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Plakate zur Frankreich-WahlAllez les Bleus !

Die französischen Präsidentschaftskandidaten Le Pen und Macron haben sich nochmal fürs Finale ablichten lassen. Eine Bildkritik.

Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass beide im selben Fotostudio waren Foto: afp/dpa/montage taz

Leonardo da Vinci hat im „Buch von der Malerei“ das Wesen und die Wirkung der Farbe Blau als immateriell beschrieben. Blau sei keine Farbe der Luft, sondern eine metaphysische Mischung des Sonnenlichts mit der „Schwärze der Weltfinsternis“. Da Vinci konnte nicht ahnen, wie nah er mit dieser Analyse einem Aspekt des derzeitigen französischen Wahlkampfs kam.

In der zweiten Runde des Rennens um das Amt des Staatspräsidenten geht es seit vergangenem Mittwoch nämlich darum: Wessen Konterfei linst einnehmender von Litfasssäulen, Bushaltestellen und öffentlichen Bedürfnisanstalten? Marine Le Pen und Emmanuel Macron sind zu diesem Behufe erneut beim Fotografen eingekehrt, um sich französischblau in Szene zu setzen.



Das Ergebnis? Herr und Frau Blau. Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass die beiden im selben Fotostudio waren, lassen grüßen. Gehören sie unter Umständen der gleichen Flugbegleitergewerkschaft an? Macron als Pilot im Cockpit am Steuer, Marine Le Pen als Chefstewardess in der Kabine, mit gefrorenem Lächeln Tomatensaft ausschenkend?

Mais non, wir haben es doch hier, auch wenn die beiden total saubermann- beziehungsweise sauberfraumäßig rüberkommen, mit zwei gänzlich unterschiedlichen Bewegungen zu tun – deren beider Namen auf den jeweiligen Plakaten gänzlich fehlen.

Whirlpool-Besuch

Der französischen Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hat am Mittwoch in seiner Heimatstadt Amiens mit Gewerkschaftsführern über die Zukunft des Werkes der US-Firma Whirlpool gesprochen. Es soll schließen. Auch seine Konkurrentin Marine Le Pen tauchte vor der Fabrik auf und versprach, wenn sie Präsidentin werde, bleibe das Werk in jedem Fall geöffnet. Wegen Macrons liberaler Politik würden dagegen weitere Firmen ins Ausland abwandern. Sie schüttelte Hände und machte Selfies mit den Arbeitern.

Danach ging auch Macron zu den Arbeitern, die ihn mit Pfiffen und Buh-Rufen empfingen. In chaotischen Szenen, die live im Fernsehen ausgestrahlt wurden, sagte Macron, er könne als Präsident Stellenstreichungen nicht verbieten. „Ich werde Sie nicht anlügen“, sagte er.

Die nordfranzösische Region Hauts-de-France, zu der Amiens gehört, zählt zu Le Pens Hochburgen. Die Arbeitslosigkeit ist überdurchschnittlich hoch, traditionelle Industriezweige wie der Bergbau wurden in der Vergangenheit dichtgemacht. (afp/ap)

Bei Le Pen ist das nichts Neues, der Parteiname „Front National“ hatte schon länger dem Slogan „Marine Présidente“ weichen müssen. Dass Emmanuel Macron seine Bewegung „En Marche!“ (Auf geht’s!) nicht mehr erwähnt, ist hingegen ein Novum. Aber die Bewegung ist ja auch noch sehr neu, gerademal ein Jahr alt. Falls das französische Wahlvolk also schon wieder vergessen haben sollte, um was es eigentlich geht: „Auf geht’s!“ war gestern, jetzt geht es darum, dass alle gemeinsam aufbrechen: „Ensemble, la France !“



Kann man diesem Slogan einen leicht partizipatorischen Unterton nicht absprechen, verhält es sich bei Marine Le Pen komplett anders. Sie, die für deutsche Verhältnisse kokett und mit zu kurzem dunkelblauen Rock einem Büromöbel aufsitzt, bietet erwartbar nur eine Wahl an: „Choisir la France“, Frankreich wählen. Ohne Punkt und Komma. Noch nicht mal ein Ausrufezeichen wie bei Macron braucht sie dazu, nur ein paar Social-Media-Kanäle, die unten rechts im Bild verlinkt sind. Die fehlen bei Macron, bei ihm reichen offenbar seine blauen Augen. 


Le Pens Augen sind nicht blau – für das royalblaue Thronfolgerimage, das auch Macron ausstrahlt, wären gefärbte Kontaktlinsen fürs Foto allerdings gut gekommen. Widmen wir uns aber jetzt noch kurz den Hintergründen. Macron steht, im Unterschied zur leicht lehnenden Le Pen, vor einer himmelblauen Himmelstapete. Nicht im Blaumann, wie der linke, gescheiterte Kandidat Jean-Luc Mélenchon, hätte der nochmal ins Fotostudio gemusst, sondern in einem blauen Anzug, der so langweilig aussieht, wie die grauen Anzüge der Satirepartei „Die Partei“ in Deutschland. 



Und Marine Le Pen? Sie hat sich eine bildungsbürgerliche Bücherwand als Fototapete geschnappt, denn es stimmt: Nicht wenige der Wähler von Mélenchon können lesen, die von François Fillon greifen wahrscheinlich auch mal gerne zu einem guten Buch – kurzum oder so ähnlich: Schlagt doch mal eben ein neues Kapitel auf, liebes Wahlvolk! Das ist sie, die Le Pen-Devise. 
Was für eine Art blaues Wunder am Wahltag 7. Mai in Frankreich aussteht? On verra, wir werden sehen.




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4 Kommentare

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  • Schwennickes Vorwort im neuen Cicero gefällt. Mehr fällt mir nicht ein zum Thema. Und dabei denke ich an Macron. En marche !

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Hast kein Hintergrund zur Hand,

    probier 's doch mit der Bücherwand.

     

    Gibt 's bei IKEA am lfdm, aber hohl...

  • Im Großraum Paris bekam die FN / Le Pen 5%,

    Melenchon bekam in Marseille 26% und erhielt damit die meisten Stimmen.

     

    Gegen Rechtspopulismus können wir beachten:

     

    In Britain gab es einen mit der ex-DDR vergleichbaren Abwanderungseffekt:

    aus den Provinzen zogen die Fähigen, mit Berufsaussichten weg, in die Großstädte.

    Es blieben Leute zurück bei denen eine rückwärtsgewandte politische Ideologie Fuß fassen konnte.

    In Britain wanderten viele nach London ab. Greater London war für den Verbleib in Europa, in allen anderen Teilen und Wales fand sich eine Mehrheit für den Brexit.

     

    Mit der Wanderung der Eliten oder Möchtegern-Eliten verändert sich die politische Kultur.

    • @nzuli sana:

      glücksfälle für die alte brd -

      breen dreen für die alte ddr:

       

      gerhard baum

      rudi dutschke

      gerhard zwerenz

      u. v. a. mehr