männer, wenn sie sich denn überhaupt gründen, werden ein kleiner, komischer Fremdkörper bleiben.

Vielleicht ist das auch nicht so schlecht. Denn ihr Programmpapier hat eine reaktionäre Note. Geschlechterpolitik wird da als Machtkampf gedacht, in dem die Männer angeblich ins Hintertreffen geraten sind. Kein Wort über die strukturelle Schieflage der Geschlechtergerechtigkeit in unserer Gesellschaft.

Progressive Männerpolitik aber sucht die Kooperation und ist in der Lage, das ganze Bild zu sehen. Sie will deshalb auch nicht einfach nur mehr Macht für Männer generieren und damit die alte Geschlechterrolle restaurieren.

Sie schaut auf die wenigen Themen, bei denen Frauen das Sagen haben – aber eben auch auf die, bei denen Ungleichheiten Männer begünstigen, die sogenannte „patriarchale Dividende“. Und sie stellt das an traditioneller Männlichkeit orientierte Menschenbild der FDP infrage: Zum Beispiel den „Leistungsträger“, der keine Zeit für seine Familie hat. Die Liberalen Männer werden all das nicht liefern.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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12 Kommentare

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  • Es ist wie mit unliebsamen Staatsmännern. Man schreibt einfach Hassartikel und fertig ist die Soße. Quote ist keine Gleichstellungspolitik, sondern ein Besserstellungsmerkmal. Wie im Sorgerecht das Merkmal frau regelmäßig zum Zugewinn der Kinder und Geld führt.

  • "Progressive Männerpolitik aber sucht die Kooperation und ist in der Lage, das ganze Bild zu sehen."

     

    Offensichtlich haben Sie nicht verstanden, was progressive Männerpolitik ist.

     

    Ich darf Ihnen das an einem einzigen Beispiel erläutern.

     

    Das 7. Zusatzprotokoll der EMRK fordert im Art. 5: "Hinsichtlich der Eheschließung, während der Ehe und bei Auflösung der Ehe haben Ehegatten untereinander und in ihren Beziehungen zu ihren Kindern gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art."

     

    Das ist Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und zwar allererster Sahne.

     

    Der Feminismus in Deutschland hat die Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls seit 1984 verhindert.

     

    Alle anderen Ländern des Europarates, die unterschrieben haben, haben den 7. Zusatzprotokoll ratifiziert (bis auf NL, das Einwände hatte).

     

    Selbst die Türkei hat im August letzten Jahres ratifiziert, also nach dem Putsch. Selbst der Erdogan macht also viel eher eine Politik der Gleichberechtigung der Geschlechter, als es der Feminismus in Deutschland jemals tun wird.

     

    Wenn nun eine Männergruppe in der FDP eine "progressive Männerpolitik" fordert, dann wird diese die Ratifizierung des 7. Zusatzprotokolls fordern, als Vorbereitung für das Wechselmodell, welches im Parteiprogramm der FDP schon verankert wird.

     

    Der Feminismus hat es also geschafft, dass Deutschland bei der Gleichberechtigung der Geschlechter weit hinter Länder wie Armenien, Georgien, Azerbaidjan, Ukraine, Russland und der Türkei liegt, um nur einige Länder zu nennen, bei denen sich die Nackenhaare der Feminist.I.nnen aufrichten.

     

    Eine FDP-Männergruppe, die für das 7. Zusatzprotokoll und Wechselmodell eintritt, will lediglich DE erneut in der Gruppe fortschrittlichen Länder zurückbringen, weil der Feminismus dazu einfach intelektuell überfordert ist.

  • "Kein Wort über die strukturelle Schieflage der Geschlechtergerechtigkeit in unserer Gesellschaft."

    Strukturelle Schieflage? Sie meinen dass sich die Privilegien der modernen Frauen leider im Widerspruch mit den Erfolgsschancen in der Wirtschaft stehen?

  • Von allen Parteien, einschließlich AfD, ist die FDP die reaktionärste Kraft weil sie am konsequentesten und härtesten die Interessen der Oberschicht vertritt (im übrigen auch _gegen_ den Mittelstand).

    All das liberale, joviale, jugendbewegte und gegenderte Getue ist nichts als kulturelle Fassade und Zugeständnis an eine gewisse Grundströmung weil man offenen Revanchismus nicht mal mehr in der Oberschicht offen auslebt geschweige denn in den 20%, die man anpeilen muss, um dauerhaft über 5% zu kommen.

    Teile der Jungliberalen (Jugendorganisation der FDP) sind da wesentlich offener wenn sie sich unbeobachtet wähnen. Dann lassen sie keinen Zweifel an ihrem Bündnis den österreichischen Parteigenossen von der FPÖ. Die selben jungen Männer wissen dann am Infostand in der Fuzo sehr genau, wie Wähler angesprochen werden müssen.

  • Eine reaktionäre Not -

     

    So - wird ein Schuh draus!

    Danke.

  • In einem Atemzug mit der FDP genannt zu werden stellt ja eine Beleidigung für jeden "Reaktionär" da. Nicht jeder Reaktionär will ja nun gleich das 19. Jahrhundert zurück, nicht einmal die BRD der 50er / 60er Jahre. Es geht ja vielmehr um eine Neujustierung der Moderne auf den insbesondere gesellschaftspolitischen Gebieten, die nach der Meinung Vieler aus dem Ruder gelaufen sind. Im Grunde könnte man sie auch "Realisten" nennen. Herr Precht hat dafür ja einen neuen Begriff geprägt und nennt uns im Gegensatz zu den "Utopisten" "Retropisten". Ich halte das zwar für falsch trotzdem sind manche seiner Ansichten (hier einmal ein längers Interview, das eigentlich zu einem Thema geführt wurde) interessant: https://www.youtube.com/watch?v=X8U7DPYX4Nc

    • @Reaktionär:

      Wenn Reaktionäre Retropisten Realisten - nennen! (frei nach Tucho!;)

      Wird es zwar auch nicht Tach unter der

      Pickelhaube - "aber Zeit!" - &

      Wechsel ich das Thema &'s Lokal.

      Dank im Voraus!

      & nochens -

      Der Berliner Volksmund hat in dem so hoffnungsvollen Lied den ganzen Spott

      Über Ihresgleichen in dem Spottlied

      "Wem hamse de Krone jeklaut"

      Ausgeschüttet - & Wenn der Wixtopp -

      Der Tschako - nur bedingt vergleichbar

      Seiner Hoffnung zur dero RetrosReaktis Anschlußverwendung Ausdruck verliehen - kerr!;)

       

      "…Wem hamse de Krone jeklaut?

      Dem Wilhelm, dem doofen

      Dem Oberjanoven

      Dem hamse de Krone jeklaut!

      …& … (Genau!;)…

      Wer wird uns die Straßen einst kehrn?

      Wer wird uns die Straßen einst kehrn?

      Die Bullen, die Herrn

      Mit'm Wichstopp und Stern

      Die wern uns die Straßen einst kehrn!

      Ja-jaa

      Die Bullen, die Herrn

      Mit'm Wichstopp und Stern

      Die wern uns die Straßen einst kehrn!"

       

      Gut da kam erst noch Bluthund Noske

      Der Verrat &

      Schlimmeres - Aber auch hier gilt -

      Die Hoffnung stirbt zuletzt - wa! &

       

      Liederjan - at his best - höörens - https://m.youtube.com/watch?v=CIdu9L0shQ0

    • @Reaktionär:

      Man kann ja durchaus über den üblichen Gebrauch von Begriffen diskutieren, doch wird Reaktion eben als der Versuch der Wiederherstellung nicht mehr zeitgemäßer Zustände verstanden. Das vorherrschende Dispositiv kann man nicht eben mal einfach umetikettieren oder negieren. Wenn für den Mann etwas neues und gleichsam für alle Geschlechter respektables zu erstreben gilt, ist das doch fortschrittlich und nicht reaktionär. Und darin hat die Autorin vollkommen recht. Einer sollte sich tatsächlich der Thematik annehmen, doch unbedingt nicht als "reaktionär" bezeichnen.

  • So ist es, wenn ein Thema brach liegt. Irgendeiner nimmt´s auf und wenn er sich damit bloß den A..sch abwischt.

    • @lions:

      Das Thema liegt nocht brach, sondern wird seit mehr als 2 Jahrzehnten von Männern in Wissenschaft und Gesellschaft behandelt. Das Bundesforum Männer z.B. macht im Gegensatz zu selbsternannten "Männerrechtlern" umsichtige Politik, die sowohl die Kosten als auch die Privilegien des herrschenden Geschlechterverhältnisses für Männer thematisiert. Dass gleichstellungs-orientierte Männer regelmäßig als "lila Pudel" diffamiert werden, unterstreicht nur, dass sie wichtige und richtige Arbeit machen.

      • @Spin:

        Das Diffamieren durch gewisse Gruppen zeigt, das wichtige und richtige Arbeit gemacht wird? Irgendwie muss man sich das ja schon reden. Vielleicht sollten die alten Weisen Männer die sich wie "sterbende Tiere noch einmal aufbäumen" sich ihre "Leistungen" auch mal mit so einer simplen Weltsicht schön reden.

      • @Spin:

        Natürlich gibt´s da was, aber welche wirklich einflussreiche Strömung, wie etablierte Parteien haben es auf der Agenda? Wie Sie schon richtig sagen: die "lila Pudel" gelten noch als Exoten.