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Aktivistin Wizorek über neues Bündnis„Feministische Kämpfe bündeln“

Ein neues Netzwerk soll feministische Initiativen zusammenbringen. Anne Wizorek erklärt, warum sie dabei auch den Umweltschutz im Auge behält.

Zehntausende protestierten beim Women's March am 21. Januar in den USA gegen Donald Trump Foto: dpa
Dinah Riese
Interview von Dinah Riese

taz: Frau Wizorek, Sie haben an diesem Montag die Webseite des „Feministischen Netzwerks“ gelauncht – was ist das Neue daran?

Anne Wizorek: Das Feministische Netzwerk versteht sich als Bündnis. Es geht darum, feministisch aktive Menschen in Deutschland besser zu vernetzen. Konkret heißt das zum Beispiel, dass wir die verschiedenen bundesweiten Aktionen und Veranstaltungen zum 8. März, dem Internationale Frauen*kampftag, auflisten. So werden auf feministischesnetzwerk.org verschiedene feministische Gruppen, Organisationen und Initiativen bundesweit aufgeführt, die dem Bündnis beigetreten sind. Wir wollen aber auch neue Leute animieren sich aktiv zu beteiligen. Viele wollen sich gerade engagieren – wissen aber nicht, wo sie damit anfangen können. Die Veranstaltungsliste ist dann ein solcher Anfang. Gerade in Zeiten des Rechtsrucks müssen wir wieder mehr voneinander erfahren und uns zusammentun.

Sie haben schon verschiedene öffentlichkeitswirksame feministische Kampagnen mit initiiert – #aufschrei, #ausnahmslos – und sind Gründerin des feministischen Blogs kleinerdrei.org. Warum jetzt dieses Netzwerk?

Der akute Anlass ist der bevorstehende 8. März. Ich und sehr viele Leute in meinem Umfeld hatten das Bedürfnis, uns stärker zu vernetzen und unsere Kämpfe zu bündeln. Wir haben den Czarny-Protest in Polen gesehen und den Women's March in den USA, das hat uns sehr inspiriert. Gerade für den 8. März ist international viel geplant – da wäre es schade, wenn Deutschland sich nicht einreihen und die feministischen Kräfte hier sichtbarer machen würde.

Ist das Thema heute wichtiger als vor sagen wir mal fünf Jahren?

Feminismus ist immer wichtig. Aber wir sehen ja, wie in Europa und weltweit die rechtsnationalen Parteien auf dem Vormarsch sind – und in manchen Ländern auch schon an der Macht. Da ist es wichtiger denn je, mit einer feministischen Vision an den Start zu gehen.

Anne Koch
Im Interview: Anne Wizorek

ist selbstständige Beraterin für digitale Medien, Autorin und feministische Aktivistin. Sie lebt im Internet und in Berlin und ist Gründerin des für den Grimme-Online-Award nominierten Gemeinschaftsblogs kleinerdrei.org. In ihrem Buch „Weil ein #aufschrei nicht reicht – Für einen Feminismus von heute“ (Fischer Verlag, 2014) entwirft sie eine moderne feministische Agenda.

Ihre Vision beinhaltet laut Webseite unter anderem reproduktive Selbstbestimmung und die Rechte von LSBTQIA, aber auch die Rechte von Migrant*innen oder Menschen mit Behinderung und Umweltschutz. Warum sind das feministische Themen?

Feminismus bezieht sich immer auf die gesamte Gesellschaft. Er guckt, wer in der Gesellschaft schlechteren Zugang hat zu Arbeitsplätzen, wer die Möglichkeit hat aufzusteigen und wer nicht und was die Faktoren dafür sind, dass zum Beispiel Frauen nachweislich immer noch mehr Probleme haben, im Beruf vorwärtszukommen oder Familie und Job zu vereinbaren. Warum aber auch Arbeit nicht alles im Leben sein und bestimmen darf. Feminismus fragt, warum nicht alle dieselben Möglichkeiten haben, sich zu entfalten oder politische Teilhabe auszuüben. Das ist in unseren Leitgedanken abgebildet. Wir haben uns dafür die Unity Principles des Women's Marches angeschaut und sie an deutsche Debatten angepasst.

Aber was genau haben nun Umweltschutz oder Behinderung mit Feminismus zu tun?

Es geht um die Welt in der wir leben. Wir vertreten einen intersektionalen Ansatz: Sexismus ist für uns ein Problem, um das wir uns kümmern müssen – genau so aber Rassismus, Klassismus, Homo- oder Behindertenfeindlichkeit. All das ist miteinander verwoben. Wir erreichen keine gerechte Gesellschaft, wenn wir uns nur mit einem Feld von Diskriminierung beschäftigen. Aber genau das wollen wir: dass allen Menschen ein gutes Leben ermöglicht wird. Dazu gehört dann eben auch die Natur in der dieses Leben geführt wird.

Und würden Sie sagen, die Mobilisationskraft für feministische Kämpfe ist heute größer als noch vor ein paar Jahren?

Mit den politischen Entwicklungen weltweit haben auf jeden Fall mehr Menschen gemerkt, worum es jetzt geht: nämlich um grundlegende Menschenrechte. Das, was wir an Meilensteinen der Geschlechtergerechtigkeit haben, ist uns nicht geschenkt worden. Das wurde hart erkämpft. Und genau so gut kann es auch wieder wegbrechen. Das wissen wir Feminist*innen schon lange, aber jetzt hat es mehr Menschen erreicht. Nicht umsonst haben soziale und linke Parteien seit der Wahl Trumps mehr Zulauf – auch das ist ein Weg, auf dem Menschen versuchen, sich zu engagieren. Dazu kommt die Dynamik der sozialen Medien – ich sehe, welche meiner Freund*innen alle an einer Aktion teilnehmen, das motiviert mich nochmal zusätzlich.

Das "Feministische Netzwerk"

Das "Feministische Netzwerk" versteht sich als Bündnis, um feministische Kräfte in Deutschland zu bündeln. Es startete am Montag, den 27. Februar, mit knapp 100 Personen, Gruppen und Institutionen. Die Seite wird laufend aktualisiert und soll einen Überblick bieten über Veranstaltungen und Möglichkeiten, sich zu engagieren.

Sie sind inspiriert vom Women's March und den Frauenstreiks in Polen und anderen Ländern. Das waren allesamt Demonstrationen mit vielen Tausend Teilnehmer*innen. Kommt jetzt die feministische Revolution?

Als Optimistin sage ich natürlich ja! Feminismus – besonders intersektionaler Feminismus – ist genau die Antwort, die es auf den rechten Backlash braucht. Es kann nicht sein, dass wir immer nur gegen die AfD und Pegida auf die Straße gehen. Am Ende müssen wir auch für etwas einstehen. Und dafür, wie unsere Gesellschaft sozial gerecht aussehen soll, hat der Feminismus eine klare Vision.

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13 Kommentare

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  • wenn a.Wizorek streikt merkt das kein Mensch

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Das Engagement für mehr soziale Gerechtigkeit und eine Gesellschaft ohne Diskriminierung ist sehr gut, aber die "Vermarktung" als "feministisch" finde ich sehr problematisch.

     

    Wenn es um Teilhabe für alle geht, warum wird es dann "Feminismus" genannt? Dialektisch betrachtet ist das eine Vereinnahmung der pluralen Interessen im Namen einer Interessengruppe.

     

    "Feminismus fragt, warum nicht alle dieselben Möglichkeiten haben, sich zu entfalten oder politische Teilhabe auszuüben."

     

    Das ist keine (exklusiv) feministische Frage. Sie ist weit älter als der Feminismus.

    Was hier als Frage formuliert wird, klingt daher eher wie eine Antwort: Der Feminismus als Antwort auf die soziale Ungerechtigkeit. Damit ist gesetzt: die "Männlichkeit", das Patriarchat als Ursache des Problems.

    Die ursprüngliche Frage nach dem "Warum" gerät dabei in den Hintergrund. Kapitalismuskritik könnte Antworten auf die Ursache des "rechten Backlash" geben.

     

    Es wird der heteronormative Gegensatz von weiblich (als emanzipativ) und männlich (als bevormundend) reproduziert.

    Das ist gegen die Interessen von Trans-, Inter- und Asexuellen, sowie von Androgynen, die an der Auflösung der Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit interessiert sind.

     

    Es ist auch gegen die Interessen der Männer, die an der eigenen Emanzipation vom traditionellen Männerbild interessiert sind und die Erwartungen, die es mit sich bringt , als repressiv betrachten.

    Emanzipation ist nicht weiblich, sondern menschlich.

     

    Es gibt weiteren einen "blinden Fleck" im Sichtfeld des Feminismus, das ist die Art und Weise, in der traditionelle Männerbilder auch Männer bevormunden (Männer haben in Deutschland durchschnittlich 5 Lebensjahre weniger als Frauen, kleine Jungen dürfen beschnitten werden (vom Gesetz geschützt werden die Täter), die Wehrpflicht ist nur ausgesetzt und nicht abgeschafft usw.).

  • Was ist denn "LSBTQIA"?

  • Wer nur von Subventionen und Steuergeldern lebt, hat berechtigt Sorge um seine Existenz, wenn der gesellschaftspolitische Wind sich nach rechts dreht. so weit so gut.

     

    Warum aber die Teilhabe-Defizite von Individuen mit Gruppen-Feindlichkeit und Benachteiligung gleichgesetzt werden, erschließt sich nur den Ideologen.

     

    Ungeliebt bleibt ungeliebt und ist durch kein Menschenrecht ungeschehen zu machen.

  • "Interessanterweise sind ja maßgebliche Protagonistinnen des europäischen Rechtspopulismus/Nationalismus bekanntlich Frauen. Also echte Frauen, keine "sozialen Konstrukte". "

     

    Was genau möchten sie damit zum Ausdruck bringen?

    So wie ich das mitbekommen habe , sind in rechtspopulistischen Vereinigungen und Parteien überproportional viele Männer aktiv.

    Den subtilen Seitenhieb auf Transgender-Menschen hätten sie sich im Übrigen sparen können, sie soziales Konstrukt. ;)

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sollten sich diese Frauen mehr dafür interessieren, unter welchen Bedingungen die Klamotten, die sie tragen, produziert werden. Dann finden sich genug Möglichkeiten für sinnvolle (und solidarische) Proteste.

     

    Eine Gelegenheit haben sie schon verpasst: http://progressivearmy.com/2016/04/06/the-real-scandal-of-clinton-state-department-wage-suppression-in-haiti/

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      "Brauchen Frauen einen Mann, der Ihnen demonstrieren bezahlt?"

       

      Das Gejammer schon wieder, darüber, dass gemeinnützige Organisationen Spendengelder annehmen. So funktioneren NGOs nunmal. Soros ist ja wohl nicht der einzige Spender. Nur weil seine Stiftung mit Spendengeldern um sich wirft, sollen auf einmal alle diejenigen, die etwas davon haben, illegitime Interessen haben?

      Die Vorwürfe mit den bezahlten Demonstranten sind so lächerlich, merken Sie das eigentlich?

       

      "Ich sehe allerdings kaum Männer, die für Männerrechte demonstrieren."

       

      Organisieren Sie doch eine Demo, treiben Spendengelder auf, gründen einen Verein, machen Informationsveranstaltungen, erstellen Informationsmaterial. Vom Meckern wird es nicht besser.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Woher wissen sie denn, dass sie das nicht tun?

      Tragen nur Frauen Klamotten aus menschenunwürdiger Produktion?

      Brauchen Frauen wirklich einen mann, der ihnen vorgibt, wofür/wogegen sie protestieren "sollten"(dürfen)?

      Woran erkennen sie, dass diese Frauen alle Kleidung "made in bangladesh" tragen?

      Versuchen sie hier durch Whataboutism den feministischen Protest zu entwerten?

      Inwiefern ist feministisches Netzwerken nicht "sinnvoll"?

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @pippilotta_viktualia:

        Auf deren Seite sthet absolut nichts darüber.

         

        Nein. Ich sehe allerdings kaum Männer, die für Männerrechte demonstrieren.

         

        Nein. Brauchen Frauen einen Mann, der Ihnen demonstrieren bezahlt? über 50 Organisatoren von Women's March in den USA werden von George Soros finanziert 8http://nytlive.nytimes.com/womenintheworld/2017/01/20/billionaire-george-soros-has-ties-to-more-than-50-partners-of-the-womens-march-on-washington/).

         

        Muss nicht Bangladesh sein: http://bonsum.de/magazin/produktionslaender-wo-kommt-unsere-kleidung-her

         

        Whataboutismus - als Terminus gerne benutzt, wenn man merkt, dass man beim anpinkeln vom kleinen Busch neben einem Wald erwischt wurde (natürlich auch frau).

         

        Es ist immer sinnvoll. Weniger, wenn man sich als neoliberales feministisches Puppet betätigt.

      • @pippilotta_viktualia:

        Frauen brauchen sicher keinen Mann, der ihnen sagt, wann sie protestieren dürfen. Und Männer brauchen keine Frau, die ihnen sagt, wann sie gähnend abwinken dürfen.

  • Interessanterweise sind ja maßgebliche Protagonistinnen des europäischen Rechtspopulismus/Nationalismus bekanntlich Frauen.



    Der Intersektionalismus hat ja grade auch in den USA eine rechte Klatsche bekommen und wird künftig ganz sicher auf Millionen an Steuergeldern verzichten müssen.



    Diese Uniblase bunter Schneeflocken hat, so wie es aussieht, ihr Ende erreicht, lediglich die Ausläufer der Welle klatschen jetzt noch an unsere Strände.

     

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