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Pro & Contra Schwarz, Grün, GelbWollen wir Jamaika?

Schleswig-Holstein hat gewählt: Eine mögliche Kombination wäre jetzt Schwarz-Grün-Gelb. Können wir diese Koalition wollen?

Manche finden Jamaika richtig toll. Foto: (pixabay)

HAMBURG taz| Jamaika – die Insel gilt Vielen als paradiesisch und Wunschziel. Politisch hingegen sind die Möglichkeiten eines Zusammenspiels von CDU, Bündnis 90 Die Grünen und FDP noch weitgehend unerforscht. Die Chancen und Risiken einer solchen nach den Nationalfarben des Karibikstaates benannte Jamaika-Koalition, die es auf Länderebene erstmals und ziemlich erfolglos im Saarland gab, erforscht taz.nord in ihrem Wochenendschwerpunkt, den es zwischen Göttingen und Flensburg an jedem guten Kiosk oder als e-Paper im Abonnement gibt. Aber können wir ein solches Dreierbündnis überhaupt wollen?

Ja, Jamaika, ist doch klar!

Die nächste Landesregierung in Schleswig-Holstein wird nach dem Ausschlussprinzip ermittelt. Rein rechnerisch erreichen drei Bündnisse Mehrheiten im Landtag, das heißt aber nicht, dass sie eine programmatische Perspektive für fünf gemeinsame Regierungsjahre entwickeln können. Deshalb bleibt als einzig realistische Koalition: CDU, Grüne und FDP.

Eine erneute Große Koalition wie die von 2005 bis 2009 mit Peter Harry Carstensen (CDU) und Ralf Stegner (SPD) kann niemand wollen. Selbst wenn es nicht wieder in ein Hass-Bündnis ausarten sollte, wäre es bestenfalls eine Notgemeinschaft, in der sich die „Regierungs-“Partner“ gegenseitig unablässig argwöhnisch belauern würden. Da kann nichts Gutes draus werden, und wenn es ganz schlimm kommt, stärkt es nur Politikverdrossenheit und Rechtspopulismus.

Für eine rot-grün-gelbe Ampel wäre ein neues, überzeugendes personelles Angebot der SPD notwendig. Noch-Ministerpräsident Torsten Albig ist mindestens bei der FDP unerwünscht, Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner nicht mal bei den eigenen Leuten mehrheitsfähig. Wer also dann?

Erste Wahl wäre Wirtschaftsminister Reinhard Meyer, bei der FDP akzeptiert, wenn auch bei den Grünen nicht besonders wohl gelitten. Bildungsministerin Britta Ernst hätte das Format, würde aber zusammen mit Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das erste regierende Ehepaar Deutschlands bilden – ein Nordstaat der besonderen Art. Aber Meyer und Ernst wären als in Hamburg wohnende Pendler ohne Hausmacht im SPD-Landesverband, zudem würde FDP-Haudegen Wolfgang Kubicki sie beständig spüren lassen, dass sie nur MinisterpräsidentIn von seinen Gnaden wären.

Deshalb bleibt als einzige Lösung Jamaika. Daniel Günther (CDU), Kubicki und das grüne Spitzenduo Monika Heinold und Robert Habeck kommen schon miteinander klar, und programmatisch gibt es keine unüberwindbaren Hürden. Es muss nicht immer Liebe sein, eine Zweck-WG tut's auch.

Mit der Perspektive, dass nach der Bundestagswahl im September auch im Bund Jamaika sehr wahrscheinlich die einzige Alternative zur Fortsetzung der Großen Koalition sein dürfte. Im hohen Norden wird schon mal getestet. Sven-Michael Veit

Nein, Jamaika muss nicht sein!

Wäre eine Jamaika-Koalition von CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein alternativlos? Mitnichten. Gegen eine rot-grün-gelbe Ampel spricht derzeit nur eins: Es ist der Öffentlichkeit schwer vermittelbar, dass die SPD als eindeutiger Wahlverlierer die kommende Koalition anführt, während die an ihr vorbeigaloppierte CDU auf der harten Oppositionsbank verbleibt. Das widerspricht eigentlich den demokratischen Gepflogenheiten dieses Landes.

Doch wichtiger als dieses ungeschriebene Gesetz ist doch die Frage: Welches Bündnis kann stabil und vertrauensvoll zusammenarbeiten und bringt Schleswig-Holstein voran? Jede Koalition, die eine parlamentarische Mehrheit hinter sich bringt, steht da zur Debatte. So funktioniert Demokratie. Mehrheit ist Mehrheit.

Die wahrscheinlichste Alternative zu Jamaika ist die Ampel, da eine Große Koalition kurz vor der Bundestagswahl weder von der CDU noch der SPD gewollt wird. Doch für eine Ampel braucht es einen personellen Neuanfangs beim Wahlverlierer SPD.

Denn alle Wahlanalysen zeigen: Die SPD-Schlappe ist vor allem eine Niederlage Torsten Albigs, dem pastoral klingenden Ministerpräsidenten, der im Wahlkampf kein Fettnäpfchen ausließ. Nur verbunden mit einem personellen Neuanfang an der SPD-Spitze ist die Ampel sinnvoll und auch vermittelbar.

Bei der Frage, wer in Schleswig-Holstein mit wem regieren soll, muss es um Inhalte, Gemeinsamkeiten und ein politisches Konzept für die kommenden fünf Jahre gehen. Der Graben zwischen CDU und Grünen ist hier noch tief. Wenn der grüne Frontmann Robert Habeck betont, „der Weg nach Jamaika“ sei „aus inhaltlichen Gründen unendlich weit“, eine „inhaltliche Idee“ könne nur ein rot-grünes Bündnis zusammen mit der FDP entwickeln, gibt er die politische Realität wieder. Viel spricht dafür, dass die Schnittmenge der Ampel-Partner größer ist als die eines Jamaika-Terzetts.

Welche Konturen die eine wie die andere Koalition hätte, gilt es zu sondieren. Erst wenn Ampel und Jamaika ein politisches und personelles Profil bekommen haben, können die möglichen Koalitionspartner entscheiden, welches Bündnis passt, für die Umsetzung der eigenen politischen Ziele und das Land Schleswig-Holstein. Marco Carini

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6 Kommentare

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  • Jamaika ist keine Lösung, sondern eine Regierung auf Zeit, in der jede Partei ihre Karten stetig mischt und dazu ansetzt, die Regierung platzen zu lassen. Am stärksten könnten die Grünen und die FDP dabei verlieren, für die CDU könnte es sich in eine gefestigte Mehrheit eignen, vorausgesetzt die CDU kommt schnell genug aus so einer Regierung heraus. SPD, Grüne und FDP geht eigentlich überhaupt nicht, hier würde die FDP ein sehr großes Risiko eingehen, ohne wirklich dafür Gewinn machen zu können, sie müssten total dumm sein, dies zu tun und das wissen sie vermutlich auch. Bleiben eventuell Neuwahlen - die könnten die CDU endgültig an die Macht bringen, wäre doch die Kandidatenkür bei der SPD ein dickes Problem: Wer will schon Albig zum Spitzenkandidaten machen, wenn er gerade abgewählt wurde? Wer will Stegner installieren, wenn er intern problematisch ist? Und wer will eine Hamburgerin spontan in die Bresche werfen, ohne zu wissen, ob Britta Ernst das durchhält? Für die CDU wären Neuwahlen wohl das Beste, für die SPD wohl das Schlechteste. Außerdem müsste die SPD wohl einen noch viel besseren Wahlkampf machen, um nicht gleich doppelt enthront zu werden.

  • Ich wähle wie immer die PDF. Mein Lieblingsformat.

  • Am wahrscheinlichsten ist doch eine große Koalition.

     

    Die SPD hat gerade den dritten und wichtigsten Landtag im Bundestagswahljahr verloren, da kann man sich Hoffnungen auf einen Politikwechsel in Berlin eigentlich abschminken. Liebe Sozialdemokraten, das kommt dabei heraus, wenn man nur "soziale Gerechtigkeit" sagt, aber niemandem erklärt, was genau man eigentlich darunter versteht. Keiner ist nach Agenda 2010 und Hartz4 noch bereit, säckeweise Katzen zu kaufen.

     

    Die Grünen sind zwar insgesamt reichlich blass, angepaßt und zahnlos geworden, im Norden (Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein) stehen sie aber immer noch zu einigen der Ideale, aus welchen sie einst gegründet wurden. Jetzt ein "Jamaika"-Bündnis eingehen, und sie können sich auch an der Küste bei der nächsten Wahl mit den Piraten auf Augenhöhe begeben.

     

    Die FDP verkommt unter einem sich als Krawallo gebärdenden Lindner bundesweit zu einer AfD*light*, mit denen wird außer der CDU keiner können.

     

    Zwischen dem bürgerlichen (CDU) und dem progressiven (SPD, Linke) Lager haben wir in Deutschland mit Grünen, FDP und AfD inzwischen drei Parteien, die sich um den gleichen Wählerpool streiten. Wer eine dieser Parteien wählt, der wählt nicht "sozial", soviel ist sicher.

     

    Und der Wähler, das scheue Reh? Traut sich einfach nicht, Merkel klare Kante zu zeigen, zu wenige nehmen einen Schulz ohne Inhalte aus dem Regal. Was bleibt ist ein "Wutbürger", der regelmäßig am Wahltag zum "Angstbürger" schrumpft. Veränderungen in der politischen Landschaft könnten ja auch Veränderungen für ihn selbst bedeuten.

     

    Und nichts fürchtet der gemeine Deutsche offenbar mehr als das.

  • Welche Farbtöne im Wolfsrudel vorkommen, ist komplett bedeutungslos, nachdem sich die Schafe mehrheitlich darauf geeinigt haben, daß das Wohl der Schafe nur von den Wölfen kommen kann.

  • aus gruener sicht: weder ampel noch jamaika, opposition ist das einzige, was hier geht in sh. haben denn alle in den letzten fuenf jahren vergessen, was die fdp fuer eine partei ist? spaetroemische dekadenz? bashing von sozial schwaecheren? ueberheblichkeit par excellence? pro-gentechnik? umweltschutz? da ist die fdp noch schlimmer als die cdu. wenn sich das die gruenen antun wollen... na sie stehen ja bei 6% in nrw und im bund, dann macht mal da oben. dann rennen euch noch gut 1 bis 2% zu den linken weg und ihr seid vom tisch.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    "Wollen wir Jamaika", was für eine Frage. Ihr, in Schleswig-Holstein, habt keine Wahl!

    Den Grünen geht das alles am A... vorbei, Hauptsache "regieren", verstanden?!