Skandale bei der Bundeswehr: Ein Macho-Musterungscheck muss her
Eklige Rituale in Pfullendorf, monatelanger Missbrauch in Bayern und jetzt ein unbestrafter Grabsch-Soldat: Hat der Wehrbeauftragte versagt?
Mehr als 10.000 Euro monatlich bekommt der Wehrbeauftragte Bartels dafür, dass er die Rechte von Soldat*innen wahrt und sie vor Übergriffen schützt. Hat die menschgewordene Kontrollinstanz versagt? Steht Bartels jede Nacht vor dem Spiegel und schluchzt seinem Gegenüber den Satz „You had one job“ in den Krawattenknoten?
Vor ein paar Wochen kam heraus, dass Ausbilder*innen in Pfullendorf ihre Untergebenen systematisch gedemütigt und sexualisierter Gewalt ausgesetzt hatten. Jetzt hat das Verteidigungsministerium gestanden, dass die Staatsanwaltschaft gegen mindestens 14 Gebirgsjäger*innen in Bad Reichenhall ermittelt. Unter anderem sollen sie einen Obergefreiten monatelang sexuell belästigt und genötigt haben. Erst nachdem er versetzt worden war, zeigte der Soldat seine Peiniger*innen an.
„Der Vorfall in Bad Reichenhall ist nicht zu vergleichen mit den Ereignissen in Pfullendorf, weil er nur einer Teileinheit zuzuordnen ist und nicht mehrere Soldaten betroffen sind“, kommentiert die Bundeswehr. Es handle sich um einen Einzelfall. Immer diese Einzelfälle, die zehn Monate lang dauern und dann gleich als sexuelle Belästigung, Volksverhetzung und Verstoß gegen das Tierschutzgesetz angezeigt werden.
Immer mehr Mut zur Anzeige
„Wir wollen in der Bundeswehr ein Klima des Vertrauens, der Offenheit, des Respekts und der Unterstützung pflegen“, schreibt Ursula von der Leyen in einem offenen Brief. Darin reagiert sie aber nicht auf die Gebirgsjäger*innen, die ihr durchgegangen sind, sondern auf einen weiteren aktuellen Fall: Eine Soldatin hat ihren Kameraden angezeigt, der ihr an den Po gegriffen hatte. Die Staatsanwaltschaft stellte nun das Verfahren ein, weil der Täter bloß sein „Interesse“ bekundet habe.
Letztes Jahr wurden Soldat*innen 131 Mal verdächtigt, „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ begangen zu haben. Das meldet Bartels in seinem aktuellen Bericht. Im Jahr 2015 hatte er nur 86 Fälle behandelt. Betroffene hätten immer mehr Mut zur Anzeige, erklärt Bartels' Büro auf Anfrage. Das sei vermutlich der Grund für den Sprung.
Daten der letzten 15 Jahre, die der taz vorliegen, zeigen: Die Zahl der Anzeigen schwankt. Im Durchschnitt steigt sie aber ganz leicht an. Der Trend entspricht fast genau dem Wachstum der Soldatinnenquote. Mehr Frauen, mehr Stress? Naja, die Täter sind fast immer Männer.
Trotz all dieser Fälle darf Bartels seinem Spiegelbild salutieren. Versagen muss er sich nicht vorwerfen – immerhin ist das öffentliche Interesse an Grundrechten innerhalb der Kaserne gewachsen.
Bewerber*innen mit schiefem Weltbild
Fleißige Wehrbeauftragte hin, empörte Ministerinnen her: Es fehlt die Prävention. Das Problem liegt nicht nur bei der Führungsebene, die von der Leyen mit öffentlichen Aufrufen und Lehrgängen zu sensibilisieren versucht. Auch gleichrangige Kamerad*innen mobben, belästigen und diskriminieren einander. Statt gestandene Militärs nach Jahren umzuerziehen, sollten Rekrut*innen von Anfang an geschult werden.
Eigentlich müsste das Thema schon während der Rekrutierung eine Rolle spielen. Bewerber*innen, deren Weltbild ganz offensichtlich schief hängt, dürfen nicht eingestellt werden. Vielleicht lassen sich Pinkelproben und Fitnessprüfungen durch einen Macho-Musterungscheck ergänzen. Psycholog*innen können mithilfe standardisierter Tests sowohl unbewusste Vorurteile als auch menschenverachtende Ideologien ermitteln.
Mag sein, dass die Bundeswehr sich über jedes Neumitglied freut, das kräftig ist und Befehle befolgt. Aber ein Maschinengewehr ist in den Händen jedes betrunkenen Eichhörnchens besser aufgehoben als bei einer Person, die am normalen Umgang mit anderen Menschen scheitert. Wer unser Wertesystem verteidigen soll, muss es auch verstanden haben.
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