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Grüne präsentieren EinwanderungsgesetzDie Besten sollen bleiben

Die Grünen stellen ihren Entwurf für ein Einwanderungsgesetz vor. Der Clou ist eine „Talentkarte“, mit der Ausländer auf Jobsuche gehen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt möchte ein „Probejahr“ für Ausländer Foto: dpa

Berlin taz | Auf ihrer Suche nach dem „heißen Scheiß“, hofft Katrin Göring-Eckardt endlich fündig geworden zu sein. Am Dienstag präsentierte die grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl in Berlin den Vorschlag der Grünen für ein Einwanderungsgesetz. Mit ihrem Entwurf wolle ihre Partei die Einwanderung nach Deutschland „entbürokratisieren, liberalisieren und vereinfachen“, sagte Göring-Eckardt. „Das ist an der Zeit.“

Von einem „Paradigmenwechsel“ sprach der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Migration sei „kein Problem, vor dem man sich schützen muss“. Es gehe darum zu zeigen, „dass wir ein weltoffenes Land sind“. Wenn auch nicht für jeden und jede: Adressaten grüner Willkommenskultur sind jene Menschen, die von der deutschen Wirtschaft gebraucht werden. Erklärtes Ziel der Grünen ist es, den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken.

Wie bei dem Gesetzentwurf, den die SPD im vergangenen Herbst vorgelegt hat, steht daher auch bei ihnen ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild im Zentrum.

Wie hoch der Fachkräftebedarf ist, welche und vor ­allem wie viele Ausländer ­dem­entsprechend pro Jahr kommen dürfen, soll nach Vorstellungen der Grünen eine unabhängige Einwanderungskommission ermitteln. Zu den besonders zu berücksichtigen Kriterien zählen unter anderem ein Hochschulabschluss, der Abschluss einer qualifizierten Berufsausbildung, Berufserfahrung und Kenntnisse der deutschen Sprache. Im Falle unvorhergesehener Entwicklungen soll die Bundesregierung die Anzahl der aufzunehmenden Ausländer im Laufe eine Jahres herauf- oder herabsetzen können.

„Angebotsorientierte Einwanderung“

Der besondere Clou des grünen Konzepts ist die „Talentkarte“. Sie soll ausländischen Fachkräften ermöglichen, mit ihren Familien auch ohne konkretes Arbeitsplatzangebot für ein Jahr zur Jobsuche einzureisen. „Angebotsorientierte Einwanderung“ nennen die Grünen das. Finden die Karteninhaber in diesen zwölf Monaten – in der sie keinerlei Anspruch auf Sozialleistungen haben – eine unbefristete Anstellung oder haben sich erfolgreich selbstständig gemacht, bekommen sie einen Daueraufenthalt.

Gelingt es ihnen jedoch nicht, einen Job zu ergattern, der ihren Lebensunterhalt sichert, müssen sie wieder raus. Notfalls müsse „die Ausreisepflicht durch Abschiebung vollzogen werden“, erläuterte der Grünen-Berater und Professor für öffentliches Recht, Thomas Groß.

Zu den besonders zu berücksichtigenden Kriterien zählt ein Hochschulabschluss

Wegfallen soll nach Vorstellung der Grünen die Vorrangprüfung, nach der erst nachgewiesen werden muss, dass kein Deutscher oder EU-Bürger für einen Arbeitsplatz bereitsteht, bevor dieser mit einem nichteuropäischen Arbeitnehmer besetzt werden kann. Außerdem soll es ausländischen Studierenden gestattet werden, nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Arbeit in der Bundesrepublik aufzunehmen. Auch Asylbewerber sollen in den Status eines Arbeitsplatz suchenden Einwanderers wechseln können – allerdings nur bei gefragter Qualifikation.

Eine deutliche Liberalisierung streben die Grünen bei der Staatsbürgerschaft an. So sollen Doppelstaatsbürgerschaften auch für Nicht-EU-Bürger grundsätzlich möglich sein. Vor allem jedoch sollen in Deutschland geborene Kinder von Ausländern künftig nicht erst dann die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt.

Künftig soll es ausreichen, wenn ein Elternteil legal in der Bundesrepublik lebt. Für hier geborene Flüchtlingskinder soll gelten, dass sie Deutsche werden, sobald der Asylantrag eines Elternteils positiv entschieden ist.

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22 Kommentare

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  • Na na, die GRÜNEN sollten vielleicht erstmal dafür sorgen, daß GEWALTtäter konsequent abgeschoben werden.

    Opferschutz statt Täterschutz wäre mal echte, gemeinwohlorientierte Realpolitik.

    Dann kann man auch über eine - gemeinwohlorientierte - Einwanderung reden.

  • In Sachen Einwanderung gibt es zwei Extrapositionen: Alle die wollen rein. Alle raus. Irgendwo dazwischen muss ein gesellschaftlicher Konsens gefunden werden, der eine möglichst breite Akzeptanz findet und dann durch ein Einwanderungsgesetz geregelt wird. Und hier liegt für viele das Problem. Ein Gesetz regelt dann, wer kommen darf und wer nicht. Das bedeutet konsequenterweise auch, dass die, die nicht legal kommen dürfen auch abgeschoben werden. Natürlich kann man dagegen mit Legal – Illegal – Scheißegal argumentieren. Aber das Argument würde auf breiter Ebene wenig Akzeptanz finden.

  • Toll, ein Jahr lang Arbeit suchen und dabei von Luft und Liebe leben müssen.

     

    Wer kann sich das außer ein paar arabischen Scheichs und irgendwelchen Warlords oder anderen Kriminellen erlauben? Ein Jahr lang bleibt denen also die Möglichkeit, die hier existierenden Niedriglöhne in Billigjobs noch weiter runter zu drücken oder evtl. Prostitution, Drogenhandel oder Einbruch etc.

     

    Klasse Plan.

     

    Aber wir können wenigstens weiter wie es schon Schulz tat, die Mär vom Fachkräftemangel verbreiten, den es laut Arbeitsagentur nicht gibt. Es gibt einige regionale "Engpässe" (d.h., es bewerben sich unter 10 Arbeitslose auf eine Stelle, die jünger als 45 sind), aber das ist es auch schon.

    Die BfA schreibt:

    "Aktuell zeigt sich nach der Analyse der Bundesagentur für Arbeit kein flächendeckender Fachkräftemangel in Deutschland.

    Es gibt jedoch Engpässe in einzelnen technischen Berufsfeldern sowie in einigen Gesundheits- und Pflegeberufen.

    Im Vergleich zur letzten Analyse vom Juni 2016 hat sich die Engpasslage auf Expertenebene in den Berufen Elektrotechnik,

    Ingenieure Ver- und Entsorgung sowie Informatik entspannt. Neu hinzugekommen ist ein Mangel bei Experten in der

    IT-Anwenderberatung und Pharmazie. Außerdem sind Engpässe im Bereich der Physiotherapie, bei Friseurmeistern und

    Fahrlehrern sichtbar geworden." (zitiert nach "Blickpunkt Arbeitsmarkt

    Fachkräfteengpassanalyse; Fachkräfteengpassanalyse, Dezember 2016, Bundesagentur für Arbeit

    Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung, Nürnberg)

    • @Age Krüger:

      Kleine Ergänzung -

      "Die gleiche Zahl freier Stellen -

      Steht der gleichen Zahl Arbeitsloser"

      Gegenüber (ob aktuell noch - weiß ich nicht!) - bei - Genau Ingenieuren!

      Ist der - auch - der fortschreitenden Spezialisierung - bereits in der Ausbildung! - vor allem aber der Weigerung der Wirtschaft zur begleitenden Fort&Weiterbildung geschuldet!

      Aus reinem Verwertungsinteresse!

      Schon in den 60ern machten wir

      "Hands off" vor sog. Bäckerburschen!

      Die zwar so grad noch am militärisch trivialen VW-Käfer - ex&hopp - konnten! Aber schon beim Modellwechsel grünlich-nervös wurden & hoffnungslos abkackten!

      Das - ist beliebig hochzurechnen! &

      Brain-drain inklusive! Asimäßig alles!

      Schwatz-grün halt! Newahr ihr tazis!

  • Ein Einwanderungsgesetz ist sicher sinnvoll. Die Fragen bleiben

    -wer soll kommen?

    -wer soll nicht kommen?

    -was passiert mit denen, die nicht kommen sollen aber trotzdem kommen?

     

    Die Grünen sagen nicht, was mit der Vielzahl von Bedürftigen geschieht, die in d einen Asylantrag stellen wollen. Alle rein, Asylantrag prüfen und dann wieder raus?

     

    Auslagerung der Entscheidung auf eine Kommission ist jedenfalls gut. Damit werden die politischen Entscheidungsträger aus der Schusslinie genommen.

     

    Trotzdem bleibt die Wähler-Frage an

    die Grünen: Ist gegenüber heute mehr oder weniger Migration gewünscht?

     

    Duisburg-Marxloh als grünes Vorzeigeprojekt?

  • KGE gähn.

    Jetzt mit Talentkarte.

    DDR reloaded 3.0 mittlerweile.

    Robert Habeck - meine letzte grüne Hoffnung ...

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Pink:

      "Robert Habeck - meine letzte grüne Hoffnung ..."

       

      Was hat denn Ihr letzter grüner Hoffnungsträger diesbezüglich Tolles in petto?

      Bin schon gespannt...

  • "Notfalls müsse „die Ausreisepflicht durch Abschiebung vollzogen werden“, ..."

     

    Was bei Kriminellen nicht klappt soll dann bei der unbescholtenen Familie, die nur bei der Jobsuche erfolglos war, funktionieren?

  • Die Grünen sind also die neue FDP, die neue Partei der Besserverdiener und Firmenbosse.

     

    Ich fass es nicht!

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Es ist ja schon mal ein Fortschritt, "Einwanderung" und das Kriterium "eine Qualifikation/Ausbildung, die es erlaubt, den eigenen Lebensunterhalt selbst zu verdienen" zusammenzubringen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @82732 (Profil gelöscht):

      Ganau damit werden sich die jungen Abgehängten mit guten Bildungschancen (hierzulande) nicht ruhigstellen lassen und weiterhin lieber die Asylschiene wählen.

      Fortschritt sehe ich darin keinen.

      • 8G
        82732 (Profil gelöscht)
        @571 (Profil gelöscht):

        Ja gerne. Bringt jemand das Nötige mit und erlangt/bekommt damit einen Lehr-/Ausbildungs- oder Studienplatz "hierzulande" , dann legt das auch die Grundlagen um hier zurechtzukommen.

         

        Der Punkt ist eher: Ich mag -sagen wir mal- die Glitzertürme und Ferraris in Dubai attraktiv finden.

        Aber ohne arabische Sprachkenntnisse und einen klaren Plan, wie und womit ich dort meinen Lebensunterhalt erarbeiten kann, will (und sollte) ich nicht dorthin einwandern.

        Und verstehe Dubai, wenn sie entsprechende Anforderungen stellen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Hauptsache, das "EINWANDERUNGSgesetz" wird Wahlkampfthema. Über grüne Einzelheiten jetzt schon zu erfahren zeigt, wie ernst die es damit meinen. Nur zu.

    Der Anhang "Selektion" soll aber wieder mal die rechts Gestrickten sedieren helfen.

    Weg damit.

  • Soso, die Grünen springen nun auch auf den Güterzug des Job-Kolonialismus auf. Nachdem über Jahrzehnte 'die WirtschaftÄ nicht in der Lage war, ausreichend Ausbildungsplätze bereit zu stellen, nachdem 'die' Forschung mehr und mehr in den Universitäten und nicht mehr in den Konzernen finanziert wird sollen jetzt die fehlenden Fachkräfte zur Verhöhnung der Arbeitslosenstatistik mit Importen auf Probe aufgefrischt werden?

    Nicht ohne Grund ist Schröder 'Blue Card' dereinst so verpufft: die Leute, die gelockt werden sollten, waren eben ZU gebildet...

    • @Vidocq:

      Es ist Wahlkampf. Ein „Paradigmenwechsel“ wäre ein solches Gesetz für die Bundesrepublik, geregelte Einwanderung wollten die Grünen schon immer. Nur bei der CDU, genauer der CSU beißt man auf Granit. Wie bei bundesweiten Volksentscheiden gibt es eine Allparteien-Koalition, alle, selbst die AfD wollen irgendeine Regelung die Zuwanderung zu begrenzen, indem man sie zu erst mal zur Kenntnis nimmt.

       

      Auch wenn Grünens es schon immer wollten, neu ist die Durchlässigkeit zwischen Asylbewerbern, Studenten und Migranten. Bisher gelten absurde Regelungen, nach denen zur Jobsuche erst ausgereist werden muss, um dann eine Arbeitserlaubnis zu beantragen, um dann wieder einzureisen. Deutsche im Ausland würden das Schikane nennen. Zumal dafür erhebliche Gebühren erhoben werden. Egal, Merkel wird wieder gewinnen und dieser Entwurf wird Makulatur wie frühere Entwürfe.

       

      Nur für die, denen das Land am Herzen liegt. Die wissen:"das wäre ihr Preis gewesen."

    • @Vidocq:

      Die Grünen bleiben bei ihrer Linie seit Jahrzehnten. Auf den Zug springt ein FDP-Lindner, der auf einmal auch ein Einwanderungsgesetz möchte. Das wollen die Grünen seit Jahrzehnten. Schon 1996 wurde beschlossen, dass nicht jeder kommen darf, sondern die Einwanderung gesteuert werden muss.

       

      Derartige Projekte wurden von der SPD stets in ihr Gegenteil verkehrt. Schröders 'Blue Card' hat Grüne Ideen weitgehend vergiftet. Bei den Sozialdemokraten geriet das Thema daraufhin in Vergessenheit. Die Grünen haben jede Legislatur eine neue Version gebracht.

       

      Jetzt wurde ein Entwurf im Fernsehen gezeigt. Neu ist an dem Entwurf nur die Anpassung an reale Gegebenheiten. Es waren ja nicht die Grünen, die damals den Familien-Nachzug begrenzt haben. Jetzt sind es die Punkte, die dem möglichen Koalitionspartner zuliebe eingefügt wurden. Den Grünen kommt es einzig darauf an, die Gesamtzahl zu begrenzen. Wie die 'Geeigneten' gefunden werden, ist ihnen weitgehend egal.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Vidocq:

      "die Leute, die gelockt werden sollten, waren eben ZU gebildet..."

       

      Die waren eher zu wenig bedürftig, um sich solchen Unsicherheiten auszusetzenen. So total attraktiv ist halt D nun auch wieder nicht. Nur mit Geld zu locken, war zu kurz gedacht.

  • ...ein Grüner Realo, Daniel Cohn-Bendit, hat einmal gesagt, Einwanderung sei nur OHNE Selektion sinnvoll. Allerdings: die GRÜNEN waren auch mal gegen den Krieg...

    • @Der Alleswisser:

      & der Wolkie von Kölle -

      Hat mal wieder Feines auf Lager -

       

      "…Von einem „Paradigmenwechsel“ sprach der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Migration sei „kein Problem, vor dem man sich schützen muss“.…"

       

      Genau. "Es gehe darum zu zeigen, „dass wir ein weltoffenes Land sind“. "

       

      klar - Nix gegen lange Zähne machen!

      Aber gepflegt müssen sie sein!

      In Dubai oder anderwo -

      Will's Volkerchen keine Sklaven sehn.

  • Die "Besten" ? Kann gar nicht so viel essen ...

    • @xonra:

      Darf ich mitk ... ? Im Gedenken an Ossietzky.

    • @xonra:

      Geht mir auch so und unterscheidet sich vor allem in nichts von sehr rechten CDU/CSU-Positionen, die es so schon seit Jahren gibt (bis auf die doppelte Staatsbürgerschaft).

       

      Dann doch lieber hier mehr in die Bildung und Bildungschancen stecken, als so einen grün angestrichenen "Scheiß" zu verzapfen.

       

      Und was wäre, wenn Mann/Frau mit Prostitution sich sein/ihr Einkommen finanziert? Ich gehe mal davon aus, dass alle dabei nur an Akademiker denken, die nach D möchten. Ausbildungsberufe wie in D gibt es in den wenigsten Ländern und schon gar nicht ohne dafür zu zahlen.

       

      Selbständigkeit innerhalb eines Jahres? Meist nur mit Selbstausbeutung ohne jegliche Absicherung, wie es heute noch ehemalige DDR-Fremdarbeiter tun oder eben, weil mensch schon viel Geld mit bringt. Und dann benötige ich aber auch keine Einwanderungsklausel.