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Hauptsache, raus

PRESSEFREIHEIT Namhafte Indie-Bands wie Die Sterne und Promis fordern am Brandenburger Tor Freiheit für inhaftierte Journalisten wie Deniz Yücel

Bringt das alles wirklich was? Andererseits: Was ist die ­Alternative?

Über den Musikgeschmack des türkischen Präsidenten ist nicht besonders viel bekannt. Aber vermutlich ist er auch bei dieser Sache anderer Meinung als Deniz Yücel, der sich sehr wohl für Musik interessiert und der es als berüchtigter Gelegenheits-Party-DJ gerne mal ähnlich krachen lässt wie in seinen Texten.

Yücel, der seit nun 80 Tagen im türkischen Knast schmort, inzwischen gar in Isolationshaft wegen grotesker Spionage­vorwürfe, wäre allein wegen des musikalischen Programms wohl selbst gern zu der großen Konzertgala gegangen, die aus Solidarität mit ihm und ­allen inhaftierten Journalisten auf der ganzen Welt am „Tag der Pressefreiheit“ direkt am Brandenburger Tor abgehalten wurde. Da traten persön­liche Lieblinge des Türkeikorrespondenten der Welt auf, Yücel ist etwa bedingungsloser Fan von Peter Licht.

Die Initiative „Freundeskreis #Free Deniz“ hat die Veranstaltung an diesem symbolträchtigen Ort im Herzen Berlins auf die Beine gestellt. Schon am frühen Abend versammelten sich knapp 1.000 Besucher – es sollten noch deutlich mehr werden. Eine Allianz aus taz, Jungle World, Bild, Welt und anderen trat als Unterstützer an, was freilich nicht bedeuten sollte, dass der Fall Yücel nun sämtliche Differenzen in der deutschen Presselandschaft wegwischen würde, wie mehrere Redner, darunter taz-Chefredakteur Georg Löwisch, betonten.

Man kann nun viel diskutieren und auch meckern über so eine Veranstaltung. Bringt das alles wirklich was oder erhöht man mit dem eigenen Engagement nur weiter den Wert des Gefangenen Yücel für Erdoğan, der bereits öffentlich verkündigen ließ, dass er diesen, solange er an der Macht ist, sowieso nicht freilassen werde? Andererseits: Was ist die Alternative? Stillhalten und auf Einsicht beim Sultan hoffen?

Die Unterstützer von Yücel haben sich jedenfalls dafür entschieden, laut zu sein. Er selbst ließ aus dem Knast immerhin verlauten, dass ihm die anhaltende Solidaritätswelle im einsamen Knastalltag guttue. Zuerst also Autokorsos in Berlin und jetzt mit Popmusik gegen die Inhaftierung Yücels.

Die Bands selbst hielten sich mit politischen Botschaften weitgehend zurück, für Reden waren andere da. Die Sterne, The Notwist, Andreas Dorau (gemeinsam mit Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen) spielten kurze Sets, und dazwischen meldeten sich Prominente von Oliver Welke bis Sibylle Berg per Videobotschaft zu Wort, hielten auf der Bühne engagierte Reden wie Carolin Emcke, kasperten herum oder dissten die Despoten dieser Welt auf unterhaltsame Weise wie die Schauspielerin Pegah Ferydoni.

Einen potenziellen Slogan für die Rückseite des „#Free Deniz“-T-Shirts, das vielfach getragen wurde, erfand die Berliner Sängerin Christiane Rösinger so ganz nebenbei: „Hauptsache, raus!“, rief sie in Richtung Istanbuler Knast. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Andreas Hartmann

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