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Anmelder Gunkel über den Ostermarsch„Israel ist ein Apartheidsstaat“

Am Montag ruft die Friedensbewegung wie in jedem Jahr zum Ostermarsch auf. Markus Gunkel begründet, warum der Aufruf Israel mit autoritären Regimen gleichsetzt.

Bei der Wahl von Freund und Feind nicht immer zimperlich: Ostermarschierer in Hamburg 2015 Foto: dpa
Interview von Milena Pieper

taz: Herr Gunkel, glauben Sie, dass der Luftangriff Trumps auf Syrien in diesem Jahr zu besonderem Protest führt?

Markus Gunkel: Das ist schwer zu sagen, natürlich ist die Empörung groß. Andererseits ist der „Vorteil“ des Ostermarschs ja gerade der, dass man ohne konkreten Anlass auf die Straßen geht. Insofern mussten wir nicht auf Trump warten, es ist ja auch unsere Regierung, die Trump jetzt als Vorwand nimmt, um noch stärker aufzurüsten. Im letzten Jahr wurden wieder alle Rekorde gebrochen: Es gab sehr viele Auslandseinsätze der Bundeswehr, noch mehr Waffenexporte als je zuvor.

Was ist die Idee hinter den Ostermärschen?

Die Märsche gibt es seit den 60er-Jahren und seit den 80ern werden sie kontinuierlich genutzt, um unsere Vorstellungen einer friedlichen Welt publik zu machen. Natürlich spielen dabei auch aktuelle Ereignisse eine Rolle. Dieses Jahr haben wir drei Schwerpunkte.

Im Interview: Markus Gunkel

53, ist seit den 80ern in der Friedensbewegung tätig und hat wissenschaftlich dazu geforscht. Heute arbeitet er als Buchhalter und Korrektor.

Welche sind das?

Der eine Schwerpunkt ist Solidarität mit der Türkei. Ein zweiter Schwerpunkt sind wieder die Atomwaffen, weil die modernisiert werden sollen. Leider sagt Trump ja: „Wenn man die Waffen schon hat, muss man sie auch einsetzen.“ Und der dritte und für uns zentrale Punkt ist, dass auch von Deutschland tatsächlich Krieg ausgeht. Deutschland hat Soldaten in Afghanistan, Mali und Syrien.

In Ihrem Aufruf erwähnen sie explizit einige Staaten. Warum gerade die?

Saudi-Arabien und Katar bekommen besonders viele Waffen von uns geliefert und die Türkei und Israel sind zwei wichtige Bündnispartner der Bundesregierung, insofern sind die für uns natürlich besonders wichtig.

Es gab Kritik daran, dass Israel in einem Atemzug mit autoritären und reaktionären Regimen genannt wird.

Israel ist ja schon ein gewisser Apartheitsstaat. Es gibt dort zwei Sorten Israelis, nämlich einmal die jüdische Bevölkerung und dann die palästinensische. An eine Zwei-Staaten-Lösung kann angesichts der Siedlungspolitik fast nicht mehr gedacht werden und die Regierung hat mit dem neuen Präsidenten in den USA gesagt: „Dann machen wir eben mit dem Siedlungsbau weiter.“ Das ist für alle Seiten eine Katastrophe.

Offiziell ist Israel eine Demokratie.

Gut, es wird dort gewählt. In den USA ist auch Trump gewählt worden, im Iran gibt es auch Wahlen. Das heißt aber nicht, dass diejenigen dann eine friedliche Politik machen, das ist leider so.

Welche Rolle spielt Deutschland dabei?

Es werden relativ viele Waffen aus Deutschland nach Israel geliefert. Das trägt nicht zum Frieden im Nahen Osten bei. Der Holocaust ist natürlich ein Punkt, den wir nicht vergessen dürfen in Deutschland, aber gerade der muss uns doch zeigen, dass man gegen Unterdrückung, Rassismus und Militarismus auf die Barrikaden gehen muss.

Sind die Ostermärsche dafür das richtige Instrument?

Wahrgenommen werden wir auf jeden Fall. Es ist ja aus Sicht der Regierenden auch immer wichtig zu wissen, was die Bevölkerung macht. Ob wir direkt Einfluss auf das Regierungshandeln haben, weiß ich nicht. Das würde ich nicht annehmen, aber das ist für mich auch nicht so zentral.

Was wollen Sie dann erreichen?

Wir wollen zeigen, dass eine andere Welt möglich ist. Damit wenden wir uns an die Bevölkerung, aber natürlich auch an die Regierung, wenn sie uns denn hören möchte.

Wie viele TeilnehmerInnen werden mitmarschieren?

Das lässt sich schwer sagen, wir rechnen so mit 1.000 Leuten.

Ostermarsch, Montag, 17. April, 12 Uhr, St.-Georgs-Kirchhof am Hamburger Hauptbahnhof

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13 Kommentare

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  • Apartheid-Staat? Um das zu beurteilen muss man sich die Frage stellen ob in Israel Juden und Muslime gleich behandelt werden.

     

    Jeder Staat der seine Bürger, nach welchen willkürlichen Merkmalen z B Rasse oder Religion, unterschiedlich behandelt ist ein Apartheid-Staat.

  • Solange diese Friedensaktivisten russische Invasionen und Militäraufmärsche als Pazifismus betrachten, kann man sie nur schwer ernstnehmen. Da kann der Kreml morgen seine Politik um 180° drehen und wieder wird wie zuvor bedingungslos gejubelt.

    • @Verkehrsfritze:

      Haben Sie für Ihre Vorwürfe eine nachvollziehbare Quelle, oder entstammen Ihre Unterstellungen lediglich Ihrem politischen Stammhirn?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Das "gewisser Apartheitsstaat" - geschenkt. Das ist ja ein Konsens bei den Antizionisten / Antisemiten.

     

    Was diejenigen dazu sagen, die unter Apartheid litten, das kann man hier nachlesen:

    https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/359_rechtspopulismus/apartheid

     

    Aber dieser Satz: "Gut, es wird dort gewählt. In den USA ist auch Trump gewählt worden, im Iran gibt es auch Wahlen. Das heißt aber nicht, dass diejenigen dann eine friedliche Politik machen, das ist leider so."

     

    Dieser Satz zeigt wie dumm und unpolitisch das Ganze ist. Staatlich manipulierte Wahlen in einer islam-faschistischen Diktatur mit freien Wahlen in Demokratien gleichzusetzen und dann daherlabern, dass man sich für den Frieden einsetzen würde.

     

    Da wird mir schon ein bisschen schlecht.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Das "gewisser Apartheitsstaat" heißt nicht "Apartheidstaat", sondern - einschränkend - "gewisser".

      Das dürfte auch ein "gewisser Konsens" bei den des Antisemitismus / Antizionismus Unverdächtigen sein.

       

      Dem Rest Ihres Kommentars pflichte ich allerdings zu, mit dem wichtigen Unterschied, dass es mir bei einigen anderen Nachrichten der vergangenen Tage deutlich schlechter werden konnte.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Ihre Reaktion zeigt, wie wichtig das Aussprechen auch bitterer Wahrheiten ist.

      Wussten Sie, dass ausgerechnet im Iran die größte jüdische Exilgemeinde im Nahen Osten lebt?

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Linksman:

        Ja, etwa 25.000. Und von vielen öffentlichen Ämtern und Berufen sind sie ausgeschlossen.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Liegt wohl daran, dass der Iran eine Theokratie ist. Gleiches gilt de facto auch für Angehörige nichtjüdischer Glaubenbekenntnisse in Israel. Eine formal "freie Berufswahl" gibt es zwar per Gesetz, wenn auch erst seit Anfang der 90er Jahre, doch gibt es jede Menge Einschränkungen. Übrigens auch für Juden selbst, so dürfen nur orthodoxe Juden bestimmte Richterämter bekleiden, die dann öffentliches Recht verhandeln. Hier sind selbst Frauen kategorisch ausgeschlossen. Weitere Einschränkungen je nach Glaubensbekenntnis gibt es auch beim Erwerb und der Pacht von Land.

           

          Vor allem aber gibt es in Israel keine Rechtssicherheit durch "Unantastbarkeit" von Grundrechten, wie beispielsweise im deutschen Grundgesetz bereits seit 1949 verankert. Selbst das Recht auf freie Meinungsäußerung kann jederzeit und beliebig durch einen Knessetbeschluss oder ein mit orthodoxen Richtern besetztes Gericht eingeschränkt oder aufgehoben werden.

           

          Auch das Ehe- und Familienrecht ist in beiden Staaten ähnlich rückständig, was z.B. die Stellung der Frau betrifft, existiert auch in der israelischen Rechtsprechung ein Passus, der es zwar erlaubt, dass Männer sich auch gegen den Willen ihrer Frauen scheiden lassen und wieder heiraten können, umgekehrt kann der Mann dies seiner Ex-Frau durch Verweigerung seiner Einwilligung in die Scheidung praktisch untersagen.

           

          Während alle liberalen Strömungen des Judentums (Reformjuden, rekonstruktionistisches Judentum, humanistisches judentum, Jewish Renewal) Frauen und Männer als absolut gleichberechtigt in allen Fragen des Zusammenlebens und des Glaubens behandeln, und selbst das konservative judentum sich in dieser Frage seit Mitte der 70er Jahre in kleinen Schritten nähert, verharren die orthodoxen und ultraorthodoxen auf ihren Frauen benachteiligenden bzw. ausschließenden Standpunkten.

          http://www.bpb.de/internationales/asien/israel/45108/staat-und-religion

          https://de.wikipedia.org/wiki/Rolle_der_Frau_im_Judentum#Agunot

  • Schade, dass der Ort und die Uhrzeit des Beginns des Ostermarschs nicht in der gedruckten Version erscheinen ... damit gibt man der Wirkung des Kommentars noch mal zusätzlich Möglichkeit, den möglichen Teilnehmern am und zum Ostermarsch fern zu bleiben. Der sinnvolle Appell für den Ostermarsch wird mit der konstruierten Überschrift so zusätzlich belastet. Das ist kein ehrliches Vorgehen der Macher der taz.hamburg-Seite

    Peter Meyer

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Israel ist ja schon ein gewisser Apartheitsstaat."

    Das steht im Interview.

    In der Überschrift fehlt das Wort "gewiss". Es ist bigott, einerseits die Berichterstattung der BILD mit genauer feministischer Sprachanalyse zu bedenken, aber selbst eine solche Verkürzung vorzunehmen. Gerade noch lese ich hier einen Artikel, der die "exakten Zitate" in einem Roman lobt und dann sowas.

    Es sollte schon klar sein, dass sprachlich ein großer Unterschied zwischen einem "Apartheidstaat" und einem "gewissen Apartheidstaat" besteht. Das "gewiss" macht den Unterschied zwischen einem Vergleich und einer Gleichsetzung. Dies ist auch der Unterschied zwischen Israelkritik und Israelfeindlichkeit (Antisemitismus). Das "gewiss" heißt, zu wissen: Da gibt es einen Unterschied zwischen Israel und dem historischen südafrikanischen Apartheidstaat (und der heißt Hamas).

    Welche Version des Zitats ist richtig? Beide? Oder ist die Überschrift auch "Fake News" und muss binnen 24 Stunden gelöscht werden? Die Zeit läuft.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Unter Antisemitismus versteht man nicht Israelfeindlichkeit, sondern Judenfeindschaft. Ein "kleiner", nicht unwesentlicher Unterschied. Der Rest des Beitrags scheint mir nur Wortgeklingel zu sein. Wer als politisch Aktiver im Zusammenhang mit Israel den Begriff Apartheid verwendet (ob mit oder ohne "gewiss"), verfolgt den Zweck, dieses Land mit derweilen Südafrika in Verbindung zu bringen. Was so absurd ist, dass es eigentlich keiner Diskussion bedarf. Leider aber nur eigentlich!

      • @Plewka Jürgen:

        Unter http://www.belltower.news/artikel/wann-wird-israelkritik-eigentlich-antisemitisch-9608

        einem Angebot der Antonio-Amadeu-Stiftung wird doch an einigen Beispielen anschaulich erklärt, warum "Israelfeindlichkeit" antisemitisch ist.

         

        Warum es "israelfeindlich" ist, den Staat Israel so wie es der interviewte Friedensforscher Gunkel tut, "in gewisser Hinsicht" als Apartheidstaat zu bezeichnen, erschliesst sich hingegen nicht. Weder wird damit Israel als das "personifizierte Böse in der Welt" dargestellt (diesen Platz hat ja z.B. auch die taz Kim Jong Un reserviert), noch wird Israel damit das "Existenzrecht" abgesprochen. Das wäre etwa so albern, wie den Kritikern der Austeritätspolitik das gleiche in Bezug auf Deutschland zu unterstellen.

         

        Es funktioniert aber trotzdem. Weil immer noch viele Menschen sich nicht mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt wirklich auseinandersetzen wollen und weil die Antisemitismus-Keule davor abschrecken soll.

         

        Dabei müsste man eigentlich denjenigen ein antisemitisches Ressentiment unterstellen, die sich eine dauerhafte Existenz eines "jüdischen Staates" ohne illegale Landnahme, ohne Entrechtung, Unterdrückung und Vertreibung der palästinensischen Mehrheitsbevölkerung, und mit einer Zwei-Staaten-Lösung nicht vorstellen können oder wollen.