Theater Bremen führt „Mr. Robot“ auf: Revoltenpop und Technokitsch
In „Mr. Robot“ reduziert Rothenhäusler die TV-Vorlage auf ihren kritischen Gehalt und haut sie dem Publikum unterhaltsam um die Ohren.
Revolution muss her, zumindest darin ist sich der Anarcho-Hacker Mr. Robot mit seinem vermeintlichen Gegenspieler, dem Konzernboss, irgendwie einig. Die Weltordnung muss weg und stattdessen eine neue her. Ob die dann aber frei, gleich und so weiter sein soll oder doch das Monopol des Schurken total wird – da besteht noch Klärungsbedarf. Denn wenn die Datensammlungen des Bankensystem erst bis zum letzten Backup gesprengt sind, dann ist die Bahn frei für geldloses Leben in Eintracht – oder eben für die konzerneigene Digitalwährung. Im Fernsehen spielt die serielle Hackerklamotte „Mr. Robot“ das Für und Wider der Untergangsidee bereits seit 2015 durch, am Donnerstag hat am Goetheplatz die Theaterfassung Premiere gefeiert.
Was beide Formate teilen, ist eine zunächst vulgäre Idee vom Kapitalismus: Am Unerträglichen nämlich, dass die Welt ein kalter und finsterer Ort ist und der Mensch darin immer noch Marx’ erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes und verächtliches Wesen – das ist hier das Werk einer Verschwörung fieser Anzugträger im Hinterzimmer. Nein, diesmal stecken nicht Freimauerer oder Juden dahinter, sondern (nur etwas weniger wahnhaft) der turbokapitalistische Internetmonopolist: Evil Corp., ein Fantasiekonzern mit dem besten aus Google, Facebook und der Weltbank.
Doch wo die TV-Vorlage noch etwas halbgar mit diesem reaktionären Klischeefiguren herum spielt, da haut Felix Rothenhäusler im Theater so dermaßen drauf, dass es die reinste Freude ist: Weitgehend losgelöst vom verkorksten Plot stellt er die Charaktermasken in die Runde und lässt sie kreuz und quer aufeinander los.
Auf einer Drehscheibe aus Glühbirnen, deren Licht wie Information durch eine Platine wabert, kreisen sie alle umeinander und dabei um sich selbst: Dem jungen Hacker mit Gewissensbissen (Nadine Geyersbach) wird zunehmend der alte (Robin Sondermann) unheimlich, weil er sich in Sachen Skrupel so gespenstisch einig mit dem Evil-Corp.-Boss (Verena Reichhardt) ist. Und das changiert im Sekundentakt zwischen witzigen Gags, moralischen Reflexionen und seelischen Krisen, die einen tatsächlich mitnehmen. Kein Ausfall, nicht einmal Straucheln: Das Goetheplatz-Ensemble präsentiert sich in Höchstform.
Absurdität personalisierter Weltherrschaftsfantasien und Spaß
Ergänzt und aufgelockert wird das einstündige Dialogfeuerwerk durch Matthias Kriegs Musik – inklusive Gesangseinlagen: Musicalkitsch auf Melodien von Bonnie Tyler über Falco bis zum Hippieschlager „Aquarius“. Das macht nicht nur richtig Spaß, sondern unterstreicht nebenbei auch die Absurdität personalisierter Weltherrschaftsfantasien. Und dabei bleibt es dann auch: keine Antwort, keine finale Aufklärung, erst recht keine Erlösung – nur der ins Publikum gesprochene Hinweis, man könne jetzt endlich einen Weißwein vertragen. Und das ist ein bisschen bitter und dabei ganz wahr.
Politisch wacher geht es in diesem Theater jedenfalls selten zu, lustiger aber eben auch nicht. Jan Eichbergs Text hat treffsicher das Kritische der Vorlage geborgen und dabei noch das Kunststück vollbracht, den Computerstoff verständlich aufzubereiten, ohne in Technoschwachsinn à la Raumschiff Enterprise zu verfallen. Oder aber in Kauf zu nehmen, die technisch weniger versierten Teile des Publikums abzuhängen.
Und das gilt im Übrigen auch für jene, die sich bisher nicht mit der TV-Serie beschäftigt haben, die zwar bei der Kritik gut weg kam, hierzulande aber trotz Streamingdienst und DVD-Release kaum zum Allgemeingut zählen dürfte. Denn obwohl die Figuren hier nicht mehr groß eingeführt oder im Stück entwickelt werden, funktioniert dieser Clash der Lebensphilosophien, Klassenfragen und moralischen Haltungen erfreulich voraussetzungsfrei.
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